Politische Kommunikation und ihre Tücken: Kommunikative Leerformeln

Endlich bekommt Hannover mal positive Aufmerksamkeit – jedenfalls in den überregionalen Medien. Zuhause kann der OB es eigentlich nur falsch machen.

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay sitzt neben seinem Fahrrad vor einem Baum in Hannovers Innenstadt

Radelnder Kommunikator: Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay Foto: Michael Matthey/dpa

Meine Schwester hat neulich beim Aufräumen 30 Jahre alte Greenpeace-Sticker wiedergefunden, auf denen stand: „Autos raus aus der Stadt“. Und da fiel mir ein, warum mich die Debatte um Hannovers Verkehrspolitik so nervt: Weil sich seit mindestens genauso vielen Jahren im Kreis dreht.

Leider war ich nicht bei der Präsentation der Innenstadtpläne, die Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) und Stadtbaurat Thomas Vielhaber (SPD) auf einer Art Bürgerversammlung im Aufhof abgeliefert haben. Ein Kollege von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung war da und notierte anschließend ein bisschen erstaunt, wie freundlich und zivilisiert die Debatte doch gewesen sei.

Das ging mir bei verschiedenen Veranstaltungen in vergangener Zeit auch so. Ich frage mich, ob wir Journalisten vielleicht zu sehr unserer eigenen Polarisierungs-Hypothese aufgesessen sind, weil in Leserbriefen und Social-Media-Kommentaren immer alles heißer gekocht als gegessen wird.

Glaubt man dem überregionalen Medienecho, hat Onay PR-technisch ausnahmsweise alles richtig gemacht. Was an sich schon ein Kunststück ist: Für gewöhnlich lautet der Vorwurf ja immer und überall, die Stadt habe das nicht richtig kommuniziert – egal, ob es um Straßensperrungen oder Flüchtlingsunterkünfte geht.

Zu viel oder zu wenig, zu früh oder zu spät kommuniziert

Der Koalitionspartner SPD führte das auch dieses Mal wieder im Munde, war aber vermutlich vor allem beleidigt. Die CDU hingegen warf Onay vor, städtische Werbeflächen für eine parteipolitische Kampagne zu benutzen, weil er darauf für das Innenstadtkonzept warb. Wie er es auch macht, es ist verkehrt. Die Stadt kommuniziert entweder zu viel oder zu wenig, zu früh oder zu spät.

Oft ist dieses „Das ist gar nicht richtig kommuniziert worden“ ja aber auch eine Versteckformel für Leute, die inhaltlich nicht einverstanden sind. Das war zuletzt wieder zu besichtigen, als es um den Bau einer neuen Flüchtlingsunterkunft in Kirchrode ging.

In der gehobenen Wohnlage (einem von zwei Stadtteilen, in denen traditionell schwarz gewählt wird) machen sich Menschen Sorgen um ihre Grundstückspreise. Schon 2015 hatte die Stadt angepeilt, hier eine Unterkunft entstehen zu lassen – es gibt da ein Erbpachtgrundstück und der Stadtteil hat bisher kaum Geflüchtete untergebracht. Als die Zahlen zwischenzeitlich sanken, beließ man es dabei.

Nun wurden die Pläne reaktiviert, was prompt dafür sorgte, dass sich eine Busladung voll besorgter Bürger bei der nächsten Bezirksratssitzung einfand. Die Unterkunft befindet sich noch in der Planung und wird frühestens 2026/27 eröffnen, zehn Jahre, nachdem die Stadt das Grundstück erworben hat. Preisfrage: Welche Art von Kommunikation hätte es wohl gebraucht, damit diese Bürger glücklich und zufrieden sind?

Andere Meinungen kann man nicht wegkommunizieren

Aber die Leerformel funktioniert natürlich auch auf der anderen Seite. Nach jeder Schlappe heißt es in den Parteien:„Wir müssen unsere Ziele besser kommunizieren“ – in der rührenden Annahme, wenn man alles nur gut genug erklärt, müssen die Leute das doch genauso vernünftig finden wie man selbst.

Und was, wenn es nun einmal einfach Leute gibt, die lieber einen Parkplatz als einen Baum vor der eigenen Haustür hätten? Oder finden, die Geflüchteten könnten doch gut ganz woanders wohnen?

Aber vielleicht gewöhne ich mir diese Art von Leerformel jetzt einfach auch an. Was auch immer Sie an meinen Artikeln zu meckern haben: Das tut mir leid, aber ich finde, Sie haben Ihre Erwartungen nicht gut genug kommuniziert. Da hätten Sie mich halt mal eher informieren müssen.

Noch besser kann man sich das ja bei der Großmeisterin der Leerformeln abgucken, der Deutschen Bahn. Also falls Sie zu den Menschen gehören, die seit einer Ewigkeit darauf warten, dass ich Ihre E-Mail beantworte: Der Grund sind Störungen im Betriebsablauf. Vielen Dank für Ihr Verständnis, auch wenn Sie keines haben.

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