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Pläne des AgrarministeriumsÜberdüngung bald leichter gemacht

Die Bundesregierung plant: Bauern sollen nicht mehr errechnen müssen, wie viel Stickstoff und Phosphor sie in die Umwelt abgeben.

Darf es etwas mehr sein? Gülleausbringung auf Feld Foto: Imago

Berlin taz | Die Bundesregierung will eine wichtige Vorschrift gegen die umwelt- und klimaschädliche Überdüngung kippen. Dem Kabinett wird voraussichtlich am Dienstag ein Vorschlag von CSU-Agrarminister Alois Rainer vorliegen. Demnach sollen Bauern per Verordnung von der Pflicht befreit werden, eine „Stoffstrombilanz“ zu erstellen.

Solche bisher für manche Höfe vorgeschriebenen Berechnungen zeigen, wie viel Pflanzennährstoffe der einzelne Betrieb in die Umwelt abgibt. Mithilfe der Stoffstrombilanz könnten Höfe sanktioniert werden, die zu hohe Nährstoffüberschüsse verursachen. Rainers Ministerium hält die Vorschrift einem Sprecher zufolge für eine „unnötige bürokratische Last“.

Landwirte bringen laut Umweltbundesamt im Schnitt pro Jahr und Hektar rund 80 Kilogramm Stickstoff etwa in Gülle oder Mineraldünger mehr aus, als ihre Pflanzen aufnehmen. Dieser Nährstoff-Überschuss schadet Klima, Grundwasser und Artenvielfalt. An vielen Messstellen wird der Grenzwert von 50 Milligramm der potenziell gesundheitsschädlichen Stickstoffverbindung Nitrat pro Liter Grundwasser überschritten. Dabei wird aus Grundwasser das meiste Trinkwasser gewonnen. Die Emissionen aus Phosphordünger belasten den ökologischen Zustand der Meere.

Doch Rainers Ministerium will die obligatorische Stoffstrombilanz einem Verordnungsentwurf zufolge streichen. Denn CDU/CSU und SPD haben auf Druck des Bauernverbands in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, auf dieses Instrument zu verzichten. Es bringe für die Landwirte Bürokratie, aber keinen Fortschritt für die Umwelt, argumentiert die Organisation. Tatsächlich ist der bürokratische Aufwand für die Bauern überschaubar. Der Nationale Normenkontrollrat hat errechnet, dass die Unternehmen 4,8 bis 5,3 Stunden für die Aufstellung der Bilanz aufwenden müssten – pro Jahr.

Interesse an Überdüngung

Die anderen Regeln würden nicht reichen, um die Überdüngung genügend zu reduzieren, sagt der Kieler Agrarprofessor Friedhelm Taube, der sich seit Jahren mit dem Thema befasst. Denn sie würden oft höhere Düngermengen erlauben, als für die Pflanzen nötig. Außerdem seien diese Regeln zu „manipulationsanfällig“. Manche Landwirte haben ein Interesse an Überdüngung, weil sie so beispielsweise die großen Mengen Gülle aus Schweineställen auf dem Feld entsorgen können.

Taube plädiert deshalb dafür, die Stoffstrombilanzverordnung zu verbessern statt sie aufzuheben. Die deutsche Umwelthilfe springt Taube bei: „Ohne eine wirksame Stoffstrombilanz können die Verursacherinnen und Verursacher für Belastungen nicht ermittelt werden und die Grenzwerteinhaltung wird somit noch unwahrscheinlicher.“

Ob Rainer die Stoffstrombilanz per Verordnung überhaupt abschaffen kann, ist umstritten. Die Umwelthilfe meint: Nein, das Verfahren „hätte aller Voraussicht nach bei einer rechtlichen Prüfung keinen Bestand.“ Tatsächlich steht im Düngegesetz nur, dass das Agrarministerium die genauen Vorschriften über die Stoffstrombilanz mit Zustimmung von Bundestag, Bundesrat und Umweltministerium „erlässt“. Dort steht nicht, dass es die Vorschriften aufheben darf – schon gar nicht ohne das Parlament. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe sagt deshalb: „Wir werden alle rechtlichen Mittel prüfen“.

Das Agrarministerium dagegen schreibt der taz, sowohl Justiz- als auch Innenministerium hätten bestätigt, dass aus ihrer Sicht weder die Zustimmung des Bundesrats noch die Beteiligung des Bundestags erforderlich sei. Das Umweltministerium bekannte sich zu der Vereinbarung im Koalitionsvertrag.

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17 Kommentare

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  • Es gibt kaum einen korrupteren Berufszweig wie die Landwirtschaft. Von der Spitzenpolitik bis hin zum Dorfoberhaupt in Hintertupfingen wird gemauschelt, geschmiert und gelogen. Mit dem derzeitigen - natürlich - CSU-Landwirtschaftsminister wird es noch schlimmer werden. Angekündigt hat er das ja schon. Verbraucher hätten übrigens durchaus die Macht, diesen Typen, die Umwelt und Klima ruinieren, in die Suppe zu spucken. Aber ach, die Geiz ist Geil Mentalität überwiegt leider. Die und Bequemlichkeit.

  • Man kann nicht einfach behaupten das jetzt pauschal mehr Gülle/Mist von Rindern und Schweinen ausgebracht wird, hier muss man sich auch die Tierbestände in Deutschland ansehen. 2024 wurden rund je 4 Millionen Rinder und Schweine weniger in Deutschland gehalten als im Jahr 2000. ( view.officeapps.li...dOrigin=BROWSELINK ), das sind 28% weniger Rinder und 18 % weniger Schweine innerhalb 24 Jahren. Wie verfälscht das Bild der Landwirtschaft heute dargestellt wird (Massentierhaltung) zeigt die Anzahl der Rinder in Deutschland im Jahre 1900, damals gab es rund 8 Millionen Rinder mehr in Deutschland als heute. Also bitte alle Fakten nennen bevor man pauschal verurteilt !!

    • @Günter Witte:

      Ich glaube eher, dass das Bild der Landwirtschaft dank der Pressearbeit der Verbände eher zu gut dargestellt wird. Das Gülleproblem zu leugnen, fällt zumindest in den Gebieten, wo man wirklich überall aberwitzig große Megaställe sieht (z.B. im so genannten Gülledreieck bei Vechta, im Cloppenburger Land, in der Grafschaft Bentheim und im Münsterland) schwer. Abgesehen vom Niedergang der Wiesenvögel, an dem die Landwirtschaft einen sehr großen Anteil hat, ist die durch die Güllefracht verursachte Zerstörung der Lebensräume nährstoffärmerer Biotope und die Eutrophierung der Gewässer auf dem Deckel der Landwirte. Die könnten mit den dafür bereit stehenden Ökologen sicher gute Lösungen finden, diese Missstände abzustellen. Tun sie aber nicht, weil Treckerparaden wohl einfacher durchzuführen sind, als etwas nachhaltig zu verbessern.

  • Ist bestimmt wieder wichtig für die Nahrungsmittel Sicherheit.



    Wenige die sich wieder auf Kosten von Gesundheit und Umwelt



    bereichern wollen.



    Aber zurück in die Vergangenheit zu mehr taugt dieses CDU/CSU nicht. Wird aber leider trotzdem gewählt.

  • Deregulierung unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus mal wieder.

    Dummerweise hat diese Industrie, die um kurzfristigen Profit zu maximieren unser Wasser und unsere Böden zerstört, also unsere Lebensgrundlage, jetzt direkt einen Lobbyisten in der Regierung platzieren können.

  • "Die Bundesregierung plant: Bauern sollen nicht mehr errechnen müssen, wie viel Stickstoff und Phosphor sie in die Umwelt abgeben."



    Genau genommen schafft die BR die Planung hier ja ab.



    In den achtziger Jahren hatte ich in einem Praktikum beim Gesundheitsamt des Kreises Steinfurt das zweifelhafte "Vergnügen", auf Tour mit technischen MitarbeiterInnen Wasserproben aus der Eigenwasser- Versorgung von Höfen im Münsterland zu entnehmen, deren Analyse im Labor bereits damals sehr hohe Nitratwerte als Folgen der Überdüngung ergab. Konsequenz: Für die Nahrungsmittel-Zubereitung örtliches Brunnenwasser !dringend vermeiden, speziell für Kinder.



    Das Problem ist seit vierzig Jahren virulent.



    www.nabu-muenster....t-im-muensterland/

  • Dafür wählen Landwirte die Union, Gewinnmaximierung auf Kosten der Umwelt und Gesundheit. In der Praxis stellt es sich heute schon so dar:



    Die Gülle wird über dutzende Kilometer herangekarrt und gegen Bezahlung auf fremden Feldern verteilt, weil dort, wo sie anfällt, die Böden derart überdüngt sind, dass sie nicht mehr ausgebracht werden kann. Nachdem die Böden bis an das Maxium damit getränkt sind, wird vorzugsweise Mais als Futtermittel oder für "Biogasanlagen" angebaut.



    In der Folge sind die Wasserpreise erheblich gestiegen, da die lokalen Brunnen so mit Nitrat belastete sind, dass der Versorger unbelastetes Wasser zukaufen muss, um die Grenzwerte einzuhalten.



    Die Profiteure sind einzig und allein wenige Großbetriebe.

    • @Flix:

      "Die Gülle wird über dutzende Kilometer herangekarrt und gegen Bezahlung auf fremden Feldern verteilt..."

      Nicht dutzende Kilometer. Es sind längst hunderte Kilometer.

    • @Flix:

      Die Wasserkosten sind in den letzten 20 Jahren immer im Bereich der normalen Inflationsrate gestiegen. Nitrat kann da keinen großen Einfluss gehabt haben. Es werden immer hohe "was-wäre-wenn-Kalkulationen" verbreitet, die aber in der Realität nicht eingetroffen sind. Oft bleibt beim Leser aber hängen das es die Kosten wirklich schon gibt oder die kurzfristig kommen.

    • @Flix:

      Der hessische Bauernverband hatte ja auch schon die Idee, wie man das Problem lösen könne. Die haben allen ernstes vorgeschlagen die Anzahl der Meßstellen u.a. für Nitrat zu verringern.



      Da weiß man gleich welch geistigen Kinds die sind. Leider fallen solche Ideen bei der CDU auf fruchtbaren Boden.

    • @Flix:

      ... und die kleinen Betriebe merken nicht wie sie vom Bauernverband vor deren Karren gespannt werden. Letztlich vererben sie ihren Kindern einen kaputten Betrieb, welcher nur überleben kann, weil sie von Subventionen leben.

    • @Flix:

      Leider ist es genau so. Und wenn sich Klima-/Umweltalktivisten dagegen mit friedlichen (!) Mitteln zur Wehr setzen, dann ist das eine Klima/Umwelt-RAF - die gewalttätigen Proteste der Agrarier (oder Aggrorier?) werden hingegen als "freie Meinugsäußerung" abgetan und - führen zum Erfolg, schließlich geht es um Profite und nicht so'n Pillepalle wie Umwelt oder Klima....

      • @Perkele:

        Die Bauernlobby tut ja alles das die Bauern trotz dieser Schweinereien gut da stehen.



        Im Zweifel wird mal immer wieder die Nahrungsmittelsicherheit hervorgekramt. Es wird ja bei den meisten Teile der Bevölkerung nicht kritisch nachgefragt. Hauptsache billig.

  • Gut gemeint und trotzdem sinnlos.

    1) Wer liest eigentlich diese Bilanz regelmäßig und kontrolliert sie?



    2) Wie wollte man jemals nachprüfen, ob die Angaben stimmen? Ist die Gülle erst auf dem Acker, kann man alles in die Bilanz schreiben.

    Vorschriften die sich auf dem Papier gut lesen, in der Praxis aber weder kontrolliert noch eingehalten werden, machen keine Sinn.

    • @Hans Dampf:

      Landwirte müssen angeben, wie viele Schweine usw. sie haben. Daher wissen die Ämter wie viel Gülle anfällt.



      Wer nicht genug Land hat, sie auszubringen, muss nachweisen, wo er sie hingebracht hat.



      Wer Gülle und oder andere Dünger zukauft, hat auch Zahlen in den Unterlagen, für die er sich rechtfertigen muss.



      Das Zeug heimlich auszubringen funktioniert daher nur, wenn man auch zahlreiche andere Vorschriften missachtet. Irgendeine davon sollte bei einer Prüfung doch wohl zu einem Alarm führen.



      Wenn nicht, taugt keine einzige Regelung in der Landwirtschaft etwas.

    • @Hans Dampf:

      1) Na hoffentlich die Subventionsgeber.



      2) So allgemein wird zur Gülle/Mistdüngung auch noch mit den Erzeugnissen der chemischen Industrie mehr als "nachjustiert". Und der ganze Spaß jetzt wieder ohne Moderation, aber mit bedingungslosen Subventionen. Finde den Fehler.



      Das was heute aufm Acker landet, ist tw. übermorgen in den Gewässern incl. oberflächennahem Schichtenwasser und tw. in Jahrzehnten im Grundwasser. Heutige Meßstellen zeichnen die Düngungsgeschichte bis ca. 1990 auf.

      • @Hugo:

        Deutschland ist das einzige Land, in dem zwingend nur oberflächennahes Grundwasser geprüft wird. D.h. die Werte verringern sich noch bei der Wanderung in tiefere Schichten durch natürlichen Nitratabbau.



        Da seit 1990 die Stickstoffüberschüsse deutlich reduziert wurden, werden die Nitratwerte im Grundwasser auch weiterhin noch sinken. Das tun sie aktuell schon.