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Politologe über Finanzkrise„Die Armen müssen früher sterben“

Der Politologe Hermann Adam ist trotzdem optimistisch, weil Kapital und Unternehmen an Macht verlieren würden. Grund sind knapper werdende Arbeitskräfte.

Arbeitnehmer. Sie werden, so hofft Hermann Adam, den Unternehmen künftig mehr Angst einjagen als heute. Bild: ap
Hermannus Pfeiffer
Interview von Hermannus Pfeiffer

taz: Herr Adam, seit den 1980er Jahren steigen Gewinne und Einkommen aus Vermögen. Sie nehmen zulasten der Arbeitseinkommen zu. Wo sehen Sie die Ursachen?

Hermann Adam: Zum einen in der Änderung der Machtverteilung zwischen Kapital und Arbeit durch den demografischen Wandel. Zum anderen im Wechsel von einer nachfrageorientierten zu einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik.

Der demografische Wandel erklärt die politische und ökonomische Machtverschiebung?

Immer mehr Menschen wuchsen in das erwerbsfähige Alter hinein. Das hat das Verhältnis von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage zu Ungunsten der Beschäftigten verändert, die Kapitalseite wurde übermächtig.

Wie kommen Sie von dort zur Finanzkrise?

Die oberen Einkommen haben einen höheren Anteil am Bruttoinlandsprodukt erzielt. Gleiches gilt für die Unternehmen. Dieses Geld mussten die Banken weltweit rentabel anlegen. Sie haben dann die risikoreichen Produkte kreiert, die zum Crash führten.

Bild: privat
Im Interview: Hermann Adam

Der Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Hermann Adam (65) lehrt an der Freien Universität Berlin. Sein Lehrbuch "Bausteine der Wirtschaft" gilt als eines der erfolgreichsten Ökonomie-Lehrbücher auf dem deutschen Markt.

Sie sagen, das sei auch ein gesundheitliches Problem: Beispielsweise hat Karies bei Kindern wieder zugenommen.

Je ungleichmäßiger die Einkommensverteilung in einem Land ist, desto größer werden auch die gesundheitlichen Probleme der Bevölkerung.

Putzen arme Kinder weniger die Zähne?

Das hat nicht alleine mit Zähneputzen zu tun. Schlechter Gesundheitszustand ist vielfach eine Folge des Frusts sozial Benachteiligter über ihre ausweglose Lage. Da treten über kurz oder lang physische und psychische Erkrankungen auf. Wie viel Gesundheit kann man sich leisten, wenn die Mittel im Gesundheitswesen gekürzt werden? Es ist eine alte und statistisch belegbare Weisheit: Wenn du arm bist, musst du früher sterben!

Ein bitterer Befund, trotzdem bleiben Sie optimistisch.

Ja, weil ich eine Umkehr der demografischen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt erwarte. Arbeitskräfte werden wieder knapper. Das verschafft den Gewerkschaften neue Stärke. Der Anteil der Arbeitseinkommen am BIP wird wieder steigen. Und dann kann sich die seit den 1980er Jahren eingetretene Entwicklung umdrehen. Die Arbeitgeber sind schon voller Sorgen, dass Fachkräfte fehlen.

Das beruflich kaum qualifizierte Viertel der Jugendlichen wird nichts davon haben.

Im Vergleich zu früher ist das ein großes Problem. In der industriellen Massenproduktion gab es viele Arbeitsplätze für gering Qualifizierte. Diese Arbeitsplätze sind inzwischen fast alle wegrationalisiert worden. Der richtige Ansatzpunkt ist Bildung. Auch wenn man eingestehen muss, dass nicht alle Menschen die notwendige Bildung für die moderne Arbeitswelt erreichen können. Es bleibt eine wichtige Aufgabe der Sozialpolitik, diese Menschen nicht von der übrigen Gesellschaft abzuhängen.

Wird sich auch die ökonomische Denke demokratisieren?

Das wird mit einiger Zeitverzögerung kommen, bis die andere Machtverteilung auf dem Arbeitsmarkt auch zu einer neuen Denke führt. Eine neoliberale Wirtschaftspolitik löst so viele soziale Fehlentwicklungen aus, dass man damit die Wirtschaft nicht länger steuern kann.

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16 Kommentare

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  • Wo Statistiken enden, beginnen Träume...

  • RS
    Reinhold Schramm

    1933 wurde die Interessenvertretung der Armen und Werktätigen im NS-Kapitalfaschismus verfolgt und vernichtet.

     

    Im Jahr 1956 wurde die KPD in Westdeutschland erneut verboten und verfolgt.

     

    Die letzten unvollkommenen Reste wurden im kapitalfaschistischen Herrschaftsinteresse der westdeutschen Finanz- und Monopolbourgeoisie und über deren ostdeutsche BND-Gaucksche Bürgerbewegung 1989/90 beseitigt und - in Folge - durch Berufsverbote in West- und Ostdeutschland liquidiert.

     

    In Deutschland gibt es heute (- 2014 -) keine ernsthafte antifaschistische und antiimperialistische Befreiungsbewegung - vom Kapitalfaschismus der Wirtschafts- und Monopolverbände und deren antikommunistischen und rechtssozialdemokratischen "Sozialpartner'n": - der spezialdemokratischen BND-"Sozialpartner" der ökonomisch, militärisch, staatsmonopolistisch und gesellschaftspolitisch herrschenden Finanz- und Monopolbourgeoisie.

  • KM
    Kalt Mamsell

    Bei den Armen reicht das Geld nicht zum Sterben (immer mehr Deutsche werden nach letzten Meldungen auf Kosten des Steuerzahlers verbuddelt) und bei den Reichen langt das Geld nicht für ein second life.

    Die einen können nicht unter die Erde und die anderen wollen nicht.. aber das ist dem lieben Gott Piepenhagen.

    • KK
      Küchenkraft, kurzarmig
      @Kalt Mamsell:

      Wie kommen Sie darauf, dass arme Menschen kein "second life" wollen?

  • HP
    Hacke Peter

    Die Armen und die Reichen, wenn sie erst in der Urne ruhen, ist der Unterschied nicht feststellbar.

  • F
    Forstmeister

    Die Armen sterben früher, die Reichen quält der liebe Gott etwas länger.

  • Was leert dieser Mann beruflich?

     

    Man mag es kaum glauben, dass er an einer Universität arbeitet. Der “demographische Wandel” ist also Schuld an der Agenda-Politik.

     

    Um es mit Woody Allen zu sagen: “Egal, was Sie geraucht haben, versuchen Sie es nicht durch den Zoll zu kriegen!”

  • Worauf bezieht sich die Prognose von Herrn Adam, Deutschland, EU, westl. Welt, allgemeingültig ?

     

    Die Politik wird für billigen Nachschub aus verarmten Ländern sorgen. Da machen die Lobbyisten schon Druck.

  • D
    desillusionist

    Mindestens so interessant wie der genannte Zusammenhang zwischen Wohlstand und Lebenszeit und für den Arbeitsmarkt von mindestens ebenso hoher Relevanz scheint mir, daß Männer in unserer Gesellschaft deutlich früher sterben als Frauen. Und daß das gleichzeitig überhaupt kein gesellschaftliches Diskussionsthema, sondern - auch ohne Kriege - eine akzeptierte Selbstverständlichkeit ist.

     

    Daß Adam auf das Gejammer der deutschen Wirtschaft vom "Fachkräftemangel" hereinfällt, erscheint mir für einen Wissenschaftler bemerkenswert unkritisch. Denn es verlassen jedes Jahr tausende Fachkräfte dieses Land ohne Wiederkehr, während deutschen Arbeitgebern praktisch niemand mehr gut, jung und vor allem billig genug ist, um in die Firma gelassen zu werden.

  • G
    Gast

    Viel zu kurz. Der Mann hätte doch bestimmt noch mehr zu sagen gehabt.

  • Statt auf einen "demographischen Wandel" zu hoffen, wäre es sinnvoller daran zu arbeiten, dass die Arbeiterschaft den Unternehmern tatsächlich wieder richtige Angst einjagt! Und zwar nicht weil den Unternehmern "die Fachkräfte fehlen", sondern weil die organisatorische Stärke und politische Militanz der Arbeiterschaft so beeindruckend ist.

     

    Das ist es, was heute fehlt bzw. nur sehr unterentwickelt vorhanden ist. Die Unternehmer sollen sich in ihren Villen verkriechen und hinter hohen Zäunen und Mauern verstecken, weil die Macht der Arbeiterschaft ihnen Angst einjagt. Und die Unternehmer sollen sich ihre Profite so teuer wie nur möglich erkaufen müssen. Betriebssabotage und gewerkschaftliche Solidarität u.a. helfen dabei, die Profite zu senken. Statt Standortwettbewerb und Profitmaximierung sollten Rebellion und gesellschaftliche Gegenmacht auf der Tagesordnung stehen.

     

    Vielleicht ist das eine Chance, dieses kriminelle System endlich zum Einsturz zu bringen. Weil auf die Geduld, Friedfertigkeit, Unterwürfigkeit und Ohnmacht der Arbeiter können die Unternehmer schon seit Jahrhunderten setzen. Es wird Zeit, den Spiess umzudrehen. Damit die freie Assoziation freier Individuen (Marx) doch noch einmal Realität wird.

    • @Rudeboy:

      In den Fabriken haben die Leiharbeiter Angst. Angst nicht übernommen zu werden. Sie tuen alles dafür bleiben zu können. Wichtige Operationen werden verschoben und krank sein gibt es nicht. Vorallem die Aussiedler machen alles , ohne zu hinterfragen. Sie schrauben das Tempo hoch , so das der Druck unerträglich wird. SWenn Umfragen gemacht werden zur Vervesserung oder ob es etwas zu kritisieren gibt, füllen sie nichts aus und sagen das alles in Ordnung ist, aus Angst ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Sie denken, dass sie diskriminiert werden und Deutsche vorgezogen, deshalb machen sie alles klaglos mit, ohne zu hinterfragen. Das verägert die Einheimischen, die ihrer Rechte schwinden sehen und dieses Verhalten Obrigkeitshörig und dumm finden. So ensteht eine Mauer zwischen diesen Menschen und die " Russen schotten sich ab, helfen sich nur untereinander und nehmen an keiner Gemeinschaftsaktion Teil. Auch wollen sie das deutsche Kantinenessen nicht essen und sprechen nur russisch.. Es ist ein Teufelskreislauf. Teile und herrsche, dem Arbeitgeber kann es nur recht sein. Auch alle anderen Leiharbeiter stehen unter Druck und trauen sich nichts. Firma Conti: Zwei Jahre Leiharbeit und nochmal zwei Jahre befristet,das ist normal und macht die Menschen kaputt.

    • Z
      Zille
      @Rudeboy:

      Betriebssabotage = zum Beispiel Sabotage der Krankenkassen, Anstalten öff. Rechts, wegen der Verbrennen von Geld

    • G
      GSP-FOLLOWER
      @Rudeboy:

      Hätte ich nicht besser formulieren können!

  • RS
    Reinhold Schramm

    Die durchschnittliche Lebenserwartung in vielen feudal-kapitalistischen Weltregionen liegt für hunderte Millionen Menschen unter 40 Lebensjahren.

     

    Auch in der imperialistischen Welt-Reichtums-Metropole, der ökonomisch und politisch herrschenden Finanz- und Monopolbourgeoisie, im staatsmonopolistischen Kapitalismus der Bundesrepublik Deutschland, liegt für Millionen in künstlicher Armut (und im Hartz-IV-Strafvollzug -) gehaltene Menschen, die reale Lebenserwartung um 10 bis 14 Jahre unter der Lebenserwartung der wohlhabenden, gutbürgerlichen und gehobenen Staatsschutz-Beamten und akademischen Bildungsbürger/innen und deren BDA-Bourgeoisie und (persönlich leistungslosen) Quandtschen und Siemensschen BDI-Erbschafts- und DAX-Hauptaktionäre.

     

    An einer Änderung dieser Zustände in der bundesdeutschen Reichtumsgesellschaft besteht bei den gesellschaftspolitischen und rechtssozialdemokratischen "Sozialpartner'n", der GroKo: aus Parteien, Regierung und Parlament, der ökonomisch und politisch herrschenden Finanz und Monopolbourgeoisie, keinerlei Interesse. Bilden diese realen sozial-ökonomischen und gesellschafts-politischen Zustände doch deren Existenz- und Reichtumsgrundlage.

     

    Diese objektive Wahrheit wird auch weiterhin, medial und geistig-manipulatorisch, von allen bürgerlichen Parteien, bürgerl. Wissenschaften, den GroKo-Regierungen und Parlamenten, den 'gelben' Gewerkschaften (vom herrschenden "Kapital" unabhängige Gewerkschaften in der BRD gibt es nicht), privaten und staatlichen Institutionen und Kapital-Stiftungen, erfolgreich geleugnet.

     

    Merke: Auch in Nordamerika, Asien, Afrika, Deutschland (!) und Europa, steht eine sozialrevolutionäre und gesamtgesellschaftliche Emanzipation noch bevor. Emanzipation der Gesellschaft ist nur möglich auf der Grundlage des Gemeineigentums an den gesellschaftlichen Produktionsmitteln. Dies beinhaltet (zugleich) auch die entschädigungslose Enteignung der Raubvermögen der Finanz- und Monopolbourgeoisie!

  • S
    spassvogel

    "(...) Schlechter Gesundheitszustand ist vielfach eine Folge des Frusts sozial Benachteiligter über ihre ausweglose Lage. Da treten über kurz oder lang physische und psychische Erkrankungen auf.(...)"

     

    Solcherart heiße, das linke Kuschelstübchen anheimelnd wärmende Luft kann und will der TAZ-Interviewer den Politologen natürlich gerne produzieren lassen.

     

    Wenn ich das Interview gemacht hätte, wäre ich vom Herrn Professor wahrscheinlich 'rausgeschmissen worden. Und hätte mich darüber gefreut wie Bolle.