Pläne von Justizministerin Lambrecht: Mehr Schutz vor Stalking
Die Bundesjustizministerin will Stalker:innen konsequenter verfolgen und vor Gericht bringen. Auch digitales Nachstellen soll strafbar werden.
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Stalking richtet sich meistens gegen Frauen, seltener aber auch gegen Männer. Studien zufolge werden elf Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben Opfer von Stalker:innen. Die Täter:innen rufen immer und immer wieder an, schreiben Nachrichten, forschen Betroffene aus oder diffamieren sie im Netz. „Das ist oft schrecklicher Psychoterror“, so Lambrecht. „Die Übergriffe reichen bis hin zu körperlicher und sexualisierter Gewalt.“
Am Mittwoch nun billigte das Kabinett einen Bericht des Bundesjustizministeriums, für den unter anderem Verbände befragt wurden, die mit Betroffenen oder Täter:innen arbeiten, außerdem die Justizverwaltungen der Länder. Der Bericht evaluiert die Situation von Stalkingopfern seit 2017, als der Straftatbestand zum vorerst letzten Mal neugefasst wurde. Seitdem habe sich der Opferschutz zwar verbessert, heißt es in dem Bericht. „Nach wie vor sind aber auch erhebliche praktische Probleme bei der Bekämpfung von Nachstellungen festzustellen“. Diese beträfen vor allem die hohen Hürden, Stalking zu verfolgen.
Lambrecht will deshalb schon in den kommenden Wochen einen Gesetzentwurf vorlegen, der diese Hürden senkt. So muss derzeit noch ein „beharrliches“ Nachstellungsverhalten nachgewiesen werden, das die Lebensgestaltung des Opfers „schwerwiegend“ beeinträchtigt. Nun soll das Wort „beharrlich“ durch „wiederholt“ und das Wort „schwerwiegend“ durch „nicht unerheblich“ ersetzt werden.
Die Strafe soll zwar weiter aus bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe bestehen. Zugleich sollen aber besonders schwere Fälle neugeregelt werden, bei denen der oder die Täter:in bis zu fünf Jahre ins Gefängnis muss. Darunter sollen zum Beispiel Fälle von Stalking über einen langen Zeitraum fallen oder Taten, durch die der oder die Täter:in die Gesundheit des Opfers schädigt.
Auch digitales Stalking, sogenanntes Cyberstalking, soll ausdrücklich unter Strafe gestellt werden. Der bessere Schutz hierbei spielt unter anderem im Bereich rechtsextremistischer Bedrohungen eine Rolle.
Wolf Ortiz-Müller von der Berliner Beratungsstelle „Stop Stalking“, die bundesweit einmalig sowohl mit Betroffenen als auch mit Täter:innen arbeitet, begrüßte Lambrechts Vorstoß. „Das Entscheidende für uns ist aber, dass der Strafverfolgungsdruck damit kombiniert wird, dass mit den Beschuldigten gearbeitet wird“, sagte er. „Es braucht beides.“ Die Istanbulkonvention, das Übereinkommen des Europarats gegen Gewalt gegen Frauen, gebe vor, derlei Programme aufzulegen. Ein Gesetzentwurf müsse das berücksichtigen.
„Wir nennen das ‚nachhaltigen Opferschutz‘“, sagte Ortiz-Müller: „Der oder die Betroffene ist erst dann wirklich geschützt, wenn der oder die Beschuldigte nicht nur bestraft wird, sondern auch mit den Taten aufhört.“ Eine Möglichkeit, das zu erreichen, sei etwa die Auflage, an einem Täterprogramm teilzunehmen. Ist der oder die Beschuldigte dazu bereit, könne das Strafmaß verringert oder das Verfahren eingestellt werden.
Stalking war erst 2007 unter Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) als eigener Straftatbestand eingeführt worden – dieser jedoch lief lange ins Leere. Noch 2013 wurden nur 236 Täter verurteilt, obwohl es laut Kriminalstatistik 19.775 Tatverdächtige gab – eine Verurteilungsquote von rund einem Prozent.
2016 beschloss das Kabinett deshalb einen Gesetzentwurf des damaligen Justizministers Heiko Maas (SPD). Auch dieser zielte wie die aktuell geplante Anpassung darauf, Opfer besser schützen und Täter:innen einfacher verurteilen zu können. Seitdem müssen Betroffene nicht erst nachweisen, beeinträchtigt worden zu sein, sondern die Handlung des Stalkings als solche ist strafbar.
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