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Pleite-Insel Puerto RicoDas Griechenland der Karibik

Puerto Rico ist hoch verschuldet. Durch den Sonderstatus als US-Territorium kann die Insel nicht auf ein Insolvenzverfahren nach US-Recht hoffen.

Puerto Rico kann seine 72 Milliarden Dollar Schulden nicht zurückzahlen. Foto: ap

New York taz | | Griechenland ist nicht allein. In der Karibik steht Puerto Rico in einer vergleichbaren Lage. „Wir können nicht mehr bezahlen“, erklärte Gouverneur Alejando García Padilla Anfang der Woche. Die Zahlungsunfähigkeit der Insel betrifft zunächst 400 Millionen Dollar Schuldendienst, die am Mittwoch fällig sein sollten. Doch sie gilt auch für weitere Zahlungstermine in diesem Sommer.

Der Gouverneur strebt ein Moratorium über die komplette Schuldenlast der Insel an: 72 Milliarden Dollar allein in Kommunalanleihen. Er will über die Schuldenhöhe verhandeln und die Rückzahlung um Jahre verschieben. „Wir müssen in Puerto Rico investieren, um die Wirtschaft zu beleben“, begründete García Padilla.

Puerto Ricos Schulden haben Rekordhöhe, sie übertreffen selbst die von Detroit – der bislang am höchsten verschuldeten US-Gemeinde – um das Vier- bis Fünffache. Doch hat Puerto Rico nicht einmal eine legale Handhabe, um nach US-Recht Konkurs anzumelden und selbst neu zu verhandeln. Die Insel hat nur den Status eines „Territoriums“ der USA.

Ihre 3,6 Millionen BewohnerInnen dürfen zwar einen Gouverneur wählen und haben Anrecht auf die US-Staatsangehörigkeit, aber bei wichtigen wirtschaftlichen und politischen Angelegenheiten können sie nicht mitreden. So darf die Insel nur Warenlieferungen von Schiffen aus den USA annehmen. Puerto Rico hat zwar pro forma einen Vertreter im US-Kongress, doch hat der dort kein Stimmrecht.

Über 40 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze

Die Karibikinsel – deren Name „reicher Hafen“ bedeutet – hat schwer unter der Rezession gelitten. Die Industrie ist längst in Billiglohngebiete abgewandert. Mehr als 40 Prozent der Inselbevölkerung leben unter der Armutsgrenze, in manchen Städten sind ganze Straßenzüge zugenagelt – mit verlassenen Geschäften und Häusern. Der Exodus in die USA hat bedrohliche Ausmaße angenommen. Während zuvor pro Jahrzehnt rund 11.000 bis 13.000 Menschen Puerto Rico den Rücken kehrten, verließen allein zwischen 2010 und 2013 rund 48.000 Menschen die Insel. Die Zurückgebliebenen müssen nun noch höhere Steuern als zuvor zahlen, um Straßen, Häfen und Flughäfen, elektrische Infrastruktur und Krankenhäuser instand zu halten.

Puerto Ricos Gouverneur ist ein Parteifreund von Barack Obama. Doch kaum hatte er die Zahlungsunfähigkeit erklärt, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest: „Einen Rettungsplan für Puerto Rico wird es nicht geben.“ Am Dienstag regte Obama immerhin an, dass der US-Kongress dem Territorium die gesetzliche Handhabe gibt, um ein Konkursverfahren anzumelden.

Der größte Teil der Inselschulden stammt aus Kommunalanleihen. Sie kommen vor allem von kleinen SparerInnen, die damit ihre Rente absichern wollen. Bis jetzt hatten die meisten dieser AnlegerInnen keine Ahnung, dass sie in einem Risikogeschäft waren. Die Zahlungsunfähigkeit Puerto Ricos könnte auch für US-Kommunen und -Bundesstaaten weitreichende Auswirkungen haben. Bisher ist für sie die Geldaufnahme bei Kommunalanleihen einfach. Doch eine Rückzahlungskrise könnte den Geldfluss drosseln.

Puerto Ricos Vertreter im US-Kongress, Pedro Pierluisi, hat sich schon in der letzten Legislaturperiode für ein Gesetz eingesetzt, das der Insel das Recht auf ein Konkursverfahren gibt. Doch die Abgeordneten interessierten sich nicht für eine Insel, deren BewohnerInnen kein volles Wahlrecht haben. Die nun öffentliche Zahlungsunfähigkeit Puerto Ricos könnte das ändern. Die demokratischen Senatoren Chuck Schumer und Richard Blumenthal haben bereits ein Gesetz vorgelegt.

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