Politiker Karamba Diaby über Rassismus: „Es fehlt ein Bekenntnis“
Deutschland muss antischwarzen Rassismus bekämpfen, sagt der SPDler Karamba Diaby. Am Donnerstag besuchen Schwarze Aktivist*innen den Bundestag.
taz: Herr Diaby, am Donnerstag treffen Sie sich im Bundestag mit Teilnehmenden der People of African Descent Week, einer Konferenz, bei der es um die Situation von Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland geht. Wie ist deren Lage hierzulande?
Karamba Diaby: Wir reden hier von einer kleinen Minderheit, etwa einer Million Menschen. Aber diese Gruppe ist mit am stärksten von Rassismus betroffen. Deswegen ist es längst überfällig, dass sich Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland zusammenfinden und stärker vernetzen. Rassismus schränkt ihre gesellschaftliche und politische Teilhabe enorm ein. Gerade die Geflüchteten und jungen Leute unter ihnen sind noch einmal besonders von Ausgrenzung betroffen.
Schwarze Menschen in Deutschland sind aber eine sehr heterogene Gruppe, viele leben seit Generationen in Deutschland. Trotzdem werden sie oft als „fremd“ oder „Migrant*innen“ markiert.
Stimmt. Menschenfeindlichkeit ist mitten in der Gesellschaft angekommen. Das wird leider durch politische Debatten noch befeuert: Gerade erst hat Alexander Gauland für die AfD in seiner Rede zum Haushalt mehrere Minuten lang nur über „Afrikaner“ gesprochen. Solche Reden von einem Spitzenpolitiker zu hören, ist letztlich auch Grundlage für Gewalttaten.
Welche Rolle spielt der Kolonialismus heute noch?
Eine große. Viele Folgen des Kolonialismus mit seinen vernichtenden Konsequenzen sind noch immer nicht aufgearbeitet und existieren fort. Ich erinnere nur an Herrn Nooke, den Afrikabeauftragten der Bundesregierung, der sich schon mehrfach auf eine Art und Weise geäußert hat, die an das Gedankengut der Kolonialzeit erinnert. Wenn wir das nicht erkennen und angehen, werden wir beim Thema Rassismus kaum weiterkommen.
Die Konferenz findet im Rahmen der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft statt, die 2015 gestartet wurde und im Rahmen derer die Staaten gegen strukturelle Diskriminierung Schwarzer Menschen vorgehen sollen. Wie wichtig ist Ihnen das?
58 Jahre alt, sitzt seit 2013 für die SPD im Bundestag. Der promovierte Chemiker ist damit der erste in Afrika geborene Schwarze Abgeordnete im Parlament. Seine Schwerpunkte sind Bildung und Arbeit, bis 2017 saß er dem Ausschuss für Menschenrechte vor.
Es ist mir sehr wichtig. Anerkennung und Gerechtigkeit für die afrikanische Community muss endlich in den Mittelpunkt gestellt werden und öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Deutschland hat sich verpflichtet, antischwarzen Rassismus zu bekämpfen. Jetzt müssen Taten folgen. Das geht aber nur, wenn ein gewisser Druck der Zivilgesellschaft da ist.
Auf EU-Ebene gab es im März eine eigene Resolution zu dem Thema. In Deutschland wurde die Dekade 2016 feierlich eröffnet – seitdem ist aber nicht mehr viel passiert. Woran hapert es?
Es stimmt leider: Anders als bei anderen Dekaden gibt es keine Gesamtstrategie der Bundesregierung und kein Bekenntnis aus dem Parlament. Es war aber ein wichtiger symbolischer Schritt, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Konferenz 2016 feierlich im Bundesfamilienministerium eröffnet hat. Außerdem werden verschiedene Organisationen finanziell gefördert, das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Sie sagen, es fehlt ein Bekenntnis des Parlaments. Nun sind Sie ja selbst Parlamentarier. Mangelt es an Rückhalt in der eigenen Fraktion?
Nein, so kann man das nicht sagen. Wir werden die Forderungen der UN-Dekade bald angehen, und ich bin zuversichtlich, dass meine Kollegen dann aufgeschlossen sind und wir auf die Forderungen der NGOs eingehen werden. Dass wir jetzt dieses Symposium im Bundestag machen, zeigt ja schon, dass die Offenheit da ist, die Ziele der Dekade umzusetzen. Dazu gehört für mich ganz zentral die Aufarbeitung von Sklavenhandel und Kolonialismus sowie das Vorgehen gegen Racial Profiling.
Racial Profiling ist in Deutschland verboten, oder?
Ja. Aber es gibt im Bundespolizeigesetzes die verdachtsunabhängige Kontrolle. Und so, wie das heute in der Praxis gehandhabt wird, ist es letztlich genau das. Ich habe das als Pendler selbst erlebt: Von Hunderten Reisenden werde ich als einziger am Bahnhof kontrolliert – wegen meiner Hautfarbe. Das ist rassistisch und ausgrenzend. Das geht nicht. Deswegen muss dieser Paragraf abgeschafft werden, und bei der Polizei muss es endlich wirksame Fortbildungen zu interkultureller Kompetenz und Antirassismus geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?