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Post will Normalbriefe entschleunigenDie Zwei-Klassen-Post hat Zukunft

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

40 Prozent weniger Briefe als vor 20 Jahren: Die Briefzustellung kann überleben, wenn nicht alles gleichermaßen eilig transportiert werden muss.

Briefzustellung hat nicht nur eine Zukunft, sonder auch eine Vergangenheit Foto: Anthea Schaap/imago

A uch wenn mancher Brief dringend erwartet wird: Die Liebe leidet wahrscheinlich nicht, der Steuerbescheid bleibt bestehen, die Rechnung muss bezahlt werden, wenn – wie von der Post geplant – der Brief dazu etwas später im Kasten landet. Insofern ist es eine schlicht zeitgemäße Idee der Bundesregierung, das gut 30 Jahre alte Postgesetz ins Digitalzeitalter zu hieven.

Die Uralt-Vorgabe „E + 1“ („Einwurftag + 1 Werktag“), laut der die Post im Jahresschnitt 80 Prozent der Briefe am folgenden Werktag zustellen muss, sorgt täglich für viel Nerv: Für Arbeitsüberlastung bei den 120.000 ZustellerInnen im Land, gleichzeitig für über 43.000 Beschwerden von frustrierten PostkundInnen allein im vergangenen Jahr – ganz zu schweigen von den klimaschädlichen und lauten Postfliegern, die wegen „E + 1“ mit tonnenweise Werbepost durch die Republik düsen.

Auch wenn heute 40 Prozent weniger Briefe geschrieben werden als noch vor 20 Jahren: Die Zustellung hat eine Zukunft, wenn sie auf die Bedürfnisse der BriefeschreiberInnen eingeht. Eine Zweiklassengesellschaft wäre hier sinnvoll. 2. Klasse: weiter 85 Cent für den Standard-Brief, der dann aber auch dauern darf. 1. Klasse: der Luxus-Express-Service mit Zuschlag. Wie viel, ist da der Knackpunkt.

Die Deutsche Post bietet den Tarif bereits an: Er heißt „Expresseasy“ – kostet aber bis 500 Gramm inklusive Online-Sendungsverfolgung und Versicherung satte 11 Euro.

In Dänemark kostet ein Normalbrief, der am kommenden Tag zugestellt wird, 3,90 Euro. Für Geschäftspost mit Akut-Bedarf vielleicht unproblematisch. Aber, um mal in den eigenen Vorgarten zu schauen, für die Zeitungszustellung eher eine Beschleunigung des ohnehin nahenden Endes.

Wer weiter bezahlbare Informationen für alle will, sollte deshalb auch SeniorInnen und ärmere Menschen einkalkulieren, die sich vielfach nicht online mit Nachrichten versorgen können – und die pünktliche Zustellung bezuschussen. Die Zeitung vom Samstag, die erst am Montag im Briefkasten landet, schafft nur Verdruss.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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9 Kommentare

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  • In der Tat sollte auch hier Nachhaltigkeit stärker gewichtet werden. Nicht alles muss am Folgetag zugestellt sein.

    Wichtig wäre aber auch, wenn der Gesetzgeber dringend diese unerhörte Papierflut der Werbepost verbieten würde, von der 95 oder 98 Prozent ungelesen im Müll endet.

    Ein Teil der Bevölkerung schaut noch rein, es mag für die einen bitter nötig, für die anderen eine Beschäftigungstherapie sein. Aber der Bezug dieser Werbeschriften könnte übergangsweise mit einem doppelten "Opt in"-System kombiniert sein, das einfach und narrensicher ist, so dass eben 95 bis 98 Prozent bei Inkrafttreten und die letzten Prozent bei Auslaufen der Übergangszeit in, sagen wir mal, 15 Jahren wegfallen könnten.

    Und für die Restwerbeschriften bitte umgehend die Plastikhülle verbieten! Wer das Zeugs beziehen möchte, hat einen Briefkasten, der entsprechend markiert wird (zusätzlich zu einer Anmeldung per Postkarte); erst dann erfolgt die Zustellung mit Papierbanderole wie bei einer Streifbandzeitung.

    Die Umwelt wird es uns danken!

  • 1999 war ich dankbar in einer wirtschaftlich schwierigen Situation einen Job bei einem Tochterunternehmen der Deutschen Post zu bekommen, der DPSV -DeutschePostService&Vertrieb- .



    Die Filialtätigkeit fand ich als ehemaliger Selbständiger sehr interessant weil sie sher offensiv über den 'Beamtemuff' hinaus Dienstleister sein wollte.



    Bis zur Übernahme der Filialen durch die Postbank durchlief ich mehrere Betriebsänderungen.



    Und in der geichen Zeit wurden Selbstverständlichkeiten in der Produktwelt der Post so eingedampft bis marginalisiert dass für die Tätigkeit am Schalter, für die ich noch 6 Wochen geschult wurde, mittlerweile nur noch einwöchige Begleitungen sind.



    Wie massiv der Reklamationsanteil am Kundenaufkommen angessichts der Hotlines mit ihrem hohen Optimierungspotential konnte jeder Filialbesucher in den durchschnittlich 20 min Wartezeit miterleben.



    Gleichzeitig war ein Eindruck davon zu gewinnen um wie viel sich Briefpreise verteuern müßten, wenn sich die Post nicht durch Werbeeinwürfe quer subventionierte; das Thema der Rabatte auf Massensendungen für Großkunden dabei mal ausgeklammert.



    Am Beispiel der Post ist ein großes Beispiel für unseren Werteverfall und verpasste Chancen ablesbar...

  • Ich sehe vieles ähnlich. Allerdings warum zum gleichen Preis für weniger Leistung? Bei uns auf dem Land gab es noch lange Briefkästen mit Sonntagsleerung. Alles abgeschafft. Wenn man die Einspruchsfristen bei Behörden etc. und Zahlungsziele von einem Monat auf 6 Wochen "entspannen" würde, wäre auch vieles einfacher. Dann könnte man auch mal unbesorgt 3 Wochen Urlaub machen incl. längerer Postlaufzeiten.

    • @Friedrich567:

      "Warum zum gleichen Preis für weniger Leistung?" Weil die Menge an versandten Briefen und damit der Umsatz mit Briefmarken massiv abgenommen hat, die Kosten aber nicht entsprechend.

      Einen Briefkasten in dem 1000 Briefe dind zu leeren, kostet fast gleich viel, wie einen Briefkasten zu leeren, in dem 20 Briefe sind. Und jeden Tag jede Straße abzuklappern um Briefe zu verteilen ist auch fast der gleiche Personalaufwand, ob da nun 100 oder 5 Briefe hingeschickt werden. Am anderen Ende sparen wir ja auch wieder Geld, weil vieles per Email, Anruf, Onlineformular, Chatnachricht o. ä. geht, für das es früher einen Brief mitsamt Porto gebraucht hätte.

  • Ich frage mich welche Briefe das sind, bei denen eine längere Wartezeit keine Probleme verursacht. Nette Briefe, oder solche die nicht eilig sind, gibt es doch fast gar nicht mehr? Ich meine, es kommen doch nur noch Rechnungen oder Bescheide vom Amt mit der Post und da wäre es fatal, wenn das lange dauert. Gerade Ämter wollen oft, dass man als Normalsterbliche sofort alles macht und die geforderten Unterlagen fehlerfrei am besten gestern vorliegen.

  • Eine seltsame Logik liegt der Idee zugrunde. Die Menge der auszuteilenden Briefe wird dadurch ja nicht weniger. Gemacht werden muss die Arbeit ja sowieso.



    Was ich mir eher vorstelle: man sammelt für zwei vollwertige Zustelltage alle normale Post zusammen und fährt an den anderen Tagen nur das Express-Zeugs aus. Auf dem Land könnte diese Rechnung aufgehen. In Städten mit vielen Mehrfamilienhäusern wohl eher nicht, denn wenn der Weg wegen einer Person gemacht werden muss, kann man auch gleich die anderen Briefkästen füllen.

  • Um Kosten und Arbeitsstress der Mitarbeiter zu sparen finde ich das ok.



    Standardbrief : Leerung des Briefkastens + 3 Werktage. Bei Einwurftag würde ich nicht bleiben weil viele Briefkästen Sonntags nicht geleert werden.

  • "Wer weiter bezahlbare Informationen für alle will, sollte deshalb auch SeniorInnen und ärmere Menschen einkalkulieren, die sich vielfach nicht online mit Nachrichten versorgen können – und die pünktliche Zustellung bezuschussen. Die Zeitung vom Samstag, die erst am Montag im Briefkasten landet, schafft nur Verdruss."

    Wäre es nicht sinnvoller (und letztlich auch kostengünstiger) jedem einen Online-Zugang zu ermöglichen? SChließlich geht es nicht nur Emails und die Zeitung am Samstag, sondern auch Bankdienstleistungen, Einkaufsmöglichkeiten, Kleinanzeigen, soziale Kontakte und vieles mehr, das man damit abdecken kann, ohne jedesmal irgendwelche Offline-Angebote einzeln zu bezuschussen.

  • Könnte mehr Arbeit, Zeit und Fehler bedeuten! Gibt es eine Garantie und eventuelle Entschädigung?



    Vorsortieren, aussortieren, den schnellen Haufen zustellen, abwarten, den langsamen Haufen zustellen. Bloß nichts verbummeln oder verwechseln. Sicherlich macht Vieles der Roboter, auch jetzt schon, aber der Postbote steckt den Brief ein! Ich erwarte keine Qualitätsverbesserung.



    PS.: Werbung verbieten!