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Politologe aus Palästina über Tempelberg„Israel verschärft die Situation“

Zakaria Odeh betont die symbolische Bedeutung des Tempelbergs. Und erklärt, warum die Saudis und Ägypter in der aktuellen Krise so zurückhaltend sind.

Sonntag in Bethlehem: Palästinenser verbrennen Attrappen von Metalldetektoren Foto: dpa
Interview von Susanne Knaul

taz: Herr Odeh, Präsident Mahmud Abbas hat die Sicherheitskooperation mit Israel aufgekündigt. Was bedeutet das?

Zakaria Odeh: Was er genau gesagt hat, ist, dass im Moment die Kommunikation gestoppt wird. Es soll keine Treffen mehr geben und keine telefonischen Absprachen. Niemand weiß genau, ob das die Sicherheitskoordination umfasst. Es sind derzeit heftige Debatten darüber im Gange. Die meisten Palästinenser sind dafür, die Sicherheitskooperation mit Israel einzustellen, denn trotz der Zusammenarbeit setzt Israel die Gewalt gegen die Palästinenser fort und schafft in den besetzten Gebieten ständig neue Tatsachen.

Besteht die Gefahr, dass die Fatah-nahen Al-Aksa-Brigaden zum bewaffneten Widerstand zurückkehren werden?

Die Aufkündigung der bisherigen Zusammenarbeit muss nicht unbedingt zu neuer Gewalt führen. Wer die Situation im Moment verschärft, ist nicht die palästinensische Führung sondern Israel mit den einseitigen Maßnahmen an der Al-Aksa-Moschee. Die Israelis denken, dass sie mit Metalldetektoren mehr Sicherheit erreichen, aber das Gegenteil ist der Fall.

Auch wer Mekka, den Vatikan oder die Klagemauer besucht, muss Kontrollen mit Metalldetektoren über sich ergehen lassen. Wie erklären Sie die Aufregung über die israelischen Sicherheitsmaßnahmen?

Das Problem ist nicht das Tor oder der Metalldetektor, sondern die Entscheidung, wer auf den Haram al-Scharif [Tempelberg] darf und wer nicht. Der Status quo schreibt eindeutig vor, dass Jordanien durch die Vertretung der [islamischen Religionshüter der] Wakf in Jerusalem für das Gelände zuständig ist. Das Aufstellen der Detektoren bedeutet eine Verletzung dieses historischen Status quo. Es ist klar, dass Sicherheitsanlagen an der Klagemauer stehen oder vor der Knesset, aber hier geht es ausschließlich um muslimische Gläubige. Der Haram al-Scharif ist unser Haus.

Und deshalb …

Wer bist du, so etwas zu tun? So denken die Leute. Dies ist einer der heiligsten Orte für die Muslime. Warum tun die Israelis das, diese Kontrolle und Restriktion, während israelische Siedler und Politiker kommen dürfen, um zu provozieren? Es ist kein Zufall, dass der Schin Beth [Israels Inlandsnachrichtendienst] entgegen der Meinung der Polizei und auch der Regierung dringend dazu rät, die Metalldetektoren wieder abzubauen.

Im Interview: Zakaria Odeh

60, ist Direktor der Civic Coalition for Palestinian Rights in Jerusalem. Die Organisation setzt sich für die Rechte der Palästinenser in der Stadt ein. Zakaria Odeh selbst wurde während der jordanischen Herrschaft in Jerusalem geboren. In England hat er internationale Beziehungen und Internationales Recht studiert.

Die größte Demonstration sollte am Sonntagabend am Kalandia-Checkpoint stattfinden. Nicht im Stadtzentrum von Ramallah, sondern dort, wo israelische Soldaten stationiert sind. Legt man es hier auf Gewalt an?

Sie wissen, dass über vier Millionen Palästinenser nicht nach Jerusalem kommen dürfen. Die Demonstration ist Teil der Aktionen von palästinensischen Parteien und Organisationen. Sie wählten Kalandia, weil das der Übergang zwischen Ramallah und Jerusalem ist. Es ist der Ort, der Jerusalem am nächsten ist. Kalandia hat damit eine symbolische Bedeutung der Solidarität und des Protests gegen die israelische Politik an der Al-Aksa-Moschee. Dasselbe passiert in Bethlehem und Hebron. Die Proteste finden dicht an den militärischen Kontrollpunkten statt.

Man hört wenig Protest gegen Israel aus Kairo und Riad in diesen Tagen. Wie erklären Sie die Zurückhaltung der muslimischen Führungen?

Wir glauben, dass die Zurückhaltung von Saudi-Arabien, Ägypten und anderen Staaten mit den politischen Entwicklungen in der arabischen Region zusammenhängt, vor allem mit dem jüngsten Zwischenfall zwischen Katar einerseits und Saudi-Arabien, Ägypten und den Vereinten Arabischen Emiraten andererseits.

Inwiefern?

Der Konflikt zwischen der arabischen Allianz und Katar ist älter als die Krise um al-Aksa. Der Eindruck, der offensichtlich in Ägypten und Saudi-Arabien entstand, war, dass der Aufruf zum Protest gegen Israel hauptsächlich von den Muslimbrüdern und der Hamas kam, die man in der arabischen Allianz ablehnt. Die Spaltung in der arabischen Region schlägt sich insofern unmittelbar auf die Ereignisse am al-Aksa-Areal nieder.

Die Situation scheint sehr verfahren. Wer könnte jetzt vermitteln?

Es sind ständige Beratungen im Gange, mit Jordanien und der Palästinensischen Autonomiebehörde. Die UN ist beteiligt. Im Moment könnten wir nicht sagen, wer der geeignetste Vermittler wäre.

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13 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Da die israelische Rechte mit ihrer Siedlungspolitik eine Zweistaaten-Lösung immer unmöglicher macht, werden langfristig gesehen die jüdischen Nationalisten selbst den jüdischen Nationalstaat de facto infrage stellen.

    Ein binationaler Bundesstaat mit bis zu 4 Ländern - Israel, Palestina, Gaza und Jerusalem - wird umso realistischer, je mehr das israelische Land-grabbing zur Staatsräson wird.

     

    Der Status-quo ist jedenfalls jetzt schon nicht geeignet, um den Konflikt zu befrieden.

    Ein Anfang wäre es m.E., wenn Jerusalem unter UN-Schutz gestellt würde und dort weder israelische noch palestinensische Soldaten stationiert wären, sondern Soldaten/Polizisten aller Nationen und Religionen.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Was ja schon im Libanon und in Syrien so perfekt funktioniert hat...

      • @Werner W.:

        die fast 20 jahre israelische besatzung des süd-libanon war auch nicht gerade eine erfolgsgeschichte - oder?

  • Zentraler Satz:

    "hier geht es ausschließlich um muslimische Gläubige. "

     

    Nein, geht es nicht. Die beiden Polizisten, deren Ermordung (mit über den Tempelberg eingeschmuggelten Waffen) die Aufstellung der Metalldetektoren auslöste, waren Drusen.

  • „Die Situation scheint sehr verfahren. Wer könnte jetzt vermitteln?“ Auch wenn die Autorin und viele Leser es nicht gerne lesen, der einziger der ernsthaft vermitteln könnte, ist der US Präsident Donald TRUMP.

    Die Weltgemeinschaft, die UNO sind sich in einer Frage einig, das Unrecht muss mit Sanktionen belegt werden. So in Russland, Iran und Nordkorea. Folgt man also dieser UNO Logik, müsste Israel schon lange mit Sanktionen belegt sein. Der einzige der solche Sanktionen verhindert, ist Donald TRUMP. Deshalb ist auch er der Einzige, der eine Lösung in Sachen Frieden zwischen den Palästinensern und Israelis in Gang setzten kann. Jahrzehnte lang ist das völkerrechtswidrige Verhalten der Israelis durch gewunken worden. Ohne schmerzliche Sanktionen gegen Israel wird es nicht gehen.

  • Interessantes Interview, bei dem der Interviewte seine Position ganz klarstellt, wenn er sagt: "Der Haram al-Scharif ist unser Haus." Damit sagt er in aller Klarheit, dass die Muslime den ganzen Tempelberg und nicht nur Felsendom und Al-Aqsa-Moschee für sich alleine beanspruchen. So kann kein Frieden entstehen, zumal dieser Ort für Juden nochmals einen deutlich höheren Stellenwert hat, als für Muslime. Diese haben als noch wichtigere heilige Stätten sowohl Mekka als auch Medina. Die Juden haben für ihren Tempel ausschließlich den Tempelberg und beten seit 2000 Jahren für seine Wiedererrichtung. Ich würde es also sehr begrüßen, wenn nun auch die Gegenposition zu Wort käme.

  • "Das Aufstellen der Detektoren bedeutet eine Verletzung dieses historischen Status quo. Es ist klar, dass Sicherheitsanlagen an der Klagemauer stehen oder vor der Knesset, aber hier geht es ausschließlich um muslimische Gläubige. Der Haram al-Scharif ist unser Haus."

     

    Ziemlich identitärer Diskurs. Übrigens, warum sollen nicht auch andere Gläubige das Gebiet betreten?

    • @Ansgar Reb:

      Läuft das jetzt nach der "warum sollen Juden nicht in Palästina siedeln dürfen"-Argumentation?

       

      Wer nicht verstehen will, dass die Wut über die Unterdrückung der Palästinenser sich an solchen Kristallisationspunkten niederschlägt, der will es nicht verstehen.

       

      Du kannst dir ja mal vorstellen, dass arabische Muslime den Zugang zur Klagemauer kontrollieren würden und bestimmen, welche jüdischen Gläubigen dort beten dürfen und welche nicht. Wäre sicherlich ähnlich brisant.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Max Mutzke:

        Völlig unwichtig das zu erwähnen, aber ich mach's doch mal:

         

        Die Teile wurden aufgestellt, nachdem palästeninsische Terroristen zwei israelische Polizisten ermordet hatten.

         

        Und jetzt erwartet man, wie üblich, dass Israel gar nicht reagiert, nicht an der "Gewaltspirale" dreht und wie der ganze andere übliche Sermon in solchen Fällen eben lautet.

         

        Israel ist immer schuld, auch wenn es angegriffen wird.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          just for the records:

          die palästinensischen terroristen waren israelische terroristen.

          mir scheint, für israeli arabs ist doch nicht alles fein in Israel....

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Frau Knaul hat die Sachlage und die beiden Perspektiven in den letzten Beiträgen recht gut dargestellt, wie ich finde. Metalldetektoren gibt es auch anderswo, das für sich betrachtet erscheint nach dem Anschlag rational und folgerichtig. Die Geschichte und die speziellen Regularien des Ortes führen dazu, dass diese Sicherheitsmaßnahme (die mir hier keine reine Schikane zu sein scheint, wie anderswo) dennoch eher eskaliert und Risiken schafft.

          Klar, der Ausgang dieses neuen Kapitels ist der Doppelmord. Ein vernünftiger Umgang damit muss jedoch Mentalität und (Nicht-!)Beteiligung der anderen Palästinenser ebenfalls beachten.

          Israel muss seine Leute schützen - und zwar vorrausschauend. Das schließt das Betrachten anderer Perspektiven unbedingt mit ein.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          und weil "Israel ist immer schuld" haben sich geheimdienst und armee gegen die aufstellung der metalldedektoren durch israelische polizei ausgesprochen.

          oder wie?

      • @Max Mutzke:

        Arabische Muslime haben den Zugang kontrolliert in der Zeit von 1948 bis 1967 mit dem Ergebnis, dass kein Jude Zutritt hatte. Da ist umgekehrt heute, wo Israel den Zugang kontrolliert, die Situation für Muslime doch wesentlich besser, oder?