Pkw-Vorfall bei Karnevalszug: Das Fragezeichen
Noch immer ist das Motiv ungeklärt, warum ein Mann in Volkmarsen in einen Karnevalszug fuhr. Das könnte es vorerst auch bleiben.
Aber die Lage ist diffiziler. Denn auch am Dienstag noch sprechen Polizei und die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft von einem ungeklärten Motiv des noch vor Ort festgenommenen 29-Jährigen, eines Deutschen aus Volkmarsen. Der Mann, der selbst verletzt wurde, sei weiter nicht vernehmungsfähig. Ermittelt werde wegen eines versuchten Tötungsdelikts – „in alle Richtungen“.
Eine politische Tat? Eine Tat im Wahn? Eine unter Drogeneinfluss? Betrunken sei der Festgenommene nicht gewesen, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft am Dienstag. Ein Drogeneinfluss werde noch geprüft. Sonst sei alles offen.
Tatsächlich liegt, anders als in Hanau oder davor beim Attentat in Halle, bislang kein Bekennerschreiben vor. Auch soll der Festgenommene laut Medienberichten den Behörden bisher nicht als Extremist aufgefallen sein. Aktenkundig sei er wegen Nötigung, Beleidigung und Hausfriedensbruch. Zu Vorerkrankungen wurde bisher nichts bekannt. Auch dies prüfen nun die Ermittler.
Immer wieder Pkw-Vorfälle
Die Unklarheit, wie solche Taten einzuordnen sind, gibt es indes nicht erst jetzt. Sie war etwa auch Anfang Oktober 2019 da, als in Limburg ein Syrer einen Lkw kaperte und damit ungebremst in mehrere Fahrzeuge fuhr. Acht Menschen wurden verletzt. Auch dort wurde anfangs eine Terrortat geprüft – das Vorgehen passte zu islamistischen Anschlägen in Nizza oder auf dem Berliner Breitscheidplatz. Verbindungen des Beschuldigten in die islamistische Szene aber fanden Ermittler nicht, sie kamen letztlich zum Schluss: Es war kein Terror, sondern die Tat eines psychisch Kranken. Das LKA gab die Ermittlungen wieder an die Limburger Polizei ab.
Oder Bottrop in NRW. Anfang 2019 war dort ein 50-Jähriger mit einem Auto in mehrere Menschengruppen gefahren, die er für Migranten hielt. 14 Personen wurden verletzt. In seiner Vernehmung hatte der Mann über „Kanaken“ gewettert, die nicht ins Land hergehörten. Dies ließ zunächst eine Einordnung als politische Tat zu: Der Täter habe bewusst Migranten zum Opfer erwählt, wohl auch aus einem gesellschaftlichen Klima heraus, in dem diese als Bedrohung markiert würden. „Es gibt keine Krankheit, die zu Angriffen auf People of Color führt“, sagte der Soziologe Matthias Quent. Und für die angegriffene Opfergruppe bleibe die Botschaft des Hasses, bleibe die Angst.
Das Essener Landgericht jedoch verneinte im Dezember 2019 eine Terrortat: Der Beschuldigte sei schuldunfähig, leide seit Jahren unter paranoider Schizophronie. Er habe in einem Krankenheitsschub gehandelt, ohne Einsicht, was er dort tue. Der 50-Jährige wurde in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen.
Die Frage: Hatte die Tat politische Ziele?
Die Frage nach dem Terror bleibt daher stets: Diente die Tat der Durchsetzung politischer Ziele? Wurden die Opfer gezielt ausgewählt, auch um damit eine Botschaft an eine größere Bevölkerungsgruppe zu senden? Verstand sich der Täter als Handelnder einer Ideologie oder eines Netzwerks, und sei es nur virtuell? Wenn ja, dann kann man von Terror sprechen.
In Volkmarsen aber bleibt all das noch ungeklärt. Auch ein zweiter Festgenommener wurde von der Polizei nur festgesetzt, weil er ein Gaffervideo filmte. Was bleibt, sind laut Generalstaatsanwaltschaft 52 Verletzte, im Alter von 2 bis 85 Jahren, davon 18 Kinder. 17 Personen befänden sich noch im Krankenhaus.
Warum ihnen dieses Leid zugefügt wurde, darüber aber könnte es womöglich noch einige Tage Unklarheit geben.
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