Pläne für das Tempelhofer Feld: Großunterkunft wird noch größer
Gesetzesänderung für mehr Platz für Flüchtlinge auf dem Tempelhofer Feld muss nur noch durch Schlussabstimmung. Grüne scheitern mit Änderungsantrag.
Damit würde möglich, was CDU-Fraktionschef Dirk Stettner schon im Juni 2023 forderte: Flüchtlinge angesichts der überlasteten bisherigen Standorte auf dem früheren Flugplatz unterzubringen, der seit 2014 unter Veränderungsschutz steht. Weil CDU und SPD sich in ihrem Koalitionsvertrag offen für einen zweiten Anlauf zu einer Randbebauung zeigten, vermuteten Grüne und Linkspartei schnell einen Zusammenhang: Die Öffnung für weitere „Tempohomes“ genannte Wohncontainer werde als Türöffner für eine tatsächliche Bebauung genutzt.
Die Linkspartei-Abgeordnete Katalin Gennburg etwa fürchtete eine „Salamitaktik des Senats, mit der immer größere Teile des Feldes temporär bebaut werden sollen“. CDU und SPD wiesen das zurück, damals ebenso wie am Donnerstag im Ausschuss. Gennburg erinnerte im Ausschuss daran, dass der Schutz des Feldes auf den Volksentscheid von 2014 zurückgeht. „Dass Sie die Situation der Geflüchteten nutzen, um ein Volksgesetz auszuhebeln, ist, ehrlich gesagt, nicht okay.“
Nachdem er zuvor gegen eine aus seiner Sicht verfehlte Migrationspolitik ausholte, sprach auch der AfD-Abgeordnete Alexander Bertram vom „Aushebeln“ eines Volksgesetzes: „Da gebe ich der Kollegin Gennburg an dieser Stelle recht.“ Gennburgs sofortige Reaktion: „Bitte nicht!“
Wohncontainer seit 2017
Linkspartei-Politikerin Gennburg sieht abseits des Feldes ausreichend Platz. Berlinweit würden 1.000 Häuser leer stehen, zudem gebe es eine Million Quadratmeter ungenutzter Bürofläche und 70.000 Ferienwohnungen. Die ließen sich laut Gennburg zur Unterbringung von Flüchtlingen statt des geschützten Felds nutzen.
Die in der Gesetzesänderung ausgewiesene Fläche schließt an jenen Bereich im Nordosten des Feldes auf Neuköllner Seite an, auf dem seit 2017 Wohncontainer stehen. Auch das war durch eine zeitlich begrenzte Änderung des Feldgesetzes möglich geworden.
Sie sollten nach drei Jahren abgebaut werden, haben aber wegen der weiter fehlenden Wohnungen für Flüchtlinge eine Duldung durch den Senat. Im Herbst gab es Überlegungen, bei einer neuerlichen Gesetzesänderung auch die andere Feldseite längs des Tempelhofer Damms einzubeziehen. Davon findet sich im aktuellen Entwurf nichts mehr.
Weil die vorgesehene Ausweitung auch zwei Base- und Softballfelder umfasst, hatten die Grünen noch am Mittwoch kurzfristig beantragt, diesen Teil auszunehmen. Das hätte die vorgesehene Fläche etwa halbiert. Die Grünen sahen darin kein Problem: Zum Ausgleich dafür ließe sich das betonierte Vorfeld des Flughafengebäudes nutzen, das nicht unter das Feldgesetz fällt.
Das aber geht aus Sicht des Senats nicht, wie von Umweltstaatssekretärin Britta Behrendt (CDU) zu hören war: Es sei vorgesehen, das Vorfeld für soziale Infrastruktur zu nutzen – „die brauchen wir auch“. Behrendt wies auch die Grünen-Kritik zurück, durch die Container würde ein zu NS-Zeiten als Zwangsarbeiterlager genutzter Bereich beschädigt, der als Bodendenkmal eingestuft ist. Der Denkmalschutz sei in jeden Verfahrensschritt eingebunden gewesen.
Sportflächen sollen weichen – wohin auch immer
Statt die Fläche zu reduzieren, setzt die Koalition darauf, die Sportplätze nötigenfalls an anderer, nicht genau benannter Stelle auf dem Tempelhofer Feld neu zu errichten. Für den Grünen-Abgeordneten Julian Schwarze widerspricht das einer schnellen Verfügbarkeit für Container, die doch von der Koalition gewollt sei. Denn die bisherigen Plätze sollen offenbar erst weichen, wenn Ersatz da ist, was nach Schwarzes Schätzung ein bis zwei Jahre dauern kann.
Den Vorwurf, mit der Gesetzesänderung ein Einfallstor für eine spätere Randbebauung zu schaffen, wies die SPD-Fraktion klar zurück. Ihre umweltpolitische Sprecherin Linda Vierecke verteidigte allerdings, dass die Koalition zumindest grundsätzlich für eine Bebauung offen ist: Die jetzige Änderung – die bis Ende 2028 befristet ist – sei keine Vorentscheidung, sagte sie. „Aber es ist sinnvoll, nach einiger Zeit bei der Bevölkerung nachzufragen.“
Viereckes Fraktion hatte sich Ende Januar bei ihrer Klausurtagung in Leipzig dafür ausgesprochen, dass das Abgeordnetenhaus der Wählerschaft einen Volksentscheid vorlegen kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken