Polizei ging rechtswidrig gegen Ultras vor: Kollektivstrafe ist nicht
Das OLG Braunschweig gibt einem Werder-Ultra gegen die Polizei recht: Die hatte ihn und seine Reisegruppe festgenommen – wegen eines Graffitis.

Die Polizei hatte offenbar nach der Devise „Mitgefangen, mitgehangen“ gehandelt: Bei der Anreise mit einem Reisebus zusammen mit 39 weiteren Fans hatte wohl einer „HB02 Ultras“ auf einer Raststätte gesprüht. Für die Polizei Grund genug, den Bus kurz vor dem Ziel von der Autobahn zu ziehen, alle Personen stundenlang zu durchsuchen und im Anschluss nach Hause zu schicken.
Dabei konnte die Polizei nicht einmal einen Zusammenhang des Fans zu dem Graffiti feststellen. Sprühdosen oder Waffen fand die Polizei bei keinem der Insassen. Weil allerdings acht Mitfahrer für die Polizei als „Gewalttäter Sport“ gelten, nahmen die Beamt*innen alle anderen mit in Gewahrsam und schickten den Bus zurück nach Bremen.
Das ist nicht zulässig, wie das Oberlandesgericht nun beschloss und damit eine Einschätzung des Amtsgerichts aufhob: Allein eine Zugehörigkeit zur Ultra-Szene und eine Einstufung durch einen szenekundigen Beamten reiche nicht, um für einen derartigen Freiheitsentzug und ein Betretungsverbot erforderliche Gefahrenprognose zu begründen. Ein Betretungsverbot hätte gegen den Betroffenen ebenso wenig ausgesprochen werden dürfe. Schließlich sei dieser noch niemals polizeilich in Erscheinung getreten.
Bagatellen als Vorwand für Aufenthaltsverbote
Um die Maßnahmen zu rechtfertigen, brauche es handfeste Hinweise auf drohende Straftaten – wie mitgeführte Waffen, stellt der Beschluss klar. Und: Auch „das Bevorstehen von Straftaten aus einer Gruppe heraus rechtfertigt nicht den Gewahrsam gegen jedes Gruppenmitglied“. Im Klartext: Kollektivstrafen sind auch für Ultras rechtswidrig. Die Entscheidung des Senats ist unanfechtbar.
Der Fan hatte unter Unterstützung vom Fanrechtefonds Beschwerde eingelegt. Wilko Zicht vom Fanrechtefonds sagte zum Beschluss: „Die Entscheidung ist ein Sieg des Rechtsstaates gegen eine Polizei, die meint, sich im Umgang mit Ultras nicht an die Gesetze halten zu müssen.“
Die Polizei nutze deutschlandweit immer öfter Bagatellen auf der Anreise als Vorwand, um gegen Gästefans ein Aufenthaltsverbot zu verhängen oder diese wieder nach Hause zu schicken. Auch andere Vorkommnisse der vergangenen Jahre seien als rechtswidrig anzusehen. Er forderte ein Ende von „Kollektivstrafen im Gewand der Gefahrenabwehr“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!