Plagiatsverdacht gegen Staatssekretär: Die beste Quelle ist man selbst
Der nordrhein-westfälische Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann soll in seiner Doktorarbeit abgeschrieben haben. Die Technische Universität Dortmund hat nun reagiert.
KÖLN taz | Nordrhein-Westfalens Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann muss um seinen Doktortitel bangen. Das Rektorat der Technischen Universität Dortmund bescheinigt dem SPD-Politiker „erhebliches wissenschaftliches Fehlverhalten“ und will ein Aberkennungsverfahren einleiten lassen.
Der Vorwurf: Eumann soll abgeschrieben haben – von sich selbst. Corpus Delicti ist eine Doktorarbeit, die Eumann 2011 am Institut für Journalistik der TU Dortmund eingereicht hat. Sie beschäftigt sich mit dem Deutschen Presse-Dienst, einer 1945 in der britischen Besatzungszone gegründeten Nachrichtenagentur. Nun prüft die Hochschule, ob es sich bei der Dissertation um ein Plagiat handelt – und zwar ein ganz spezielles.
Anders als Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Silvana Koch-Mehrin (FDP) oder Annette Schavan (CDU) steht Eumann nicht in Verdacht, sich mit fremden Feder geschmückt zu haben. Vielmehr soll sich der 47-jährige Kölner allzu freigiebig aus seiner eigenen Magisterarbeit bedient haben. Das Werk, das Eumann zum gleichen Thema 1991 an der Uni Köln eingereicht hat, taucht jedoch weder im Quellen- und Literaturverzeichnis noch in den Fußnoten der Dissertation auf.
Jetzt sei es Aufgabe des Rats der Fakultät Kulturwissenschaften, ein Aberkennungsverfahren einzuleiten, „da das Promotionsrecht – und folglich auch das Recht zur Aberkennung eines Doktorgrads – bei der Fakultät liegen“, heißt es in einer am späten Freitagnachmittag verbreiteten Pressemitteilung der TU Dortmund. Bei seiner Feststellung eines „wissenschaftlichen Fehlverhaltens“ von Eumann stützt sich das Uni-Rektorat auf einen Bericht der hauseigenen „Kommission zur Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis“ sowie auf ein externes juristisches Gutachten des Bonner Rechtswissenschaftler Wolfgang Löwer.
Ambitionierter Politiker
Die Aberkennung seines Doktortitels könnte für Eumann einen empfindlichen Karriereknick bedeuten. Der ambitionierte Politiker, der Vorsitzender der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand ist und dem ZDF-Fernsehrat angehört, arbeitet seit der rot-grünen Regierungsübernahme 2010 als Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Ministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien.
In den vergangenen Wochen machte er vor allem durch seine Pläne für eine aus Rundfunkgebühren finanzierte Journalismus-Stiftung auf sich aufmerksam. Nun spekuliert die WAZ bereits, in der Düsseldorfer Staatskanzlei gebe es Überlegungen, Eumann auf einen Posten bei der Europäischen Union in Brüssel abzuschieben. Die Landesregierung gibt sich zugeknöpft. Noch habe die TU Dortmund nichts entschieden.„Der Ausgang des Verfahrens bleibt daher abzuwarten“, so die Landesregierung.
Der skurrile Fall wirft mal wieder kein besonders gutes Licht auf den Wissenschaftsbetrieb. Um auf die Idee zu kommen, dass Eumann möglicherweise etwas zu viel auf Kontinuität gesetzt hat, reicht bereits ein Blick auf die Titel seiner beiden Elaborate. „Der Deutsche Presse-Dienst – Nachrichtenagentur in der britischen Zone 1945-1949. Die Geschichte einer Medieninstitution im Nachkriegsdeutschland“ ist seine 252 Seiten starke Dissertation überschrieben.
Eumanns Magisterarbeit fällt mit 132 Seiten zwar deutlich kürzer aus, dafür ist der Titel etwas länger: „Der Deutsche Presse-Dienst – Nachrichtenagentur in der britischen Besatzungszone 1945-1949. Ein Beitrag zum Aufbau der Presse in Westdeutschland unter Berücksichtigung der Rolle des Chefredakteurs Fritz Sänger“.
„Standardwerk“
Eumann beteuert, dass der Titel seiner Magisterarbeit sowohl seinem Doktorvater als auch dem Prüfungsausschuss und dem Dekanat vorgelegen hätten. Laut Promotionsordnung für die Fakultät Kulturwissenschaften müssen Doktoranden bei der Einreichung ihrer Arbeiten angeben, „ob die vorgelegte Dissertation ganz oder in einer anderen Fassung oder in Teilen einer Hochschule im Zusammenhang mit einer staatlichen oder akademischen Prüfung vorliegt oder vorgelegen hat“. Doch seinem Doktorvater Horst Pöttker, der im Vorwort zur Buchversion Eumanns Dissertation als „Standardwerk“ bezeichnet, will nichts gewusst haben und nichts aufgefallen sein.
Der Titel der Magisterarbeit sei ihm nicht bekannt gewesen, behauptet der inzwischen emeritierte Journalistikprofessor. „Nach allen Informationen, die mir vorlagen, musste ich davon ausgehen, dass die Magisterarbeit von Herrn Eumann eine wesentlich andere Fragestellung und ein anderes Thema als seine Dissertation hatte“, sagte Pöttker der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Deswegen sei er nun „menschlich enttäuscht“. Auf die schlichte Idee, sich die alte Arbeit vorlegen zu lassen, will Pöttker nicht gekommen sein. Erst als er in der Fachzeitschrift Publizistik eine kritische Rezension des Leipziger Kommunikationswissenschaftlers Arnulf Kutsch gelesen hatte, will Pöttker eine böse Ahnung gekommen sein.
„Aufbau und Text dieser Dortmunder Dissertation sind in großen Teilen identisch mit der Arbeit gleichen Titels, mit der der Autor 1991 an der Universität Köln sein Magisterexamen erwarb“, heißt es in dem im Dezember 2012 veröffentlichten Text von Kutsch. Dessen verheerendes Fazit: „Einstweilen mag es lehren, wie angenehm es sich in unserem Fach auf der Grundlage des Textkorpus’ einer Magisterarbeit promovieren lässt, selbst wenn sich über diese eine 20-jährige Patina gelegt hat.“ Daraufhin veranlasste Pöttker die Überprüfung wegen des „illegitimen Erwerbs“ eines Doktortitels.
Zweitgutachter Ulrich Pätzold, der seinem Kollegen Pöttker den einflussreichen Medienpolitiker als Doktoranden empfohlen hatte, sieht die Angelegenheit allerdings etwas anders. Er habe gewusst, dass Eumann „bereits in der Magisterarbeit über dieses Thema geforscht hatte“, schreibt der ebenfalls emeritierte Journalistikprofessor in seinem Blog.
„Vorwurf läuft ins Leere“
„Es war für uns Gutachter unstrittig, dass sich Marc Eumann seiner Magisterarbeit bedienen konnte, soweit das für eine öffentliche wissenschaftliche Dissertation sinnvoll ist“, widerspricht Pätzold der Darstellung Pöttkers. Die „journalistische Meute“ habe sich verrannt, Eumann gehöre nicht in die Schusslinie. „Da man kein Dieb von sich selbst sein kann, läuft der Vorwurf des Plagiats ins Leere“, schreibt Pätzold. Anders als von ihm behauptet, handelt es sich bei dem Begriff „Selbstplagiat“ allerdings nicht um eine „im Falle Marc Jan Eumann geborene journalistische Wortschöpfung“.
Ein Blick in den „Ratgeber zur Verhinderung von Plagiaten“ der TU Dortmund hätte Pätzold eines Besseren belehrt. Unter den dort aufgeführten „Typen des Plagiats“ findet sich auch das „Selbstplagiat“, definiert als „Übernahme von eigenen umfangreichen Texten ohne Kennzeichnung, die bereits in anderen Examensarbeiten bzw. Publikationen verwendet wurden“.
Marc Jan Eumann sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. „Ich habe weiterhin keinen Zweifel, dass meine Dissertation eine inhaltlich substanzielle Erweiterung meiner Magisterarbeit darstellt“, ließ er am Freitag schriftlich mitteilen. „Und ich habe nicht getäuscht.“
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