Plädoyer im Prozess gegen Franco A.: Ein Terrorist, kein Sinnsuchender

Seit einem Jahr wird gegen den Bundeswehroffizier wegen Terrorvorwürfen verhandelt. Die Bundesanwaltschaft fordert sechs Jahre und drei Monate Haft.

Franco A. mit Bart und Zopf spricht mit Journalisten

Der Angeklagte Franco A. spricht zu Prozessbeginn mit Journalisten Foto: Andreas Arnold/picture alliance

FRANKFURT AM MAIN taz | Zu Beginn drückt sich die Vertreterin der Bundesanwaltschaft ziemlich umgangssprachlich aus. „Hoher Senat, meine Herren Verteidiger“, sagt Staatsanwältin Karin Weingast, „wären wir nicht in einem Gerichtssaal, würde ich den Angeklagten schlicht einen Lügner und Betrüger nennen.“ Franco A.s Aussagen seien nicht glaubhaft, das habe die Beweisaufnahme hinlänglich gezeigt.

Weingast führt gleich zu Beginn einige erwiesene Falschaussagen an, um zu zeigen: Auch A.s Beteuerungen, er sei ein friedlicher Sinnsuchender, dürfe man nicht glauben. Der 33-Jährige sei vielmehr ein rechtsradikaler Terrorist, der den festen Entschluss gehabt habe, aus einer völkisch-nationalistischen und antisemitischen Gesinnung heraus einen Anschlag gegen Politiker oder andere Personen des öffentlichen Lebens zu begehen. Die Bundesanwaltschaft sieht die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ als erwiesen an, ebenso unter anderem Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz sowie Betrug. Die Forderung der Anklagebehörde: Sechs Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe.

Seit Mai 2021 verhandelt der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main diesen Fall, der seit seinem Auffliegen 2017 für viel Aufsehen gesorgt hat. Der Bundeswehroffizier Franco A. hat mehr als ein Jahr lang eine doppelte Identität als syrischer Flüchtling geführt und sich Waffen und Munition verschafft, darunter ein Schnellfeuergewehr G3. Er hat sich in dieser Zeit auch mit anderen Preppern des Hannibal-Netzwerks vernetzt. Aufgeflogen ist er, weil er im Wiener Flughafen eine geladene Pistole aus einem Versteck holen wollte. „Die Tatvorwürfe haben sich in vollem Umfang bestätigt“, sagt Staatsanwältin Weingast. Dass Franco A. bis heute niemandem etwas antun konnte, sei allein einem glücklichen Zufall und der Ermittlungsarbeit zu verdanken.

Keine Erklärung für die Waffe

Weingast liest das Plädoyer ab. Zur Herkunft seiner Waffen und Munition habe Franco A. „abstruse Geschichten“ erzählt, sagt sie. Die Bundesanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass Franco A. die Pistole vom Wiener Flughafen ein halbes Jahr zuvor in Paris gekauft hatte. Darauf verweise eine Indizienkette, allen voran die Modellbezeichnung „Rr“ in seinem Smartphone-Kalender, für die es keine andere Erklärung gebe. Franco A. hatte dagegen behauptet, er habe die Waffe beim Pinkeln im Gebüsch gefunden. Diese Geschichte hielt er vor Gericht nicht ernsthaft aufrecht, ohne aber eine andere Erklärung zu liefern. Den Besitz der weiteren Waffen hat Franco A. vor Gericht zugegeben. Er will sie sich zur Verteidigung im Fall eines russischen Angriffs oder eines Bürgerkriegs verschafft haben.

In ihrem Plädoyer verwendet die Vertreterin der Bundesanwaltschaft 20 Minuten darauf, Franco A.s Gesinnung zu schildern. Sie betont, dass diese als solche nicht strafbar sei. Doch sie sei „Triebfeder seines geplanten Anschlags“ gewesen. Sie zitiert Aussagen wie „Migration bedeutet Genozid“, „Zionismus als Wurzel des Übels“ und „Hitler steht über allem“. Aus seiner Ideologie heraus habe Franco A. ein „politisch wirksames Zeichen“ setzen wollen „gegen das Konstrukt des Staates, dessen Gesetze null und nichtig“ seien. Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass es ihm nicht mehr darum ging, ob er einen Anschlag begehen wollte, sondern nur noch, wie.

Dazu führt die Staatsanwältin viele Notizen und Sprachmemos als Indizien an. Auf einem Zettel stand: Molotowcocktail herstellen, Handgranate, Sprengung des Rothschildt-Steines in Frankfurt. Es dränge sich zwar auf, dass Franco A. seine Anschläge unter der Identität als Flüchtling begehen wollte, aber am Ende sei das nicht entscheidend. Entscheidend sei, dass sich seine Gewalt nicht gegen Sachen richten sollte, sondern gegen Menschen. Und im Falle von Anetta Kahane, der damaligen Vorsitzenden der Amadeu-Antonio-Stiftung, habe er ein mutmaßliches Opfer bereits ausspioniert. Als belastend wertet die Bundesanwaltschaft auch Franco A.s „Teilschweigen zu offen gebliebenen Fragen“.

Jenseits des Gerichts würde man Franco A. einen „Lügner und Betrüger“ nennen, sagt die Anklägerin

Franco A. verfolgt das Plädoyer in einem burgunderfarbenen Hemd regungslos, er blickt nach unten. Seit Februar sitzt er wieder in Haft, nachdem er mit NS-Devotionalien erwischt wurde. Für Freitag ist das Plädoyer der Verteidigung geplant. Das Urteil soll am 5. Juli fallen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

Hannibals Schattennetzwerk

Hintergründe zum Prozess gegen Franco A.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Alle Artikel zum Thema

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.