piwik no script img

Plädoyer für Open AccessOffener Zugang wird Regel

Der Wissenschaftsrat gibt Empfehlungen für Nutzung von Open Access-Texten ab. Der Zugang zu Fachartikeln wird nun einfacher und günstiger.

Wissenschaftliche Informationen sollen fortan günstig und einfach zugänglich sein Foto: imago-images

Berlin taz | Im wissenschaftlichen Publikationswesen läuft eine Revolution ab – im Wortsinne: die Verhätnisse werden auf den Kopf gestellt. Die Umwälzung trägt den Namen „Open Access“: ein offener Zugang zu wissenschaftlichen Informationen. Mussten Forscher früher zur Veröffentlichung ihrer Ergebnisse in Magazinen und Bücher die geistigen Eigentumsrechte an die Wissenschaftsverlage abtreten und die Bibliotheken ihrer Hochschulen die Printprodukte dann für teuer Geld erwerben, so hat sich durch die Digitalisierung die Publikationswelt völlig umgedreht.

„Der Lesezugriff kann heute für alle kostenlos über das Internet ermöglicht werden, sodass wissenschaftliche Einrichtungen für den Zugang zu Forschungsliteratur keine Lizenzgebühren mehr zahlen müssen“, beschreibt die Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Dorothea Wagner, den Wandel. Der Rat hat jetzt Empfehlungen zur weiteren Gestaltung des Open-Access-Prozesses vorgelegt. Eine Forderung: Die Kosten für die Onlineveröffentlichung sollen bereits in das Budget des Forschungsprojektes einbezogen werden. So kann für Nutzer ein kostenfreier Zugang ermöglicht werden.

Früher waren die Verlage quasi die „wissenschaftlichen Königsmacher“: Das Renommee ihrer Fachzeitschriften entschied darüber, ob ein Autor mit seinen dort veröffentlichten Aufsätzen eine Karriere einschlagen konnte oder nicht. Weil das Copyright aber nun bei den Wissenschaftlern verbleibt und der Aufwand für Druck von Zeitschriften und Büchern entfällt, „übernehmen Verlage durch die Transformation die Rolle von Publikationsdienstleistern, die mit anderen Anbietern in Konkurrenz treten“, erklärte Wagner.

Ein weiterer Open-Access-Vorteil für die Wissenschaft ist die frühere Veröffentlichung und die gewachsene Reichweite. So erhöhte sich in Deutschland die Zahl der Open-Access-Journale von 150.000 im Jahre 2011 auf 230.000 in 2020. Die Ausgaben der Bibliotheken für nicht elektronische Zeitschriften und Zeitungen gingen laut Wissenschaftsrat zwischen 2015 und 2020 um 35 Prozent auf 31 Millionen Euro zurück.

Finanzierungsmodell für Open-Access-Welt

Die Hochschulen, so ein weiterer Vorschlag, sollen „transparente Informationsbudgets erstellen“, um sich damit ein Gesamtbild ihrer Ausgaben zu verschaffen. „Auf dieser Grundlage kann das Finanzierungssystem für eine reine Open-Access-Welt gestaltet werden“, erwartet der Wissenschaftsrat.

Nur bedingt planbar ist der technische Wandel. Es zeichnet sich ab, dass auch die Vorstufen des fertigen Forschungsaufsatzes, der Preprint, und der zugrunde liegende „Datenrohling“ eine immer stärkere Rolle spielen. Ebenso die Auswertung mittels künstlicher Intelligenz, was eine Maschinenlesbarkeit verlangt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Diese Verfügbarkeit von Wissen ist nicht nur im wissenschaftlichen Bereich. Die Entwicklung von Wikipedia zeigt doch einige Aspekte auf. Wikipedia musste irgendwann eine "non profit" Kontrollstruktur einführen. Der Ansatz von Open Access muss aber auch mit den wirtschaftlichen Interessen der Autoren, Veröffentlichern und Auditoren in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden. Die Drittmittelforschung führt heute schon dazu das öffentliche finanzierte Forschung vermarktet wird. Das gilt auch für Gesetze, Verordnungen und zB Normen. Gesetze und Verordnungen sind zwar verfügbar aber schlecht aufbereitet oder sortiert. Diese Dienstleistung machen dann Unternehmen, die auch bezahlt werden wollen. Bei DIN Normen ist der Spezialfall, dass die Erstellung privatwirtschaftlich organisiert ist. Die Erstellung ist mit sehr viel Aufwand verbunden, da der Staat hier kaum unterstützt. Das starke wirtschaftliche Interesse tut aus meiner Sicht der Normenentwicklung nicht gut. Durch Global Player wird die Standardisierung uninteressant, da diese die Vergleichbarkeit und das Zusammenwirken mit Mitbewerbern nicht interessiert. Durch die Allgemeine Spezialisierung bzw Erhöhung der Komplexität, wird es wichtiger Weiterentwicklungen anzustoßen, die die entstehenden Einzelinteressen ordnen.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Schön, die Bibliotheken sparen. Aber wenn man einen Artikel Open-Access publiziert ist man mit mehr als tausend Euro dabei. Das übernimmt bei uns - die Landesbibliothek.



    Der Profit bleibt.

  • Das ist doch ein alter Hut. daran ist nichts Neues.

    Solange sich ein Wissenschaftler ein paar Hundert Euro pro Jahr dazu verdienen kann, warum sollte er das machen? Niemand wirft einfach ml so 2.000 Euro von der VG Wort im Jahr weg. Dann tickt das System so, dass die Autoren ihre Studenten in Seminaren drängen, das jeweilige Buch als Basisliteratur zu kaufen. Davon profitieren wiederum die großen Verlage wie Springer. Und zurück geht es auf Los zu VG Wort.

    Fürderhin unterstützen die Fachgesellschaften dieses System, indem Fachzeitschriften klassifiziert werden, also must have, als Schritt auf der Karriereleiter - oder eben darunter. Open Access ist nie darunter.

    Damit man mich nicht falsch versteht. ich rede das bestehende System nicht schön. Universitäre Forschung ist mit Steuermitteln bezahlt. Wozu also ein zweites Mal bezahlen und dass Wissenschaftsvermittler wie Springer Link den goldenen Reibach damit machen?

    Es gibt allerdings auch derart viel Schmu mit Veröffentlichungen, dass sich - gerade in Osteuropa - eine Konferenzszene etabliert hat, bei der es nur darum geht, dass der Veranstalter Geld verdient. Der wissenschaftliche Mehrwert interessiert dabei nicht. In den Postfächern von Wissenschaftlern sind sogenannte "Virtual Conferences" so normal wie Spam für Viagra für den Normalnutzer des Internets.

    Wenn Open Access erfolgreich sein soll - und das wünsche ich ihm von ganzem Herzen - müssen Qualitätssicherungsmaßnahmen erstellt werden, die denen der großen Fachzeitschriften standhalten. Das ist in erster Linie eine Kostenfrage, ohne Personal geht das nicht. Heißt: auf Open Access kämen strukturelle Anforderungen zu, die das bisherige System, wo Mitglieder von Fachgesellschaften bisher die Arbeit pro bono leisten. Dann sind meiner Meinung nach die Fachgesellschaften der Schlüssel zum Erfolg. Sie entscheiden, welche Publikation welches Ansehen hat. Das ist dann aber eine internationale Aufgabe.

  • Man müsste mal recherchieren wie sich das Abzockemodell eigentlich soweit ausbreiten konnte.

    Aber mit der Veröffentlichung der Gesetze und Verordnungen und natürlich auch den DIN-Normen wird ja heute noch eine Abzocke par excellence betrieben.

    Höchste Zeit den Sumpf mal auszutrocknen.

  • "Früher waren die Verlage quasi die „wissenschaftlichen Königsmacher“: Das Renommee ihrer Fachzeitschriften..:"

    Das bleiben sie auch weiterhin.

    Gerade die Zunahme auf 230.000 (!!) open access Zeitschriften zeigt, dass das eben auch ein gewaltiges Marktpotential ist. Die Zeitschriften buhlen um die Veröffentlichungen = Einnahmen und daher werden sie tendenziell eher auch schwächere Veröffentlichungen annehmen. Die Position die wirklichen Top-Journals wird durch das open access Modell mindestens mittelfristig nicht in Frage gestellt.

    Open access bedeutet aber auch, dass Wissenschaftler ohne Publikationetat im Nachteil sind. Daher werden es Wissenschaftler aus den großen Forschungseinrichtungen, MPI etc, leichter haben, open access zu publizieren.

    Ansonsten ist es ein rechte Tasche, linke Tasche Problem. Früher wurden Mittel für Bibliotheken bereitgestellt, heute für die Forschenden zum publizieren. Wobei der Raubtiermechanismus eher mit OA gefördert wird, da nun die Bibliotheken als Korrekturfaktor ausfallen.

    • 4G
      47202 (Profil gelöscht)
      @fly:

      Diese ganze Publikationsmaschinerie ist längst aus dem Ruder gelaufen.



      Wer bei Nature einen Artikel platzieren kann, ist der König.



      Ansonsten versuchen alle sich auf alle möglichen Publikationen sich als Autor mit einzutragen, obwohl sie gerade mal anwesend waren, sonst nichts.



      Grund: Der h-Index ist eine Kennzahl für die weltweite Wahrnehmung eines Wissenschaftlers in Fachkreisen. Die Kennzahl basiert auf bibliometrischen Analysen, d. h. auf Zitationen der Publikationen des Wissenschaftlers.



      SCHAFFT DIESEN UNSINN AB!

    • @fly:

      Falsch, das Problem war ganz einfach die Geldgier der paar Wissenschaftsverlage. Jährliche Preissteigerungen irgendwo im Bereich von 3-X%, und das über Jahre, machten eben am Ende nicht viele Universitäten klaglos mit.

      Und da sagten sich dann die Unis eben: die machen mit unserer Forschung Geld, also machen wir unsere eigene Publikation und hebeln die Verlage aus.

      Eine ganze Reihe, auch gut finanzierter Forschungseinrichtungen, hat in den letzten Jahren da harte Schnitte vollführt. Die Max-Planck-Gesellschaft z.B. Elsevier rausgeworfen, Harvard ebenso und naja. Wenn schon die nicht wollten, was ist dann erst mit dem Rest...

    • @fly:

      OA ist in der Theorie gut, aber in der Praxis sind NoName-OA Journal ein großes Problem. Wenn erablierte Verlage gezwungen sind auch OA anzubieten, dann ist das besser. Noch besser wäre es Mindestlohn-Zwang für Reviewer einzuführen. In anderen Bereichen werden soziale Standards länderübergreifend gefordert, warum hier nicht? Zumal die Gesamtzahl der qualifitierten Reviewer in den meisten Bereichen eher nicht wächst.



      Der Wettbewerb zwischen OA Journal kann nicht gewollt sein, wirkt er auf die Qualität der Publikationen negativ.

      • @Terraformer:

        Trage selbst einen Doktortitel und bin vehement gegen eine Bezahlung für Reviewer. Was mein Traum ist bezüglich der Reviewer ist, dass alle Versionen des Manuscriptes sowie alle Review comments die bis zur Publikation eingreicht werden, öffentlich einsehbar sind.

        Dem guten Reviewer, der gut gemeinte Verbesserungen oder der gleichen anmerkt, dem kommt das zu gute. Man sieht den Namen und die relevante Konitrbution. Liegt hingegen Machtmissbrauch des Reviewers vor - im jetzigen Business kommt das leider öfter vor als man mag - ist auch dieser öffentlich einsehbar und sollte weniger attraktiv werden.

        Um zum Thema zurückzukommen, ich halte Open Access für gut. Wir haben weite Teile der Welt, welche sich den Zugang zu Publikationen nicht leisten können. Seid ich kein Uniprojekt mehr habe und keinen Unizugang, trifft dies auch auf mich zu. Gab schon die eine oder andere Publikation, die ich gerne mal gelesen hätte, aber nicht konnte, weil ich dann doch neben Kosten für Open Source nicht noch kosten für das lesen von Publikationen aufbringen wollte.

  • Hoffentlich ist Aaron Swartz nicht umsonst gestorben!



    yewtu.be/watch?v=9vz06QO3UkQ



    The Internet's Own Boy: The Story of Aaron Swartz (2014)

    • @Yvvvonnne:

      Was hat das mit dem Thema Open Access zu tun?

      • @Terraformer:

        Herr Swartz hat im Namen des freien Zugangs zu wissenschaftlichen Publikationen Artikel, für die seine Uni die Lizenzen entrichtet hatte, illegalerweise kopiert, um sie im Internet frei zugänglich zu machen. Dafür sollte ihm der Prozess gemacht werden, wodurch im im worst case eine Haftstrafe von mehreren Jahrzehnten drohte. Vor dem Prozess hat er sich das Leben genommen.

  • Ich habe noch nie verstanden, warum ich den Journals die -mit öffentlichen Mitteln generierten- Daten selbst nach deren strengen Regeln layouten sollte, damit dann andere Wissenschafter (deren Jobs ebenfalls aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden) unentgeltlich in ihrer Freizeit das Peer-Review machen und das Institut, das mir -mit öffentlichen Mitteln- die Ressourcen zur Verfügung gestellt hat um das Paper zu schreiben für teuer Geld beim Journal den Zugang zu genau diesem Paper kaufen muss... Ganz zu schweigen von der Öffentlichkeit, die das alles bezahlt hat und dann pro Paper latzen darf.



    Da kriegt man als Wissenschaftler echt Ausschlag... Wird höchste Zeit, dass das endlich abgeschafft wird.