Pflegepersonal aus Brasilien: Werbereise mit Geschmäckle

Es spricht nichts dagegen, Pflegekräfte aus Drittstaaten anzuwerben. Doch ohne deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen hier vor Ort wird das wenig helfen.

Hubertuis Heil vor Menschen in weißen Kitteln

Sao Paulo am 6. Juni: Hubertus Heil beim Besuch des Deutschen Krankenhauses Oswaldo Cruz Foto: Annette Riedl/dpa

Es hat Symbolkraft, wenn deutsche Bun­des­mi­nis­te­r:in­nen durch die Welt jetten, um Pfle­ge­r:in­nen zu gewinnen für die hochgebrechlichen Menschen in Deutschland. Der damalige CDU-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn flog auf der Suche nach Pflegekräften nach Mexiko. Der heutige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) tourt mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) durch Brasilien und wirbt um qualifizierte Pflegekräfte, die aus der Heimat einen Bachelor-Abschluss mit nach Deutschland bringen.

Gemessen am Aufwand sind die Zahlen bisher bescheiden. 2022 kamen über das staatliche Programm Triple Win nur 656 Pflegekräfte aus Nicht-EU-Ländern hierher, auch wenn dort mit dem Lohn und dem Sozialsystem in Deutschland geworben wird. Obwohl es also aussieht wie eine gigantische Aufwertung des Pflegeberufs, wenn ­Mi­nis­te­r:in­nen dafür durch die Welt reisen, ergibt sich ein anderes Bild, wenn man die Struktur hinter diesem An­werbevorgang genauer anschaut.

Denn es geht nicht nur um die Demografie und die Tatsache, dass etwa in Brasilien der Anteil der jungen Leute höher ist. Im Grunde hofft man, dass qualifizierte Pflegekräfte aus Drittstaaten mühsam einen Sprachkurs absolvieren, nach Deutschland kommen, Heimweh aushalten und hier dann Arbeitsbedingungen vor allem in der Altenpflege akzeptieren, die von hiesigen Kol­le­g:in­nen als unzumutbar empfunden werden, weswegen diese scharenweise den Bereich verlassen. Das hat ein Geschmäckle.

Gegen die Anwerbung von Pflegekräften in Drittstaaten ist zwar grundsätzlich nichts zu sagen, aber ohne Verbesserungen der hiesigen Arbeitsbedingungen auch für Mitarbeiter:innen, die bereits im Land sind, wird es nicht gehen. Verlässliche Arbeits- und Freizeiten, bessere Personalschlüssel, mehr Geld wird man definitiv brauchen, um den Beruf attraktiver zu machen und damit die Personalnot vor allem in der Altenpflege zu mildern. Dazu bräuchte es einen politischen Willen und viel Geduld. Das ist aufwendiger und politisch riskanter als symbolische Reisen.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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