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Polizei wird nicht gesondert geprüftSeehofer enthorstet sich nur wenig

Laut Medienberichten plant der Bundesinnenminister eine „breit angelegte“ Studie zu Rassismus in der Gesellschaft. Beschränkung auf Polizei lehnt er ab.

Frankfurt am Main, 17. September 2020: Die Unzufriedenheit mit dem Minister wächst Foto: dpa

Berlin epd/taz | Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) plant laut Bild am Sonntag eine breit angelegte Studie zu Rassismus in der Gesellschaft. Eine Untersuchung, die sich „ausschließlich mit der Polizei und dem Vorwurf eines strukturellen Rassismus innerhalb der Polizei beschäftigt, wird es mit mir nicht geben“, sagte Seehofer der Zeitung. Das werde dem Problem nicht gerecht. „Hier bedarf es eines wesentlich breiteren Ansatzes für die gesamte Gesellschaft und an diesem arbeiten wir.“

Zunächst werde nun das Bundesamt für Verfassungsschutz Ende des Monats einen Bericht über Rassismus und Extremismus in den Sicherheitsbehörden vorlegen, kündigte Seehofer an. Forderungen aus Politik und Gesellschaft nach einer Polizei-Studie waren nach der Aufdeckung rechtsextremer Chat-Gruppen in Nordrhein-Westfalen lauter geworden. Der Vorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats, Memet Kiliç, schloss sich am Wochenende Rufen nach einer entsprechenden bundesweiten Untersuchung an. Man könne dies nicht einzelnen Bundesländern überlassen, sagte der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete im Deutschlandfunk.

SPD-Chefin hält Studie zu Rassismus für notwendig

SPD-Vorsitzende Saskia Esken hält eine Studie zu Rassismus in der Polizei weiterhin für notwendig. „Für ein gezieltes Vorgehen zur Bekämpfung menschenfeindlicher und rechtsextremer Einstellungen in den Reihen unserer Sicherheitsbehörden benötigen wir eine Studie, die genau dort ansetzt“, teilte Esken auf Anfrage der taz mit. „Unsere Polizistinnen und Polizisten sind in besonderen Maße auf das Vertrauen unserer Gesellschaft angewiesen“, sagte Esken zur Begründung. Man dürfe nicht zulassen, dass dieses Vertrauen durch rechtsextremes und verfassungsfeindliches Denken und Handeln zerstört wird.

Esken kontert gegenüber der taz: „Studien zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft, wie vom Bundesinnenminister vorgeschlagen, gibt es bereits seit mehreren Jahren.“ Seit 2006 untersuche beispielsweise die „Mitte-Studie“ im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung antidemokratische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung.

Gegen 30 Polizistinnen und Polizisten in Nordrhein-Westfalen wird derzeit ermittelt, weil sie in privaten WhatsApp-Chatgruppen rechtsextremistische Propaganda ausgetauscht haben sollen. Alle Beschuldigten sollen Beziehungen zur Polizeiwache Mülheim an der Ruhr haben.

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11 Kommentare

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  • Nur die Polizei zu untersuchen ist zu wenig oder zu viel?



    Einschränkungen sind oft wichtig, da meine ich allerdings die in der Sprache verwendeten.



    Was will der Horst Seehofer damit sagen:



    „ausschließlich mit der Polizei und dem Vorwurf eines strukturellen Rassismus innerhalb der Polizei beschäftigt, wird es mit mir nicht geben“?

    Würde er eine Studie zu strukturellem Rassissmus in allen Bereichen der Exekutive bevorzugen?

    Man könnte auch über die Einbeziehung weitere Teile der Gesellschaft nachdenken: Funktionäre der CSU und ihrer Unterorganisationen, oder alle Bürger, aufgeschlossen nach Dienstherr.

    Dafür könnte er viel Aufmerksamkeit ernten.

  • Hoffentlich kommen bei einer Studie über Rassismus in der Gesellschaft nicht Dinge heraus, die Herr Seehofer lieber nicht hören würde.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Ich sage mal so aufbauend auf dieser Studie dann eine Studie zur Polizei zu machen durch die selben Leute mit den selben Standards könnte durchaus sinnvoll sein um das ganze zu kontextualisieren.

  • Fast ist man geneigt Seehofer tatsächlich zu glauben, dass die Frage der Verbreitung rechts-offener bis -radikaler Einstellungen in der Breite der Bevölkerung ein für ihn völlig unerforschtes Phänomen darstellt. Fakt ist aber, dass die Quellenlager zu diesem Thema ausgesprochen gut und umfangreich ist. Seehofers angekündigte Studie ist also nicht nur eine äußerst billige Nebelkerze, sondern auch Steuerverschwendung.

    • 9G
      91751 (Profil gelöscht)
      @Ingo Bernable:

      Das habe ich mir auch gedacht. Wen genau will Seehofer damit eigentlich verarschen?



      Fakt ist, dass mit ihm als Innenminister keine Verbesserungen zu erwarten sind, allerdings bin ich etwas überrascht wie weit er bereit ist zu gehen um jegliche Aufklärung zu verhindern.



      Seehofer verhindert die Aufnahme von Asylbewerbern, obwohl die Länder es wollen. Er lacht sogar wenn man solche Menschen in Kriegsgebiete abschiebt. Er gibt vor keinen Nazi zu erkennen wenn Maaßen vor ihm steht und die Adolf-Hitler-Hooligans durch die Stadt marodieren.



      Wir haben einen Rechtsradikalen als Innenminister.

      • @91751 (Profil gelöscht):

        Wie ich Seehofer einschätze, hat er schon jemanden in petto, der diese Großstudie durchführen wird.



        Denn es wird eine Großstudie werden. Anders als durch eine wirklich umfassende und detaillierte Untersuchung ist das Angekündigte nicht zu stemmen.



        Ja, es wird lange dauern.



        Ja, es wird teuer werden.



        Ja, es wird wenig Neues ans Licht bringen.



        Ja, die Ergebnisse werden mit Vorsicht zu genießen sein.

        Aber darum geht es vielleicht gar nicht. Es geht, wenn man das bekannte Handeln der Union als Maßstab nimmt, darum, Steuergelder an Firmen umzuleiten, die sich in der Vergangenheit durch Spenden an ein oder zwei bestimmte Parteien ausgezeichnet haben, und im Gegenzug eine Minderleistung abliefern. Ob bei der Bundeswehr, bei der Maut, in der Landwirtschaft, bei der Energie"wende" - es ist immer dasselbe. Kreislaufwirtschaft. Eine Hand wäscht die andere.

        Dass wir möglicherweise einen Rechtsradikalen als Innenminister haben, der im Interview lachend verkündet, sein Streit mit der Kanzlerin wäre mehr Medienzirkus als Meinmungsverschiedenheit, und man würde sich (wenn gerade niemand hinschaut) prima verstehen, und offenbar - egal ob er rachts-offen oder -radikal ist - nicht eigenmächtig handelt, sondern mit Rückendeckung der vorgeordneten Instanz, bleibt von all dem unbenommen.

      • @91751 (Profil gelöscht):

        ich hätte es nicht besser formulieren können und stimme voll zu

      • @91751 (Profil gelöscht):

        Also, ein Nazi zeichnet sich durch folgende politische Ziele aus:



        - Wunsch nach einer Führerdiktatur statt der Demokratie



        - Eine homogene "Volksgemeinschaft" unter Eliminierung von Juden, Homosexuellen, Sinti & Roma und Behinderten sowie politischen Gegnern



        . "Gesundes Volksempfinden" statt Rechtsstaat und Menschenrechte



        - Die Idee einer überlegenen, so genannten "arischen Rasse"



        - Krieg zur Ausbreitung des Lebensraumes und zur Unterwerfung sogenannter "minderwertiger Rassen"

        Was von all dem propagiert Ihrer Meinung nach Herr Maaßen? Quellen? Herr Maaßen hat sehr viele rechtskonservative bis schräge Ansichten, aber Nazi?

        Zu Seehofer: Was macht jemanden, der keine weiteren Asylbewerber mehr aufnehmen will zu einem Rechtsradikalen? Deutschland hat hunderttausende Menschen aufgenommen. Ist nicht so, als wäre das nichts...



        Gut, Abschiebung nach Afghanistan ist sachlich absurd, aber im Prinzip gilt: Wenn ein Land rechtlich sicheres Herkunftsland ist, dann kann es rechtlich kein Asylrecht geben, also auch keinen Aufenthalt in Deutschland wegen Asyl. D ist ein Rechtsstaat.

        Und welche Rechtsradikalen Eigenschaften hat denn Herr Seehofer ihrer Meinung nach? Will er die Demokratie abschaffen? Will er alle legalen Einwanderer aus Deutschland vertreiben?

        Was die Polizei betrifft, hier mal eine gute Erklärung zu "Seehofers kleinen Leuten", als die er die Polizisten sieht:



        www.spiegel.de/pol...-a98f-b0e4b9eb0183

        • @Kartöfellchen:

          Zitate immer in

          Bei Seehofer in seiner Zeit als bayrischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender war kein Platz für Nebenbuhler. Selbst Söder durfte erst so richtig auf der Bildfläche erscheinen, als klar wurde, daß Seehofer nach Berlin geht

          Ich erinnere an die 69 teils rechtswidrigen Abschiebungen an seinem 69. Geburtstag. Eine Recherche ergab 6 Monate später, daß mehr als die Hälfte nicht mehr auffindbar war, ob nun tot, verschleppt, inhaftiert oder einfach nur untergetaucht, um dem zu entgehen, konnte nicht nachvollzogen werden.



          Oder die Demo in Mainz Ingelheim.

          >



          Die bayrische Grenzpolizei (nach dem Vorbild der US Border Patrol) wurde kürzlich vom Europäischen Gerichtshof für verfassungswidrig erklärt.



          Oder der Verzicht auf Stromtrassen, da es ja billiger wäre, Atomstrom aus der Tscheslowakei zu importieren.

          Diese Antwort liegt mir, als "Saupreiß" (Nordfiese) gerade zu auf der Zunge.



          Der Norden ist den CSU-Ministern egal.



          Sei es bei Verkehrsprojekten (Rader Hochbrücke, NOK, marode eingleisige Bahnen, sei es bei nach Holland vergebebenen Marinewerftaufträgen, sei es bei einer Fehl- und Unterbesetzung der WSAs (was die Aufgabe des Innenministers ist)

          Ein Krieg muß nicht unbedingt die Staatsgrenze überschreiten:



          Oury Jalloh, die Flüchtlinge im bedrohten Bus in Clausnitz oder die Demonstranten von Mainz-Ingelheim sind da sicher meiner Meinung

          • @JPP:

            irgendwie hat das mit dem Einfügen der Zitate nicht geklappt, sorry.

            Tja, muß man eben etwas scrollen/wischen und mitdenken :-(

        • @Kartöfellchen:

          Grundsätzlich alles richtig.



          Dennoch muss man Seehofer vorwerfen die Studie zu verhindern und damit effektiv Nazis und Rechtsradikale in den Reihen der Bundespolizei zu decken, zum Leidwesen der Gesellschaft.