Podcast „Raus“ über Reisen in Europa: Kein großes Drama
In „Raus – Ab durch Europa“ fahren vier Jugendliche ohne Handy und mit wenig Geld quer über den Kontinent. Der Reality-Podcast zeigt das Potenzial des Genres.
Es ist 19.25 Uhr, ein Sommerabend in Venedig. Alex, Grete, Leo und Jannis sind nach einer mehrstündigen Bahnfahrt in der italienischen Touristenhochburg angekommen. Doch statt Aperol und Gondelfahrt gilt es erst einmal eine Unterkunft zu finden. 100 Euro darf die Übernachtung für die vier Jugendlichen insgesamt kosten, Handys sind als Hilfsmittel nicht erlaubt. Und ohne die sind die vier ganz schön aufgeschmissen.
Trotz Stadtkarte laufen sie ständig im Kreis. Schließlich lernen sie im Bus einen älteren Mann kennen, der ihnen eine Unterkunft organisieren will. Sie folgen ihm mit der Tram in einen Außenbezirk, später zu Fuß immer weiter durch dunkle Gassen. Ist das wirklich eine gute Idee?
Diese Szene ist die wahrscheinlich dramatischste in „Raus – Ab durch Europa“, einem zehnteiligen Doku-Reality-Podcast, moderiert von Laura Larsson. „Raus“ ist der erste Versuch, das im Fernsehen so erfolgreiche Genre in ein Audioformat zu übersetzen.
Der große Gewinn
Das Prinzip ist simpel: Alex, Grete, Leo und Jannis kennen sich nicht, sie sind zwischen 18 und 21 Jahre alt und kommen aus verschiedenen Ecken Deutschlands. Gemeinsam sollen sie mit der Bahn drei Wochen durch Europa reisen. Dabei haben sie keinen Zugang zu Handys, ihr Budget ist begrenzt (12 Euro pro Person und Tag), und sie müssen immer wieder verschiedene Challenges meistern. Im Gegensatz zu bekannten TV-Realityshows winkt nicht das große Geld oder die große Liebe als Gewinn, sondern das Erlebnis an sich.
Dass das nicht immer positiv sein muss, zeigt die Challenge in Venedig. Der anfangs freundliche Mann wird immer ungehaltener, und eine Übernachtung ist nicht in Sicht. Das Produktionsteam greift ein. „Ich frage mich das gerade wirklich, ob ihr mit diesem Menschen wirklich in ein Außenviertel vom Außenviertel vom Außenviertel gefahren seid“, sagt einer der Produzent*innen zu den vier Jugendlichen. Gemeinsam rennen sie weg, springen in die Tram und fahren zurück in die Stadt. Gefahr gebannt, doch die Aufgabe für den Tag ist noch nicht gelöst, eine Übernachtung in Venedig fehlt noch immer.
Einer der Sponsoren ist die Deutsche Bahn, daher die langen Werbeeinspieler und auffälligen Bemerkungen, wie pünktlich der Zug sei. Aber aufdringliche Werbung ist man als Fan von Realityshows ja gewöhnt.
„Raus – Ab durch Europa“ bei allen bekannten Podcatchern
Ungewöhnlich für so ein Format ist hingegen, dass sich keine*r der vier Jugendlichen in eine*n andere*n verliebt. Und auch ansonsten bleibt das Format relativ harmlos. Auf der Reise von Berlin über Prag, Wien, Zagreb, Venedig, Rimini, Piacenza und Mailand nach Paris gibt es zwar auch mal Streit (Alex: „Ich bin sehr angekotzt von bestimmten Menschen aus der Gruppe, weil ich das Verhalten ziemlich charakterlos finde; aber das würde ich gerne mit ihm unter vier Augen besprechen“) und große Gefühle (Grete: „Wir haben dich so unnormal vermisst, Leo“), doch das ganz große Drama bleibt aus.
Dass das kein Zufall, sondern eine bewusste Entscheidung ist, wird in einer Szene besonders deutlich. Als Alex zu seinen Mitreisenden sagt, dass er noch nie in einem Secondhandshop war, entgegnet Grete: „Was? Das schockt mich jetzt mehr, wie wenn ihr sagt, keine Ahnung, dass ihr die FDP wählt.“ Woraufhin Jannis seinen FDP- und JuLi-Mitgliedsausweis zückt. Ein kurzes Geplänkel entsteht, doch schnell ist die Sache gegessen. Beim „Dschungelcamp“ oder dem „Bachelor“ wäre solch eine Ausgangssituation nicht einfach links liegen gelassen worden. Denn aus so einer kleinen Aussage ließen sich Probleme für eine ganze Episode formen.
Bei „Raus“ ist dagegen die meiste Zeit Friede, Freude, Eierkuchen. Die vier Jugendlichen werden Freund*innen, freuen sich über gemeinsam Erlebtes und feilen an ihren Zukunftsplänen. Auch ohne Bildmaterial kommt man den Protagonist*innen durch die Gespräche nahe. Doch bisweilen sind die gut 40-minütigen Episoden auch etwas langatmig. Das Potenzial von Reality-Audioproduktionen ist mit „Raus“ also sicher nicht ausgeschöpft, doch der Podcast hat gezeigt, dass es da ist.
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