Post aus dem Dannenröder Wald: Wenn die Tage gezählt sind
Viele Fakten sprechen gegen eine Rodung des „Danni“. Aber es gibt mehr Gründe, diesen einzigartigen Mischwald zu retten. Zum Beispiel die Menschen.
Diesen Artikel schreibe ich, während ich in 20 Metern Höhe auf einer Hängematte in meinem Baumhaus sitze. Vor mir taucht der Sonnenuntergang das Meer aus Blättern in ein warmes Licht und tief unten vom Waldboden erklingen die Stimmen der anderen Waldbesetzer*innen. Dieser Ort, der Dannenröder Wald, mein Zuhause, soll schon in wenigen Tagen zerstört werden.
Ich könnte jetzt anführen, dass es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit ist, in der Klimakrise einen gesunden Mischwald für den Bau einer Autobahn zu zerstören. Dass die Bäume teilweise mehr als 250 Jahre alt sind und auf einer einzelnen Eiche 300 Arten von Lebewesen zu Hause sind. Dass die A49, die von Kassel nach Gießen geplant ist, wieder nur einigen Wenigen nützt und die Klimakrise weiter befeuert.
Hinzufügen würde ich, dass es ein Skandal ist, dass in Hessen, wo der Danni liegt, die Grünen mit in der Landesregierung sitzen und somit die A49 mitzuverantworten haben. Ich könnte von dem Widerstand der Bürgerinitiative berichten, die seit 40 Jahren gegen die A49 protestiert. Von den Aktivist*innen, die im letzten Jahr den Danni besetzt haben und ihn damit vor der Rodung schützen konnten.
Ich könnte versuchen, in Worte zu fassen, welche Verbindungen in dieser Zeit aufgebaut wurden. Wie sich unterschiedliche Klimagerechtigkeitsgruppen dem Kampf für den Danni angeschlossen haben und sich gemeinsam unter dem Motto „Wald Statt Asphalt“ der Verkehrswende widmen. Wie immer mehr Menschen begreifen, dass, wenn wir irgendwie der Klimakrise begegnen wollen, es einen radikalen Wandel in allen unseren Lebensbereichen braucht.
CO2-Ausstoß, Artenvielfalt, Trinkwasserversorgung
Ich könnte Fakten anbringen wie zum Beispiel, dass der Verkehrssektor der drittgrößte Verursacher an CO2-Emissionen in Deutschland ist oder dass die Flächenversiegelung durch die Autobahn ein Ökosystem unwiederbringlich zerstören wird.
Ich könnte jetzt erklären, dass im Danni auch noch ein Trinkwasserschutzgebiet liegt, dass mehr als 500.000 Menschen mit Wasser versorgt. Dass der Bau der A49 dieses gefährdet, und all das im dritten Dürrejahr in Folge, in dem bereits erste Kommunen mit Wasser extern versorgt werden müssen.
Ich könnte den größeren Bogen spannen und erläutern, dass die A49 ein Symptom einer Gesellschaft ist, die ihre Probleme externalisiert und deren kapitalistisches System ihnen den Boden unter den eigenen Füßen weggräbt. Wie unsere Art, uns und Güter zu transportieren, nicht zukunftsfähig ist.
All das könnte ich berichten und doch würde es niemals auch nur im Ansatz dem gerecht werden, wofür der Danni steht und was die Menschen hier gemeinsam erschaffen haben. Die Hoffnung und der Glaube daran, dass ein Wandel möglich ist, dass unser System nicht so sein muss, wie es ist, dass es nicht in Beton gegossen ist, schweißen alle zusammen.
Manchmal muss man ein Baumhaus bauen
Gemeinsam blicken wir auf das, was kommen wird, denn die Gegenseite bereitet sich schon auf Räumung und Rodung vor. Polizist*innen fahren im Wald Streife und die Security Firma Mundt patrouilliert im Wald. Es werden Geschichten über die Besetzung verbreitet und es wird versucht die Bewegung zu spalten.
Und trotzdem kommen jeden Tag mehr Aktivist*innen, Unterstützer*innen und wohlgesonnene Menschen in den Danni. Wir passen aufeinander auf und lassen uns nicht einschüchtern. Auch wenn sie uns räumen und alles zerstören: Was wir hier gelebt haben, kann uns nicht mehr genommen werden.
Inzwischen ist die Sonne untergegangen. Die letzten Strahlen erhellen noch den blauen Himmel. Langsam breitet sich eine fast schon herbstliche Kühle aus. Vom Waldboden schallen fröhliche Stimmen und Musik zu mir hoch.
Manchmal bedeutet Teil der Veränderung zu sein, ein Baumhaus zu bauen, Abendessen zu kochen oder einen Text zu schreiben. Ganz gleich, wie sich Menschen einbringen wollen, der Danni ist der Ort, um selbst Teil der Lösung zu werden.
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