Politische Morde auf den Philippinen: Tödliche Jagd
Unter Präsident Rodrigo Duterte steigt die Zahl von Verbrechen an linken Aktivist*innen. Menschenrechtler sprechen von einem „Krieg gegen Dissens“.
Bischof Gerardo Alminaza hat die Tote gesegnet, danach treten Angehörige und Freunde nacheinander mit Mundschutz an den Sarg. Sie verabschieden sich unter Tränen von der Toten und sie tragen weiße T-Shirts ebenfalls mit der Aufschrift „Gerechtigkeit für Zara Alvarez“ und ihrem Bild darauf. Bei der Übertragung im Internet ist zu erkennen, dass selbst die Leiche in ein Protestshirt gekleidet ist.
Die 39-jährige alleinerziehende Mutter wurde am Abend des 17. August in Negros’ Hauptstadt Bacolod auf offener Straße mit mehreren Schüssen getötet. Sie hatte gerade Essen für sich und ihre elfjährige Tochter gekauft. Der Täter konnte unerkannt auf einem Motorrad fliehen und dürfte wegen des in solchen Fällen üblichen Desinteresses der Behörden nie gefasst werden. Straflosigkeit ist hier die Norm.
Die frühere Lehrerin Alvarez hatte jahrelang in Negros für die linke Menschenrechtsorganisation Karapatan gearbeitet und sich auf dieser von Großgrundbesitzern dominierten Zuckerinsel für Kleinbauern und Landlose eingesetzt. Zuletzt arbeitete sie in einer Organisation für medizinische Grundversorgung. Seit Jahren erhielt sie Morddrohungen. Zwischen 2012 und 2014 saß sie wegen einer fingierten Mordanklage unschuldig im Gefängnis, erst dieses Jahr wurde sie endgültig freigesprochen.
Auf der schwarzen Liste
Unter der seit 2016 amtierenden Regierung von Präsident Rodrigo Duterte setzte sie das Justizministerium dann aber mit mehr als 600 anderen auf eine schwarze Liste von „Terroristen und Kommunisten“. Damit war sie zur Staatsfeindin erklärt und zum Abschuss freigegeben worden. Die Betroffenen klagten gegen die Liste und bis auf zwei Namen mussten alle gestrichen werden.
Weil Alvarez weiter bedroht wurde und dahinter staatliche Stellen vermutete, wurde sie zeitweilig von Freiwilligen begleitet. Sie beantragte auch gerichtlich Schutz, der ihr zunächst verwehrt wurde. Jetzt wurde sie vor der Berufungsverhandlung ermordet.
An ihrem Todestag war in der Hauptstadt Manila gerade der linke Bauernführer und Friedensaktivist Randall Echanis zu Grabe getragen worden. Der 72-Jährige war am 10. August in seiner Mietwohnung von Unbekannten gefoltert und dann erstochen worden.
Die Fälle Alvarez und Echanis sind nur die jüngsten und prominentesten Beispiele für politische Morde an linken AktivistInnen auf den Philippinen. Die Menschenrechtsorganisation Karapatan zählt seit Dutertes Amtsantritt 134 Morde an Menschenrechtlern, darunter 13 an Mitarbeitern Karapatans.
Ermittlungen ohne Ergebnis
Die offizielle staatliche Menschenrechtskommission, deren Mittel Duterte drastisch zusammenstrich und die er völlig marginalisiert hat, untersucht derzeit nach eigenen Angaben 89 Morde an Aktivisten seit 2017. Laut der Kommission wurden die Sicherheitskräfte, unter denen viele Täter vermutet werden, angewiesen, nicht mit ihr zu kooperieren. Regierung und Polizei dementieren das, ihre eigen Ermittlungen laufen aber ins Leere.
Duterte hatte mit der seit 1969 aktiven maoistischen Guerilla Friedensgespräche begonnen, doch schon bald auf Repression gesetzt. Zugleich wurden in seinem 2016 ausgerufenen „Krieg gegen die Drogen“ bisher rund 30.000 Personen getötet, meist, weil sie sich als mutmaßliche Drogendealer angeblich gegen Festnahmen gewehrt hätten.
Inzwischen sprechen Menschenrechtler von einem „Krieg gegen Dissens“, der sich gegen linke Kritiker richtet. „Die wiederkehrenden Drohungen gegen Aktivist*innen durch Duterte bilden einen Grundstein für ein zunehmend autoritäres und repressives Klima. Flankiert werden sie von Gesetzen wie dem Antiterrorgesetz, das die Auslegung von regierungskritischen Aktivitäten als Terror und ergo Repression erleichtert“, kritisiert das Aktionsbündnis Menschenrechte Philippinen.
Darin sind mehrere deutsche Gruppen und Hilfswerke zusammengeschlossen. In Umfragen ist Duterte, der schon mal forderte, „Terroristinnen“ in die Vagina zu schießen, aber weiter beliebt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“