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Plan für Europawahl 2014Drei-Prozent-Hürde gegen Kleinparteien

Union, SPD, FDP und Grüne wollen bei der Wahl zum Europaparlament eine Sperrklausel behalten. Dabei hat Karlsruhe ihre Abschaffung gefordert.

Drei Fahnen in Brüssel: Großparteien wollen hier unter sich bleiben Bild: dpa

FREIBURG taz | Der Bundestag will für die Europawahl 2014 eine Drei-Prozent-Hürde einführen. Das wäre ein Affront gegen das Bundesverfassungsgericht, das erst vor kurzem solche Sperrklauseln bei Europawahlen für verfassungswidrig erklärt hat. Die Wahlrechts-Experten von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen haben sich darauf geeinigt, bei der Europawahl im Juni 2014 eine Drei-Prozent-Hürde anzuwenden.

Das heißt, nur Parteien, die in Deutschland mehr als drei Prozent der Stimmen bekommen, erhalten auch einen der 99 deutschen Sitze. Ohne eine derartige Sperrklausel würde schon knapp ein Prozent der Stimmen für einen Sitz genügen. Bisher bestand bei Europawahlen eine Fünf-Prozent-Klausel, wie sie auch bei Bundes- und Landtagswahlen üblich ist. Dagegen hatten jedoch mehrere Wähler geklagt, unter anderem der Staatsrechtler und Parteienkritiker Hans-Herbert von Arnim.

Er machte geltend, dass wegen der Sperrklausel für kleine Parteien bei der letzten Europawahl insgesamt rund zehn Prozent der Wählerstimmen unter den Tisch fielen. Immerhin sieben Parteien hätten 2009 ohne Prozenthürde auch einen Sitz im Europaparlament erhalten: Freie Wähler, Republikaner, Tierschützer, Familienpartei, Piraten und ÖDP. Das Bundesverfassungsgericht entschied im November 2011, dass dieser Eingriff in die Gleichheit des Stimmgewichts bei Europawahlen nicht zu rechtfertigen sei. Im Europaparlament seien ohnehin 162 Parteien vertreten, die sich aber zu sieben Fraktionen zusammenfinden. Es sei damit zu rechnen, dass auch zusätzliche deutsche Kleinparteien in einer der Fraktionen aufgenommen werden.

Außerdem wiesen die Richter darauf hin, dass das Europaparlament eine andere Funktion habe als der Bundestag. Das Europaparlament wähle keine Regierung, die auf seine kontinuierliche Unterstützung angewiesen sei und auch die Gesetzgebung sei nicht von einer festen Koalition abhängig, weil oft mit wechselnden Mehrheiten abgestimmt werde. Bei deutschen Europapolitikern stieß dieses Urteil auf Empörung. Damit werde das Europaparlament zu einem Parlament zweiter Klasse herabgestuft, dessen Funktionsfähigkeit weniger wichtig sei als die von Bundestag und Landtagen.

Die Europaabgeordneten drängten denn auch, nun zumindest eine Drei-Prozent-Hürde einzuführen. Beim Wahlergebnis von 2009 hätte sie die gleiche Wirkung gehabt wie eine Fünf-Prozent-Hürde. In Karlsruhe dürfte man dies als offenen Affront werten, Schließlich hat das Verfassungsgericht bei Europawahlen keine Senkung der Fünf-Prozent-Hürde gefordert, sondern ihre Abschaffung. Und natürlich wird das Bundesverfassungsgericht auch bald wieder mit der Frage befasst werden.

Die Freien Wähler, die ÖDP und die Piraten haben schon Verfassungsklagen angekündigt. "Wer neue Hürden einführt, will damit nur seine Plätze sichern und bringt ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz auf den Weg", sagte etwa Bernd Schlömer, der Vorsitzende der Piratenpartei. Die Bundestags-Fraktionen hoffen dagegen, dass sich am Bundesverfassungsgericht inzwischen die Stimmung geändert hat. Immerhin fiel das Urteil 2011 auch nur mit fünf zu drei Richterstimmen. Das Bundesinnenministerium arbeitet jetzt im Auftrag der vier Fraktionen einen Gesetzentwurf aus. Dieser soll bis zum 28. Mai vorliegen.

Am 3. Juni wollen sich die Wahlrechts-Experten der Fraktionen das nächste Mal treffen. Und noch im Juni soll der Bundestag das Gesetz beschließen. Die Spitzen der beteiligten Fraktionen haben bereits grundsätzliche Zustimmung zu dem riskanten Projekt signalisiert. Gegenwind kommt im Bundestag bisher nur von der Linken. Diese war zwar eingeladen, den Gesetzentwurf mit zu unterzeichnen, lehnt die Einführung von Prozenthürden bei Wahlen aber generell ab. Sperrklauseln seien "undemokratisch", sagte die Abgeordnete Halina Wawzyniak, "denn sie lassen in nicht unerheblichem Umfang die Stimmen von Bürgern unter den Tisch fallen.

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15 Kommentare

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  • MM
    Markus Meister

    Die Klagen gegen die Prozenthürde bei Wahlen von ÖDP & Co. ist der Versuch über Gerichte in die Parlamente zu gelangen. Diese Parteien sollten sich lieber hinterfragen, ob es evtl. nicht wirklich vier Ökoparteien braucht oder je ein Dutzend Gruppierungen am rechten und linkem Rand? Dank fehlender Hürde bei Kommunalwahlen, tummeln sich Rechtsradikale, Bibeltreue, wertkonservative Ökos oder Titanic-Fans in Gemeindeparlamenten und es wäre interessant den Mehrwert für die Kommunen zu analysieren. Sollte Bedarf an neuen Parteien bestehen, schaffen diese auf lange Sicht auch gesteckte Hürden und etablieren sich.

  • A
    alex

    Wen wundert es denn ernsthaft??

     

    In einem Land, in dem nur rechtsautoritär ausgerichtete Parteien als regierungsfähig gelten, darf man sich nicht wundern, wen SchwarzRotGelbGrün+Lobbygruppen in einer peinlichen Art und Weise um ihre hochbezahlten Posten kämpfen und den anderen nichts gönnen...Die betrachten die Sitze und deren folgende Vergünstigungen als ihr Eigentum. Demokratie und Bürgerwille ist für sie nur sekundär.

     

    Aber der deutsche Wähler hat es wohl so gewollt...Sonst bei der nächsten Wahl die rote Karte für diese verkrusteten Altparteien! In diesem Land ist sicher mehr möglich, als das was diese Parteien uns als alternativlos verkaufen...

  • RB
    Rainer B.

    Diese Viererbande hat sich doch längst von demokratischen Prinzipien verabschiedet.

    Worum geht's jetzt noch?

     

    Die Partei, Die Partei, Die Partei, Die Partei!

  • D
    D.J.

    Dass die Linke hier als einzige im Bundestag vertretene Parteim im Sinne des Verfassungsgerichts atgumentiert, lässt mich an der Restdemokratie hier fast verzweifeln. Schande über CDUSPDGRÜNEFDP, ihr könnt mich alle mal kreuzweise!

  • K
    kannes

    Vielfalt ist Trumpf.

    Alterntivlosigkeit ist Denkdiktatur.

    Machtoutsouring der Politik ist Bürgerentmündigung in Deutschland, ist Demokratieverstückelung, analog

    zu credit delegated

    obligations der Finanzindustrie. (Die Folgen kennt man von Lehmann Brothers.)

    Einen Herdentrieb haben auch Schlachtrinder.

    Ich bin gegen eine Abkehr von der Aufklärung,

    die unser Bildungssystem in weiten Teilen

    forciert, um noch mehr willenlose und sozial

    ungefestigte Geldtransferstellen in Menschenform

    zu generieren. Und ich bin gegen eine Diskriminerungsgerechtigkeitsethik und gegen

    eine Großräumeverseuchungspolitik, gegen Militäreinsätze am eigenen Volk, gegen

    Eurobonds, gegen Wirtschaftsgroßfürsten in

    den Zentralbanken und Schattenmachtsystemen, wie

    ESEF, ESM, die indirekte Haushaltskontrolle

    und Wirtschaftsbevormundung gegenüber den Parlamenten ausüben dürfen(verstärkt nach der Wahl).

    Es fehlt die Vielfalt alternativer Lösungsstrategien in den Parteien.

    Es fehlen professionelle Analysen.

    Es fehlt die Intelligenz die deutschen Forderungen

    der Bundesbank

    teilweise einzufrieren und in Investitionsprogramme

    der jeweiligen Staaten umzuwandeln- zielgerichtet

    in Erneuerbare Energien, Stadt-und Dorfrestaurierung, Müllbeseitigung und Müllrecycling, Bildung, medizinische Versorgung,

    Ernährung, Klimawandelvorsorge, Küstenschutz,

    Trinkwasseraufbereitung,

    Wassermanagement, Artenschutz, kein Einsatz

    von Gentechnik in der Agrarwirtschaft, Samenbanken(Wild-und Nutzpflanzen),

    Eizellen und Spermien von allen Arten der Welt

    (keine Krankheitserreger),Kultur, Altenbetreuung auch für Deutsche,

    Jungfamilienunterstützung beim Erwerb vorteilhafter

    Mietwohnungen usw. für eine gesunde Demographie.

    z.T. Regenwaldanpflanzungen für Ökobilanz

    und bedrohte Tierarten, Maßnahmen gegen die Bodenversalzung.

    Weiterhin müßte wieder durch illegale Brandrodung

    geraubtes Land verstaatlicht werden und

    das Wohneigentum in Mieteigentum umgewandelt werden.

    Die nachträgliche Legalisierung war ein Verbrechen z.B. am spanischen Volk und an der Natur.

    Spanien darf sich nicht wie Brasilien verhalten

    und den Landräubern gegenüber ihre Hoheitsrechte

    abtreten. Das Wohneigentum ist illegal und

    gehört den Opfern der Finanzkrise billigst vermietet, sofern die Altbesitzer nicht die

    neue Strafmiete akzeptieren.

    Auf dieses Vermögen der dreisten Reichen zu verzichten, es aber von den Deutschen dann zu holen,

    ist eine Unverschämtheit!!

    Gerade hier hätten sich legale und vollkommen berechtigte Einnahmequellen des Staates ergeben,

    um Wachstumspotentiale rechtzeitig aufzubauen.

    Dabei hätte man ja statt Strafzahlungen, Sondersteuern für Kapitalverbrecher erheben dürfen,

    flankiert mit einem Weiterverkaufsverbot für Immobilien. Staaten die am Tropf hängen, aber

    Wirtschaftskriminelle finanziell unbehelligt lassen,

    werden selber zu Komplizen. Für solche Fälle müssten

    Rettungsschirme sofort verboten werden!

  • D
    Demokrat

    Pss, lieber Verfassungs-"schutz", ihr habt's zwar wie üblich verpennt aber...

     

    Die größten GefährDer unserer Demokratie & Recthsstaats sitzen derzeit² in der Willy-Brandt-Straße 1 und am Platz der Republik 1, 11011 Berlin.

     

    (²und eigentlich schon seid Jahren, "Bestands"-, "Vorrats-" und sonstwie benannte Stasi- SPDeiCDUerung... wenn man nicht gerade busy ist, und das Wahlrecht oder die Parteienfinanzierung zinkt...)

  • FK
    Fran Kee (Pirat)

    Verfassung, Bundesverfassungsgericht, Gerichturteile?

     

    Drauf geschissen, es geht schließlich um die Interessen von »Christ|Sozial«-»Demokraten« und ihren gelbgrünen Helfershelfern...

     

    Und wie immer in solchen Fällen wird sich die SPD mit keinem Sterbenswörtchen dazu auf ihrer "Website" spd.de dazu äußern, da gibt es nur Wohlfühlthemen zur eigenen selektiven Wahrnehmung.

     

    Vox Stimmvieh soll gefälligst wählen, was angeboten wird.

  • P
    Popanz

    Ob das der Ausweg ist: Noch mehr Müll in die Parlamente? Die stehen sich doch jetzt schon gegenseitig im Weg-,falls sie nicht gerade unterwegs sind um ihr Pfründe zu "pfründen".

  • FS
    Felix Staratschek

    ÖDP, Piratenpartei, Freie Wähler und andere können jetzt Geschichte schreiben, wenn diese allgemein die 5%- Hürde angehen. Während diese für das EU Parlament abgeschafft gehört, weil es bei den vielen Parteien dort nicht entscheident ist, ob da noch 5 deutsche Parteien hinzu kommen, muss die Hürde beim Bundestag und bei Landtagen reformiert werden. Denn laut dem letzten BVG- Urteil ist die Hürde ein erheblicher Eingriff in die Stimmengleichheit der Wahl, der nur bis zu 5% gerechtfertigt ist, um ein anderes hohes Gut zu schützen, die Fähigkeit zur Regierungsbildung und Entscheidungsfindung.

     

    Aber letzteres wäre auch dann gegeben, wenn unterhalb der 5% alle Personen beratend in den Bundestag und die Landtage einziehen mit allen Rechten eines Abgeordneten, außer dem Stimmrecht bei einfachen Gesetzen. Und deshalb müsste diese Reform einklagbar sein! Damit können die Abgeordneten von Parteien, die die 5% nicht schaffen Reden halten, Fragen stellen, in Ausschüssen mitarbeiten, das einbringen von Anträgen anregen und mit unterstützen. Das Hauptgegenargument ist, dass ohne Stimmrecht für einfache Gesetze (bei Verfassungsfragen sollten alle Stimmrecht haben, damit die 2/3- Mehrheit nicht verfälscht wird) ja schlechter gestellt wären, als dienormalen Abgeordneten. Aber wen diese eigentlich gewählten Politiker ganz ausgeschlossen sind, sind die noch schlechter gestellt. Und solange eine Koalition zusammenhält, hat eine Opposition, die dauernd überstimmt wird, auch nichts von ihrem Stimmrecht. Und die Stimmen der ÖDP, Tierschutzpartei, Familienpartei, Piratenpartei, Freien Wähler, der AfD und zum Teil der Linken, der FDP und der Grünen würden viele Debatten bereichern.

  • J
    Jaheira

    Ich bin enttäuscht von den Grünen. Offenbar sind ihnen Extra-Sitze wichtiger als das demokratische Prinzip.

  • H
    hans

    Hm, die FDP unterstüzt eine 3-Prozent-Hürde... wenn das mal nicht nach hinten losgeht, liebe Möchtegern-liberale.

     

    Wieder einmal ein Beweis, dass es unsere Parteien nicht mehr für nötig halten sich an die Verfassung zu halten. Man steht eben über dem Gesetz.

     

    Erfreulicherweise protestiert wenigstens Die Linke dagegen (obwohl sie sicher über die 3% kommen würde)!

  • G
    Gärtner

    Das hat mit Demokratie und Europäischer- Gleichbehandlung nichts mehr zu tun. Das ist nur noch pure Machterhaltung dieser Politikerzunft.

    Sie betrügen damit uns Bürger um unsere Stimmen wir wollen endlich mehr Meinungsangebot und nicht nur den Einheitsbrei dieser "Blockpfeifen"

  • RD
    Richard Detzer

    Jede Sperrklausel, die über den normalen Anteil von 1% pro gewählter Partei hinaus geht, ist direkter Wahlbetrug. Wahlbetrug gehört in eine gefälschte Verfassung, gehört nicht in eine demokratische Verfassung. Nirgendwo steht geschrieben, daß die Absperrung des Zugangs zur demokratischen und parlamentarischen Arbeit für gewählte Kleinparteien rechtens ist, außer natürlich in einer für Selbstbetrüger, Fremdbetrüger und allgemein für Wahlbetrüger günstigen Wahlrecht und Wahlgesetz.

     

    Werft alles Parteivolk oberhalb von 5% aus dem Parlament, dann haben wir Demokratie!

  • C
    Christian

    Ich fand das Urteil auch unmöglich. Ein Verfassungsgericht sollte entweder befinden, dass Sperrklauseln zulässig sind oder dass sie es nicht sind. In ersterem Fall ist es Sache des Gesetzgebers, zu regeln, für welche Wahlen sie gelten.

     

    Aber jetzt so dreist gegen das Urteil zu verstoßen, dass nunmal gefällt wurde ... da dreht sich mir auch der Magen um.

  • TL
    Tim Leuther

    Das Verfassungsgericht sagt letztendlich dass das Europaparlament sch***egal ist, genauso wie Kommunalpolitik. Daher braucht man da keine 5% Hürde und keine stabielen Mehrheiten.

     

    Ich finde das quatsch.

     

    Soll man eine Alternativstimme einführen. Dann kann man auch Parteien wählen die vielleicht keine 5% bekommen. Ist dann aber abgesichert für den Fall das es doch kommt. Aber die 5% Hürde hat ihren Zweck.

     

    Was bringt es das Europaparlament mit Einzelpersonen zu fluten die keinen Überblick haben. Die eine Frau der Tierschutzpartei mit ihrem einen Mitarbeiter? Lächerlich.