Politologe Grottian startet Protestaufruf: Feldbesetzungen gegen Glyphosat

Der Aktivist will im Juli mit Mitstreitern mindestens zwei Äcker unter Beschlag nehmen, um gegen das Pestizid zu protestieren.

Greenpeace-Aktivisten stehen mit Plakat gegen Glyphosat vor dem Reichstag

Solche Aktionen sind Grottian zu lasch: Greenpeace-Aktivisten vor dem Reichstag Foto: dpa

BERLIN taz Der Politikprofessor Peter Grottian ruft zu Feldbesetzungen gegen das Pestizid Glyphosat auf. „Wir wollen im Juli im südlichen Baden-Württemberg nachts auf einen Weinberg und ein Rapsfeld gehen und riesige Plakate aufstellen und vorsichtig auf die Pflanzen legen“, sagte Grottian am Donnerstag der taz. Ungefähr gleichzeitig sollten ähnliche Aktionen im brandenburgischen Werder und im niedersächsischen Oldenburg stattfinden. Der emeritierte Berliner Politologe ist seit Jahrzehnten prominenter Akteur sozialer Bewegungen.

Glyphosat ist der meistverkaufte Pestizidwirkstoff. 2015 stufte ihn die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Zudem zerstört Glyphosat so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen auf dem Feld und damit auch Nahrung beispielsweise für Vögel und Insekten. Da die zuständigen Fachbehörden der Europäischen Union das Mittel jedoch für ungefährlich halten, haben die EU-Staaten Glyphosat Ende 2017 für weitere 5 Jahre zugelassen.

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) versuche, den Glyphosateinsatz durch weniger schädliche Alternativen nur zu reduzieren, kritisierte Grottian: „Das dauert zu lange. Die Regierung muss die Bauern dafür belohnen, dass sie auf Glyphosat verzichten.“ 76 Prozent der Bundesbürger wollten einen sofortigen Glyphosat-Stopp, zeige eine von ihm in Auftrag gegebene Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest-dimap.

Deshalb will Grottian jetzt durch Feldbesetzungen Druck auf Klöckner aufbauen. Das verspreche mehr öffentliche Aufmerksamkeit als „mit ein paar Pappkartons vor das Kanzleramt oder das Brandenburger Tor“ zu ziehen, wie es etablierte Umweltverbände gern tun. „Man hat sich völlig gewöhnt an diesen Typ von Aktion“, so Grottian.

Kritik an „großbürokratischen“ Umweltorganisationen

Feldbesetzungen gegen den Glyphosat-Einsatz dagegen wären tatsächlich etwas ziemlich Neues in der aktuellen Debatte. Solche Aktionen gab es in größerem Ausmaß zuletzt vor mehr als zehn Jahren im Kampf gegen die Agro-Gentechnik. Zudem könnten sie einen Konflikt mit der Polizei provozieren, was wohl ebenfalls für Medienaufmerksamkeit sorgt.

Grottian sagt aber: „Wir wollen am Morgen nach Beginn der Besetzung bei einer Pressekonferenz die Bevölkerung aufrufen, mit Kind und Kegel dort hin zu kommen. Dann wird die Polizei überhaupt nicht abräumen.“ Schon gar nicht im Bundesland, das von dem Grünen Winfried Kretschmann regiert werde. Die Besetzung solle mindestens eine Woche dauern.

Bisher hat Grottian unter anderem über zwei Anzeigen in Regionalzeitungen Mitstreiter gesucht. „Wir haben schon ungefähr 12 bis 15 Leute, die mitmachen. Und wir brauchen 25. Nachts müssen Leute da bleiben, um die Besetzung formal aufrechtzuerhalten.“ Auch aus Werder und Oldenburg hätten sich Aktivisten gemeldet. Noch seien es aber zu wenig.

„Die Frage ist, ob die Naturschutzverbände da mitziehen werden“, so Grottian. Sie seien „leider inzwischen großbürokratische Organisationen geworden. Sie müssten ihre zivile Ungehorsamsseite wieder entdecken, um den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen. Greenpeace meint: So ein bisschen Abseilen vom Dach von Dobrindt, das sei schon eine tolle Aktion. Aber das wirkt ein bisschen ausgelatscht.“

„Wir wollen keine Aktionen gegen die Bauern machen“, ergänzte Grottian. Er hoffe, dass die Landwirte die Besetzungen dulden. Denn auch viele Bauern hätten ein schlechtes Gewissen wegen des Glyphosat-Einsatzes, sähen sich aber dazu gezwungen, weil sie zu wenig für ihre Produkte bekämen. „Mir geht es auch darum, dass die Zwänge in der Landwirtschaft sichtbar werden und nicht dieses Geheul losgeht, die Bauern seien die Prügelknaben der Nation.“

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