Wahlvorbereitung im Kongo: Das Kreuz mit den Wahlen

In der Demokratischen Republik Kongo wächst die Sorge um die nächsten Wahlen. Vor allem die Kirchen warnen vor Unregelmäßigkeiten und Krieg.

Ein Mann sitzt auf einem Stuhl und wird mit einem Labtop fotografiert, dabei wird er von der Presse fotografiert

Heiligabend 2022: Wahlkommissionschef Denis Kadima lässt sich biometrisch registrieren Foto: Justin Makangara/reuters

BRÜSSEL taz | Finden die nächsten Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo pünktlich und korrekt statt? Am 20. Dezember dieses Jahres soll ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt werden. Kongos letzte Wahl, im Dezember 2018, fand mit zwei Jahren Verspätung statt und das Ergebnis – die Verkündung von Felix Tshisekedi als Wahlsieger – gilt allgemein als Resultat einer Manipulation.

„Wir wissen, dass Félix Tshisekedis Wahl eine Fälschung gewesen ist und wir haben das damals auch gesagt“, erklärte vor wenigen Wochen der katholische Erzbischof von Kinshasa, Kardinal Fridolin Ambongo, und erinnerte an die damalige Kritik der katholischen Bischofskonferenz CENCO, die mit ihrem eigenen landesweiten Netzwerk von Wahlbeobachtern andere Ergebnisse festgestellt hatte als die kongolesische Wahlkommission CENI.

Heute begleiten die Kirchen im Kongo erneut die Arbeit der Wahlkommission bei der Vorbereitung der nächsten Wahlen – und schlagen Alarm. Vor wenigen Wochen besuchten Vertreter der katholischen Kirche und der protestantischen Église du Christ au Congo (ECC) gemeinsam Brüssel zu Gesprächen mit der EU und warnten vor zunehmenden Problemen, die die Integrität des Wahlprozesses gefährden.

Aktuell läuft die Aktualisierung des Wahlregisters – alle Wahlberechtigten des riesigen Landes mit fast 100 Millionen Einwohnern müssen sich neu registrieren, die CENI rechnet mit genau 49.382.552, neun Millionen mehr als vor fünf Jahren. Landesweit, gestaffelt nach Provinzen von West nach Ost, sind CENI-Mitarbeiter mit Maschinen zur biometrischen Erfassung der Wahlberechtigten und Ausgabe neuer Wählerausweise unterwegs.

Jedes Mal große Anspannung Die ersten freien Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo fanden 2006 statt, unter anderem von der Bundeswehr abgesichert. Damals gewann Präsident Joseph Kabila mit 58 Prozent gegen den früheren Warlord Jean-Pierre Bemba. 2011 wurde Kabila wiedergewählt, er bezwang Oppositionsführer Étienne Tshisekedi mit 49 zu 32 Prozent.

Wahlfälschung 2018 Die letzten Wahlen Ende 2018 fanden mit zweijähriger Verspätung statt, Kabila trat nicht mehr an. Nach dem amtlichen Endergebnis siegte der Oppositionelle Félix Tshisekedi mit 39 Prozent gegen den eigentlichen gemeinsamen Oppositionskandidaten mit 35 Prozent und Kabilas Kandidaten Emmanuel Shadary mit 24 Prozent. Tshisekedi bildete daraufhin eine gemeinsame Regierung mit dem Kabila-Lager. Unabhängige Wahlbeobachter ermittelten einen Sieg Martin Fayulus mit 59 Prozent gegen jeweils 19 Prozent für Tshisekedi und Shadary.

Nächste Wahl steht bevor Ende 2023 will sich Tshisekedi wiederwählen lassen, diesmal mit einem echten Wahlsieg. Seine Koalition mit Kabila hat er bereits beendet. Aber alle anderen politischen Lager wollen auch an die Macht und warnen vor Wahlbetrug.

Im Westen des Landes ist die Registrierung abgeschlossen, nun ist der Osten dran. Doch in großen Teilen der Provinz Nord-Kivu, wo die Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März) weite Landstriche kontrolliert, kann keine Wählerregistrierung stattfinden, warnten CENCO-Generalsekretär Donatien Nshole und ECC-Sprecher Eric Nsenga.

Die Unsicherheit in Nord-Kivu und der Nachbarprovinz Ituri habe 4,2 Millionen Menschen in die Flucht geschlagen. Selbst wenn die Binnenvertriebenen es schafften, sich zu registrierten, könnte es geschehen, dass sie woanders ihre Stimme abgeben müssen als im Wahlkreis, in dem sie registriert sind. Dies würde die Wahl der Wahlkreisabgeordneten verzerren.

Nicht nur die Unsicherheit sei ein Problem. Dass Kongos Regierung Selbstverteidigungsmilizen ermutigt, als „patriotische“ Milizen gegen die als Marionette Ruandas beschriebene M23, verschärfe die Spannungen, so Nsenga. Am Ende könnte Ostkongo größtenteils von den Wahlen ausgeschlossen bleiben.

Merkwürdigkeiten bei der Wählerregistrierung

Die beiden großen Kirchen haben mit ihrer gemeinsamen Wahlbeobachtermission bereits bei der ersten Phase der Regis­trie­rung im Westteil des Landes eine Reihe von Unregelmäßigkeiten festgestellt, die teilweise einen Willen zum Wahlbetrug erkennen lassen, sagen sie.

Im Distrikt Masimanimba in der Provinz Kwilu wurden 300 unbedruckte Wählerausweise sichergestellt. In der Provinz Kasai gelangte ein Fahrzeug der Wahlkommission aus Kinshasa in einen Verkehrsunfall und dabei wurden lauter Wählerkarten, Wahlmaterialien und Wählerregistrierungsmaschinen gefunden. Beide Vorfälle wurden von der Wahlkommission bestätigt.

Die beiden großen Kirchen haben mit ihrer gemeinsamen Wahlbeobachtermission bereits bei der ersten Phase eine Reihe von Unregelmäßigkeiten festgestellt

Material zur Identifizierung und Registrierung von Wahlberechtigten, so die Kirchen, sei vielfach in die Hände unbefugter Personen gelangt. Manche würden ihre eigenen Registrierungszentren betreiben und damit frühzeitig in die Lage geraten, Wahlurnen mit fiktiven Stimmen vollzustopfen.

Die katholisch-protestantische Beobachtermission spricht von einem ernsten Sicherheitsproblem, das geeignet sei, das Vertrauen der Bevölkerung und die Glaubwürdigkeit der Wahlen zu beschädigen. „Es wäre unverantwortlich, mit einem Prozess fortzufahren, dessen Glaubwürdigkeit ernsthaft infrage steht“, sagen die Bischöfe.

Das Problem fiktiver Regis­trie­rungs­zent­ren – also das massenhafte Herstellen von Wählerausweisen ohne entsprechende Wahlberechtigte – scheint weit verbreitet zu sein. In Matadi, Hauptstadt der Provinz Kongo-Central, stellten sich 13 der 35 Registrierungszentren auf der Liste der Wahlkommission als nicht existent heraus. „Wie kann es sein, dass eine Schule, die es nicht gibt, als Registrierungsort dient?“, fragen sich die Bischöfe.

Es gibt auch Mutmaßungen, dass die Wählerregistrierung besonders gut in den Hochburgen des Präsidenten funktioniert. In der Provinz Haut-Katanga im Süden, Hochburg des Oppositionsführers Moise Katumbi, gibt es 551 Registrierungsbüros für geschätzte 3 Millionen Wahlberechtigte. In der Provinz Kasai-Oriental, Hochburg von Präsident Félix Tshisekedi, gibt es 574 Büros für nur 1,34 Millionen Wahlberechtigte.

Misstrauen zwischen Kirche und Staat

Das Misstrauen zwischen Kirche und Staatsmacht ist ohnehin groß. Einst stritten Kongos katholische Kirche und die UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) von Präsident Tshisekedi gemeinsam für Demokratie im Land. Aber die Art, wie Tshisekedi Präsident wurde, hat zu einer Entzweiung geführt. 2021 drückte Tshisekedi seinen Kandidaten Denis Kadima für die Präsidentschaft der Wahlkommission CENI gegen den ausdrücklichen Willen der Kirchen durch.

Die jetzt bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bestätigen nun diesen Vorwurf in den Augen von Tshisekedis Gegnern, an erster Stelle die Parteienallianz FCC (Gemeinsame Front für Kongo) von Expräsident Joseph Kabila, der sich noch überlegt, ob er selbst wieder kandidieren möchte. Die FCC hat die Arbeit der Wahlkommission als „korrupt“ bezeichnet und verlangt eine Suspendierung der Wahlvorbereitung.

Muss sich Kongo also auf eine Wahlverschiebung einstellen, wie beim letzten Mal? Bischof Nshole, Chef der katholischen Bischofskonferenz, ist dagegen – mit einem solchen Manöver hatte schon Kabila das Ende seiner Amtszeit von 2016 auf 2018 hinausgezögert.

„Die Wahlen müssen 2023 stattfinden“, sagt Nshole. „Aber man muss die Voraussetzungen schaffen, insbesondere die Sicherung der Wahlmaterialien.“ Sein protestantischer Kollege Nsenga ist kritischer: „Die Kirchen werden einen fehlerhaften Prozess nicht unterstützen. Wahlen sind kein Selbstzweck.“

Es fehlt an Geld

Einig sind sich die Wahlkommission und ihrer Kritiker in einem Punkt: Es fehlt an Geld für eine korrekte Wahlvorbereitung. CENI-Präsident Kadima hat nach eigenen Angaben seit September nichts mehr aus dem Staatshaushalt erhalten, ein Plan zur Freigabe von Mitteln werde von der Regierung nicht eingehalten.

Die Kirchen haben die internationalen Geldgeber aufgefordert, die Lücken zu schließen, und wollen von der EU 15 Millionen US-Dollar für ihre eigenen Wahlbeobachter, damit sie der CENI weiter auf die Finger gucken können. Bisher gab es nur 1,6 Millionen US-Dollar von den USA und 300.000 von Großbritannien, erklärte in Brüssel Clément Makiobo von der kirchlichen „Kommission Gerechtigkeit und Frieden“.

Aber die Kirchen fürchten auch, dass am Ende ein erneuter Wahlbetrug von den internationalen Partnern gedeckt werden könnte, wie 2018. Damals wussten zwar alle Geberländer, dass Tshisekedi nicht der reguläre Sieger war – aber sie erkannten ihn an, um des Friedens willen, trotz der Kritik der Wahlbeobachter. „Wir fühlten uns fallengelassen“, erinnert sich Bischof Nshole und hofft: „Inzwischen ist Zeit vergangen und sie haben daraus ihre Lehren gezogen.“ Das wird sich zeigen.

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