Polizeigewalt in Katalonien: Schlag ins Gesicht? „Legitime Technik“
Seit dieser Woche werden 24 Polizisten verhört, die beim Referendum in Katalonien auf Menschen eingeprügelt haben. Beweise wurden vertuscht.
Dies erklärte ein Polizeibeamter bei seinem Verhör vor dem Ermittlungsgericht Nummer 7 in der katalanischen Hauptstadt Barcelona. Dort werden seit Wochenbeginn 24 Mitglieder der Sondereinsatzeinheiten verhört, die beschuldigt werden, beim katalanischen Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 „unverhältnismäßig“ gegen die Wähler vor sieben Wahllokalen in Barcelona vorgegangen zu sein.
Am Tag des durch die Zentralregierung unter dem damaligen konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy verbotenen Referendums, wurden laut der katalanischen Gesundheitsbehörden knapp 1.000 Menschen bei Polizeieinsätzen verletzt. Bilder zeigen, wie ein Beamter einer Frau in den Mund greift und sie so über den Boden schleift. Ein anderer rechtfertigt brutale Schlagstockeinsätze.
Es sei wichtig gewesen, die „Sicherheitszone zwischen den Einsatzfahrzeugen und den Eingängen der Wahllokale“, die in Schulen untergebracht waren, „zu säubern“ und dabei „schnell zu sein“, erklärte ein Gruppenführer. Die Beamten hätten sich „menschlichen Mauern“ gegenüber gesehen.
Keine Mitschnitte aus dem Polizeifunk – der war abgestellt
Von einen „organisierten, gewalttätigen Verhalten“ der Wähler ist auf den Videos, die als Beweismittel dienen und am 1. Oktober 2017 in den Nachrichten liefen, nichts zu sehen. Die Aufzeichnungen der Körperkameras der Einsatzkräfte wurden dem Gericht nur teilweise zugänglich gemacht. Mitschnitte aus dem Polizeifunk gibt es ebenfalls nicht, denn die Einsatzgruppen hatten diesen abgeschaltet und sich statt dessen – völlig rechtswidrig – über Handy verständigt.
Wer im Organisationsstab der rund 6.000, eigens für das Referendum nach Katalonien verlegten Polizisten saß, ist unbekannt. Der für Bürgerrechte zuständige stellvertretende Bürgermeister von Barcelona, Jaume Asens, fordert die Regierung, die Ermittlungen zu unterstützen. Dort regieren mittlerweile die Sozialisten.
Doch anstatt den Richtern umfassend Informationen zukommen zu lassen, zeichnete das Innenministerium den ehemaligen Regierungsdelegierten Enric Millo aus. Dieser war als Gesandter der Zentralregierung direkt für den Einsatz verantwortlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste