Politischer Mord in DR Kongo: Terror Monate vor der Wahl
In der Demokratischen Republik Kongo wurde der Sprecher des wichtigsten Oppositionsführers erschossen. Die Opposition macht die Regierung verantwortlich.
Okende war am Mittwoch von seinen Angehörigen als vermisst gemeldet worden. Er war auf dem Gelände des Verfassungsgerichts in Kinshasa verschwunden, wo er ein Schriftstück abgeben wollte – sein Leibwächter wartete bis zum Abend vergebens auf dem Parkplatz, und Okendes Telefon war abgestellt.
Oppositionelle äußerten dann die Befürchtung, Okende könnte vom Geheimdienst verschleppt worden sein. Die Art, wie er offenbar getötet und wie seine Leiche gefunden wurde, erinnert an das Schicksal des bekannten Menschenrechtlers Floribert Chebeya, der im Jahr 2010 nach einem Termin mit Kongos Polizeichef nicht mehr auftauchte und später tot in seinem Auto gefunden wurde.
„Man will uns zum Schweigen bringen“, sagte Moise Katumbi dem RFI-Rundfunk in Abidjan in der Elfenbeinküste, wo er sich gerade aufhielt, und sprach von einem „politischen Mord“, der unabhängig aufgeklärt werden müsse – Kongos Institutionen könne man das nicht überlassen. Noch am Donnerstag wollte er seine Reise abbrechen und nach Kongo zurückkehren, erklärte Katumbi.
Katumbis Kandidatur gefährdet Tschesekedis Wiederwahl
Offensichtlich sei an nirgends im Land mehr sicher, wenn es möglich sei, einen Politiker auf dem Gelände des Verfassungsgerichts zu entführen, erklärte „Ensemble“ auf einer Pressekonferenz und erhob schwere Vorwürfe gegen Präsident Tshisekedi: „Entweder er kontrolliert alles, dann ist er der Auftraggeber, oder er kontrolliert nichts, dann ist er gefährlich.“
Aber auch Kongos Regierung zeigte sich schockiert: Regierungssprecher Patrick Muyaya sprach Okendes Familie das Beileid der Regierung aus. Präsident Tshisekedi sei über den „tragischen“ Vorfall „konsterniert“, erklärte das Präsidialamt in Kinshasa, und habe eine juristische Aufklärung angeordnet.
Okende war bis Dezember 2022 Verkehrsminister in der Regierung von Präsident Tshisekedi gewesen, einer von drei Ministern der Partei „Ensemble pour la République“ (Gemeinsam für die Republik) von Moise Katumbi. Dann verkündete Katumbi seine Absicht, bei den Wahlen 2023 zur Präsidentschaft anzutreten, und zog seine Minister aus der Regierung zurück.
Da Katumbi als beliebtester Politiker des Landes gilt – bei den letzten Wahlen 2018 durfte er wegen einer fadenscheinigen Verurteilung nicht kandidieren – schmälert seine Kandidatur die Chance Tshisekedis auf einen Wahlsieg erheblich. Die Anhänger der beiden Schwergewichte bekämpfen sich zuweilen wortwörtlich bis aufs Blut.
Eine lange Liste von Opfern
Manche Tshisekedi-treuen Politiker versuchen derweil, Katumbi auch von den Wahlen 2023 auszuschließen, während das Katumbi-Lager dem Präsidenten Unregelmäßigkeiten bei der Wahlvorbereitung vorwirft.
Erst vor wenigen Tagen hatte Okende vor der Presse in Kinshasa die „Zunahme der politischen Gewalt“ in der DR Kongo gegeißelt und der Regierung eine Gewaltkampagne gegen ihre Gegner vorgeworfen. Er listete eine Reihe von Gewaltakten gegen seine Partei „Ensemble“ auf und sagte, die Regierung wolle keine friedlichen Wahlen.
Besonders empört ist die Partei über den Umgang des Staates mit Katumbis Chefberater Salomon Kalonda: er wurde am 30. Mai auf dem Flughafen von Kinshasa vom Militärgeheimdienst festgenommen und zunächst an einen unbekannten Ort verschleppt, bis heute sitzt er in Haft und soll vor einem Militärgericht angeklagt werden, obwohl er Zivilist ist.
Am Donnerstagnachmittag versammelten sich an einigen Stellen in Kinshasa Demonstranten und zündeten Straßensperren an. Der in Kinshasa populäre Oppositionspolitiker Delly Sesanga sagte, der getötete Okende sei „der neueste auf einer langen Liste von Märtyrern und Opfern der Unfähigkeit des Regimes, unsere Sicherheit zu garantieren, in einem klaren Willen, Terror im Land zu stiften“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“