Politische Demütigungen in Belarus: Kompromittierende Vibratoren
Die Sicherheitsorgane haben neue Maßnahmen gefunden, um Festgenommene zu entwürdigen. Olga Deksnis über stürmische Zeiten in Minsk. Folge 112.
I m Dezember wurde in Belarus der Pressesprecher des Telefonanbieters A1 Belarus, Nikolai Bredelew, festgenommen. Das Kommunikationsunternehmen soll geschlossen werden. (Das private Unternehmen A1 Belarus ist der zweitgrößte Mobilfunkanbieter des Landes; bis 2019 hieß es velcon. Anm. der Redaktion). Seitdem ändern die Menschen ihre Telefonnummern und wechseln zu anderen Anbietern. Die staatlichen Medien haben sogar einen Wettbewerb für das beste Foto über diesen Wechsel ausgerufen. A1 Belarus wird zum Volksfeind erklärt.
35 Jahre alt, lebt in Minsk und arbeitet bei dem Portal AgroTimes.by. Sie schreibt über besonders verwundbare Gruppen in der Gesellschaft: Menschen mit Behinderung, LGBT, Geflüchtete etc.
Als offizieller Grund für diese Maßnahmen wird angeführt, dass Nikolai Bredelew nach den Präsidentschaftswahlen (vom August 2020, Anm. d. Redaktion) angeblich sensible Daten (Arbeitsplatz, Wohnadresse u.a.) von Polizisten an einen von den Machthabern verbotenen Telegram-Kanal durchgestochen habe. Dafür wurde er zu 15 Tagen Arrest verurteilt. Die Frage, ob er danach überhaupt wieder freigelassen wird, ist noch offen.
Diese Geschichte hat noch einen weiteren schrecklichen Aspekt. Während der Festnahme von Bredelew im Bezirksamt für Inneres wurde der Mann gezwungen, vor laufender Kamera zu sagen, dass er seit 7 Jahren mit einem Mann zusammenlebt. In den wichtigsten staatlichen Medien wurden neben Sex-Spielzeugen, die bei der Durchsuchung seiner Wohnung gefunden wurden, auch viele andere intime Dinge gezeigt, zum Beispiel ein privates Aktfoto. „Journalisten“ der staatlichen Kanäle zeigten mit der Veröffentlichung dieses Fotos, wie sie den Mann in den Dreck ziehen konnten. In den Gefängnissen der ehemals sowjetischen Staaten ist es für Homosexuelle sehr gefährlich. Es ist schrecklich, sich vorzustellen, was Bredelew in der Zelle erwartet.
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„Wir verurteilen das entwürdigende Vorgehen der belarussischen Behörden. Die Grund- und Freiheitsrechte aller Menschen müssen jederzeit gewahrt bleiben“, hieß es in einer offiziellen Stellungnahme des österreichischen Außenministeriums. „Wir sind auf diplomatischem Weg und in enger Absprache mit dem österreichischen Unternehmen intensiv darum bemüht, hier unterstützend einzuwirken.“ (A1 Belarus gehört zu 70 Prozent der österreichischen A1 Telekom Austria Group; Anm. der Redaktion)
„Das ist nicht nur eine Diskreditierung, das ist ein Verbrechen, was sie (die belarussischen Machthaber) hier verüben“, wie Aktivisten einstimmig betonten. „Es ist absolut notwendig festzuhalten und sich für zukünftige Strafverfahren daran zu erinnern, dass so etwas nicht auf weitere Fälle ausgeweitet werden darf. Alle diese Geständnisse und Rechtfertigungen sind unter Folter entstanden.“
Etwa zur gleichen Zeit wie Bredelew wurde auch der Marketing-Direktor eines großen Automobilunternehmens in Gewahrsam genommen. Er soll an Protestaktionen teilgenommen haben. Vor laufender Kamera sprach der intelligente Mann über sein hohes Gehalt, über jährliche Bonuszahlungen und darüber, dass auch er mit einem Mann zusammen lebt.
„Zum Präsidenten geboren, nicht gemacht“
Diese Videos sind dermaßen demütigend, dass es unerträglich ist, sie anzusehen. Im Internet sind mittlerweile neue Fotos von Festnahmen und von bei Hausdurchsuchungen gefundenen Sex-Spielzeugen aufgetaucht. Psychologen sagen dazu, dass in einer patriarchal-autoritären Gesellschaft solche „Funde“ ein gutes Instrument zur Beeinflussung der Bevölkerung seien. Die Menschen, die so etwas machen, sind perverse „Smagars“ und so etwas brauchen wir nicht. (Das belarussische Wort „Smagar“ bedeutet so viel wie Kämpfer oder Eiferer und wird normalerweise für Menschen verwendet, die sich in Belarus den Behörden widersetzen; Anm. d. Redaktion)
Etwa zeitgleich hat auch Alexander Lukaschenko etwas zu feiern. Direkt neben seiner Residenz wurde ein Bekleidungsgeschäft eröffnet, in dem Sweat- und T-Shirts mit seinen vermeintlich klugen Aussprüchen, die er nach den Wahlen geäußert hat, angeboten werden. Zum Beispiel „Die Geliebte gibt man nicht her“ (womit er meint, dass er die Macht über das Land nicht abgeben will, Anm. d. Redaktion) oder „Man wird zum Präsidenten geboren, nicht gemacht“.
Es kursieren schon Witze darüber, dass im Frühling, wenn alle die warmen Winterjacken ausziehen, klar wird, wer „Lukaschenko-Anhänger“ (im Original:„Jabatka“, pejorativ für diejenigen, die für Präsident Lukaschenko sind; Anm. d. Redaktion) ist. Mit dem man lieber nichts zu tun haben will.
Aus dem Russischen Gaby Coldewey
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