Pläne für ZDF-Intendanz: Verschlossene Szenen
ARD-Journalistin Tina Hassel könnte erste ZDF-Intendantin werden – wenn es nach dem „roten Freundeskreis“ im Fernsehrat geht. Schlecht wäre das nicht.
N atürlich müsste sich diese Kolumne eigentlich mit Tina Hassel beschäftigen. Sie ist Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, was schon ein ziemlich geiler Job ist. Bald könnte Hassel für eine ganz andere Nummer beim ZDF ins Rennen gehen. Das ZDF braucht nach Thomas Bellut, der 2022 als Intendant aufhört, eine neue geile Führungskraft. Hassel soll vom sogenannten „roten Freundeskreis“, also den SPD-nahen Truppenteilen im ZDF-Fernsehrat, als Kandidatin vorgeschlagen werden.
Bevor jetzt alle hämisch „ach, die gibt’s noch?“ rufen. Beim ZDF tut eben die alte Bundesrepublik so, als wäre sie noch in Ordnung und die SPD noch Volkspartei. Im Fernsehrat, dem Gremium, dass die Chef*innenetage wählt, gibt es die „Roten und die Schwatten“, und der Rest soll sich gefälligst einsortieren. Eine ZDF-Intendantin ist eh überfällig. Und dass es durchaus gelingt, männlich dominierte Anstalten zu schleifen, zeigt sich beim Bayerischen Rundfunk.
Solche Fernsehrats-Freundeskreise sind übrigens eine sehr verschlossene Szene, weil es sie offiziell gar nicht gibt und sie daher alles andere als öffentlich oder rechtlich sind.
Apropos öffentlich und geil. Klar, Hassel ist auch wichtig, aber viel lieber würde ich über andere Neuigkeiten und „Formate“ der Medienwelt schreiben. Denn was ein wirklich geiler Job in den Medien ist, hat eben auch eine Frau bewiesen. Nein, nicht im ARD-Hauptstadtstudio und auch nicht beim ZDF. Für einen dänischen Privatsender hat eine Radio-Journalistin aus einem Swinger-Club berichtet. Dort verkehrt ebenfalls eine sehr verschlossene Szene. Um der näher zu kommen, ging die Reporterin von Radio 4 nicht nur dem üblichen Vorher-Nachher-Geplänkel nach. Sondern machte hautnah und inklusive offenem Mikrofon mit.
Nicht zwei Sachen gleichzeitig
„Ein Interview beim Sex – starke Leistung! Das kann nur eine Frau bringen“, sagt die Mitbewohnerin, weil ein Mann nicht zwei Sachen gleichzeitig hinbekommt. „Aber er hätte es auch nicht veröffentlichen dürfen, weeste, #MeeToo und so.“
Aber neue Sexformate, lustvolle Reportagen und mehr weibliches Gespür täten dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirklich gut. Beim WDR gibt’s immerhin ab 17. Juni „Ohjaaa! – Sex lieben“ als Serie. Schließlich war die Pilotausgabe die meistgenutzte Sendung in der ARD-Mediathek im Bereich Dokumentationen und Reportagen in diesem Jahr.
Wie wär’s also damit, noch ein paar Tabus zu brechen? Offen und hüllenlos über Sex sprechen, auch in ARD und ZDF. Dann haben die Roten und die Schwatten gleich noch andere Peergroups neben sich. Und mit den neuen Reportage-Praktiken werden die Interviews aus den Hauptstadtstudios endlich lockerer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus