Polizeigewalt in den USA: Trauerfeier für Tyre Nichols

Hunderte haben Abschied von dem von Polizisten zu Tode geprügelten Afroamerikaner genommen. Vizepräsidentin Kamala Harris fordert ein Gesetz gegen Polizeigewalt.

Bürgerrechtler Al Sharpton stellt die Familie von Tyre Nichols während der Trauerfeier für Nichols in der Mississippi Boulevard Christian Church vor.

Rufe nach Gerechtigkeit: Bürgerrechtler Al Sharpton und die Familie von Tyre Nichols Foto: Andrew Nelles/ap/dpa

MEMPHIS afp | Unter Tränen und mit der Forderung nach Gerechtigkeit haben hunderte Menschen Abschied von dem von US-Polizisten zu Tode geprügelten Afroamerikaner Tyre Nichols genommen. Bei der Trauerfeier in Memphis am Mittwoch sagte Vizepräsidentin Kamala Harris zu den Angehörigen: „Wir trauern mit Ihnen und die Menschen unseres Landes trauern mit Ihnen.“ Derweil sorgte ein neuer Fall mutmaßlicher Polizeigewalt für Entrüstung, bei dem ein beinamputierter Schwarzer erschossen wurde.

Harris verurteilte in der Mississippi Boulevard Christian Church in Memphis im Bundesstaat Tennessee die brutale Prügelattacke von fünf afroamerikanischen Polizisten gegen den 29-jährigen Nichols. Dies sei ein „Akt der Gewalt“ durch diejenigen gewesen, die eigentlich für Sicherheit sorgen müssten.

Die erste schwarze Vizepräsidentin der US-Geschichte forderte außerdem den Kongress auf, eine von ihrer Demokratischen Partei initiierte Gesetzesreform gegen Polizeigewalt zu verabschieden, die nach dem 2020 bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis getöteten George Floyd benannt ist. „Präsident Joe Biden wird es unterzeichnen und wir sollten es nicht verzögern“, sagte Harris. Der Gesetzentwurf scheitert schon seit langer Zeit im Kongress am Widerstand der konservativen Republikaner.

Auch Nichols’ Mutter appellierte ihrerseits unter Tränen an den Kongress, endlich zu handeln. Ansonsten wären die Abgeordneten für den nächsten derartigen Todesfall verantwortlich, sagte RowVaughn Wells. „Dann klebt das Blut des nächsten Kindes, das stirbt, an ihren Händen.“ Nichols’ ältere Schwester Keyana Dixon sagte: „Alles, was ich will, ist, meinen kleinen Bruder zurückzuhaben.“

Angehörige von Opfern von Polizeigewalt nahmen teil

Auch der bekannte Bürgerrechtsaktivist Al Sharpton forderte in seiner Trauerrede, gewalttätige Polizisten müssten zur Verantwortung gezogen werden. An der Zeremonie mit Gospel-Gesängen und emotionalen Reden nahmen auch Angehörige von Opfern von Polizeigewalt teil. Unter ihnen war unter anderem Floyds Bruder Philonise Floyd.

Polizisten hatten Nichols am 7. Januar bei einer abendlichen Verkehrskontrolle in Memphis brutal zusammengeschlagen. Der 29-Jährige starb drei Tage später in einem Krankenhaus. In der vergangenen Woche wurden fünf nach dem Vorfall entlassene Polizisten wegen Mordes zweiten Grades angeklagt. In Tennessee entspricht dies einer Zwischenstufe zwischen Mord und Totschlag. Bei den fünf Männern, die einer inzwischen aufgelösten Sondereinheit der Polizei von Memphis angehörten, handelt es sich wie beim Opfer um Afroamerikaner.

In den USA sorgt tödliche Polizeigewalt gegen Schwarze immer wieder für Entsetzen und Empörung. Neuester mutmaßlicher Fall: In Huntington Park in der Nähe von Los Angeles sollen Beamte einen doppelt beinamputierten Mann erschossen haben. In Videos in Online-Netzwerken ist zu sehen, wie Polizisten in der vergangenen Woche ihre Waffen auf Anthony Lowe richten. Der 36-Jährige gibt seinen Rollstuhl auf und flüchtet auf seinen Beinstümpfen – dann wird das Geschehen in den Aufnahmen unklar. Spätere Ermittlungen ergaben laut offiziellen Angaben, dass zwei Polizisten etwa zehnmal auf Lowe schossen und dieser getötet wurde.

Die Familie des Getöteten berichtete der Los Angeles Times, dass Lowe mentale Probleme gehabt habe. Zugleich forderte seine Mutter Dorothy Lowe eine Untersuchung: „Sie haben meinen ohne Beine im Rollstuhl sitzenden Sohn getötet.“ Sie verlange „Gerechtigkeit“. Die Polizei erklärte, sie sei wegen eines Messerangriffs durch einen im Rollstuhl sitzenden Mann alarmiert worden. Der Verdächtige sei im Besitz eines 30 Zentimeter langen Messers gewesen und habe die Beamten „bedroht“.

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