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Pflegekräfte in der CoronapandemieIm Stich gelassen

Wie sich die Gesellschaft um die kümmert, die die Schwächsten versorgen, sagt viel aus. Das zeigt sich besonders in der Pandemie.

Eine Krankenschwester dokumentiert die Behandlungsschritte eines Covid-19-Patienten Foto: Jens Büttner/dpa

W as mir bei meiner Arbeit im Krankenhaus oft auffiel: die fehlende Aufmüpfigkeit des medizinischen Personals. Unzählige Überstunden, fehlende Pausen oder herrischer Umgang durch Vorgesetzte wurden oft frustriert und erschöpft hingenommen. Die Resignation wurde mit nach Hause genommen. Warum? The show must go on. Denn es sind keine Autoteile, die auf einen warten, sondern Menschen, kranke und sterbende, verzweifelte und verängstigte.

Diese fehlende Aufmüpfigkeit trägt uns seit Monaten durch die Pandemie. Politik und Gesellschaft reagierten im Herbst viel zu spät auf steigende Infektionszahlen und die zunehmend angespannte Lage in den Kliniken. Und nun können Pfle­ger*in­nen, Ärzt*in­nen, Putzkräfte, alle, die die Kliniken am Laufen halten, nicht einfach hinschmeißen. Sie setzen sich der Gefahr aus, selbst krank zu werden. Für uns alle. Es sind übrigens zu 76 Prozent Frauen. Von den 5,65 Millionen Menschen, die im gesamten Gesundheitswesen arbeiten, sind drei Viertel Frauen.

Eine Berliner Krankenpflegerin erzählte mir vor Kurzem, wie sich ihre Arbeit durch die Pandemie verändert habe; noch öfter muss sie besorgte Angehörige beruhigen, weil sie nicht zu ihren erkrankten Verwandten können. Die Alten aus Pflegeheimen, oft dement, verstehen nicht, was los ist. Sie werden aus ihrer vertrauten Umgebung gerissen und sehen nur noch Menschen in Schutzkleidung, kein Lächeln, keine Wärme. Mit dieser Angst muss die Pflegerin jeden Tag umzugehen lernen.

Deutschland ist eines der wenigen europäischen Länder, das seinen Gesundheitskräften keine psychologische Hilfe zur Verfügung stellt. Länder wie Polen, Frankreich oder Großbritannien haben angesichts der Covid-19-Krise telefonische Beratungsdienste eingerichtet oder vermitteln Gespräche mit Psy­cho­log*in­nen. Schon vor der Krise war der Krankenstand bei Pflegekräften teilweise bis zu 9 Prozent höher als in anderen Berufen; wie sich die Pandemie darauf auswirkt, wird sich noch zeigen. Und darauf, wie viele Menschen diesen Beruf überhaupt noch werden ausüben wollen.

Umgang mit den Schwächsten

Jens Spahn hat eine „Coronaprämie“ eingerichtet, 1.000 Euro. Übergehen wir mal die niedrige Summe für monatelange Schwerstarbeit, emotional und körperlich. Die Prämie bezog 70 Prozent der Kliniken gar nicht erst mit ein. Spahn versprach nachzubessern; aber auch dann werden wohl nur Pflegende prämiert, die direkt Kontakt zu Covid-19-Patient*innen haben. Was aber ist mit denen, die auf Normalstationen ein Vielfaches an Arbeit haben, weil ein Teil des Personals für die Covid-19-Versorgung abgezogen wurde oder in Quarantäne ist?

Es heißt, dass eine Gesellschaft sich darüber definiere, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. Ich glaube, wir als Gesellschaft definieren uns darüber, wie wir mit jenen umgehen, die sich um die Schwächsten kümmern. Ich komme zu keinem anderen Schluss: Wir haben sie schon lange im Stich gelassen.

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Gilda Sahebi
Ausgebildet als Ärztin und Politikwissenschaftlerin, dann den Weg in den Journalismus gefunden. Beschäftigt sich mit Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft, Naher Osten.
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13 Kommentare

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  • Was machen

    Einfach die Parteien nicht wählen,



    die diese Situation hervorgebracht haben!



    Wie wäre es mal damit?



    Übrigens werden auch jetzt Krankenhäuser geschlossen.



    Dazu gibt es Petitionen. Siehe



    change.org



    Mails schreiben, Abgeordnete anrufen usw. Nicht nachlassen, ganz hartnäckig, nur das macht Eindruck. Nicht abspeisen lassen, wiederkommen!

  • Ich denke, dass die Situation, in der sich die medizinischen und pflegenden Kräfte befinden, brutal ausgenutzt wird, um Löhne und Gehälter niedrig zu halten. Denn ein Streik oder andere Protestaktionen würde sich unmittelbar auf das Wohl der Alten und/oder Kranken auswirken. Also müssen die betroffenen Kräfte auch auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit (von Wohlbefinden kann sowieso nicht gesprochen werden) schuften. Und zwar ohne die Anerkennung z.B. in Form angemessener Bezahlung und ohne Arbeitszeitregeln, die auch eingehalten werden können.

    Die Tatsache, dass nur die wenigsten etwas von der großmäulig versprochenen kleinen Sonderprämie erhalten haben, grenzt an Betrug. Wer sich nach diesen Erfahrungen dazu entschließt, in den Bereichen Alten- und Krankenpflege arbeiten zu wollen, ist naiv oder besonders mutig. Oder beides.

    • @Rolf B.:

      "Denn ein Streik oder andere Protestaktionen würde sich unmittelbar auf das Wohl der Alten und/oder Kranken auswirken." (Rolf B.)

      Einspruch, lieber Rolf B.! Das ist nach meiner (Streik-)Erfahrung lediglich eine Frage der Organisation eines Notversorgungs-und Bereitschaftsdienstes.



      Streiks und Aktionen im Pflegebereich sind ja nie ausdauernder Ausstand mit kompletter Arbeitsniederlegung aller Pflegenden. Und da die Personaldecke schon seit Langem dünn genug ist, dass solche Notversorgungsdienste ohnehin immer wieder mal auch ohne Streiks fällig werden - z.Bsp. bei erhöhtem Krankenstand oder Feiertags/Urlaubszeiten - besteht da durchaus eine gewisse Routine. Das kenne ich bereits seit den 90er Jahren. Man nennt dies dann halt nicht so.

      Nein, ich muß da schon eher der Autorin Recht geben, die sehr richtig feststellt dass "(...) die fehlende Aufmüpfigkeit des medizinischen Personals" fehlt, also die Bereitschaft für seine eigenen Belange zu kämpfen. Die lassen sich definitiv zu viel gefallen oder wähnen sich wehrlos.



      Mir scheint dass das zum Einen Ausdruck einer psychischen Prägung ist, die diese Berufe eigendynamisch mit sich bringen. Das quasi uneigennützige Sich-Aufopfern für Hilfsbedürftige, dieser Berufsmythos, wirkt sich hier selbstzerstörerisch aus weil er schamlos ausgenützt wird, wie wir an Hand der Gehälter und Arbeitsbedingungen unschwer erkennen können.



      Hinzu kommt aber auch dass solch eklatante Diskrepanzen zwischen Leistung und Lohn in erster Linie in Frauenberufen zu beobachten sind. Frauen lassen sich halt leider generell im Beruf viel zu viel gefallen. Sie sind in der Regel nur geringgradig gewerkschaftlich organisiert und nur sehr schwer dazu zu motivieren einmal aus ihrer Dienstleistungsrolle auszubrechen und für ihre eigenen Belange zu kämpfen. Mir klingen die desillusionierten Worte eines befreundeten und erschöpften Verdi-Gewerkschaftssekretärs, während der letzten Tarifrunde, noch in den Ohren.

  • 0G
    02881 (Profil gelöscht)

    Warum kein Geld da ist (aus dem Freitag, ein Text über Friedrich Merz):

    "Im Juni 2010 betrauen ihn die CDU/FDP-Regierung in NRW und der staatliche Bankenrettungsfonds SoFFin (zuständiger Finanzminister: Wolfgang Schäuble) mit dem Verkauf der WestLB. Das Honorar aus der Staatskasse beträgt sensationelle 5.000 Euro am Tag. Obwohl die Verkaufsgespräche nach kurzer Zeit scheitern, fließt das Honorar einfach weiter, 396 Tage lang, für nichts."

    Quelle: www.freitag.de/aut...r-wurde-was-er-ist

    • @02881 (Profil gelöscht):

      Die anderen Protagonisten aus anderen Parteien haben auch nichts gemacht, dass kann man genauso gut von den Grünen unter Schröder behaupten. Da hat Frau Fischer mal gesagt: "Qualität kommt von Innen" damit meinte Sie, mehr Personal und gut qualifiziertes Personal ist nicht nötig. Die ganzen Parteien bis auf die Linke und die AfD (da Oppositionsparteien) haben sich bislang nicht mit Ruhm bekleckert, auf Landesebene das Gleiche.

      • 0G
        02881 (Profil gelöscht)
        @bleibzuhaus:

        Ja, da haben Sie recht!

  • RS
    Ria Sauter

    Die Politik hat sie im Stich gelassen, und wird sie auch weiterhin im Stich lassen.



    Ebenso, wie die vielen Beschäftigten im untersten Lohnbereich, die Wohnungslosen.....



    Das interessiert niemanden, denn diese Menschen haben keine Lobby.

    Wenn jetzt noch die von Söder angeregte Zwangsimpfung kommt, für Pflegekräfte, werden noch mehr Menschen von diesem Beruf Abstand nehmen.



    Meine Mutter hat als Krankenschwester gearbeitet. Sie hat immer wieder über diese Zustände gesprochen, wie sie aktuell wieder auftauchen.



    Das war vor über 25 Jahren.



    Hat irgendwer noch Hoffnung auf eine Änderung?

    • @Ria Sauter:

      Ich habe auch über Jahrzehnte in der Pflege gearbeitet und habe alle möglichen Regierungskonstellationen erlebt. Weder die CDU, SPD,FDP oder die Grünen haben sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen eingesetzt. Auch hat Verdi keine wesentlichen Veränderungen gebracht. Ich habe auch keine Hoffnung mehr, dass es sich ändert. Es wird zwar viel angekündigt, aber letztendlich ist es viel Lärm um Nichts.

    • @Ria Sauter:

      "Hat irgendwer noch Hoffnung auf eine Änderung?"

      Nein! Solange so extrem "wichtige" Jobs wie z.B. KommunikationsdesignerIn ein mehrfaches von einer Pflegekraft verdient, habe ich keine Hoffnung.

      • 0G
        02881 (Profil gelöscht)
        @Rolf B.:

        @ROLF B. Hätte diese Site kein solider Kommunikationsdesigner gestaltet wären Sie gar nicht in der Lage die Inhalte halbwegs angenehm zu rezipieren.

        Find's aber bytheway auch etwas fies Fachkräfte am unteren Ende der Gehaltsskala gegeneinander auszuspielen. Denn ein Großteil der studierten Kommunikationsdesigner (Selbständige) die ich kenne verdienen in etwa das was eine Pflegekraft verdient...

        • @02881 (Profil gelöscht):

          Sorry, es ging mir wirklich nicht darum, einen Berufsstand gegen den anderen auszuspielen. Zufällig kenne ich eine Kommunikationsdesignerin, die deutlich mehr verdient, was ich ihr und anderen auch sehr gönne. So wie ich einer Altenpflegerin ebenso ein gutes Einkommen wünsche.



          Allerdings ist in meinen Augen der Job der Altenpflegerin bzw. des Altenpflegers von so großer Bedeutung, dass ich diesen Menschen ein besonders gutes Einkommen wünschen würde.

          • @Rolf B.:

            machen wir uns doch nichts vor. Solange die Arbeit am Menschen keine höhere Wertschätzung erhält, als z.b. eine gut designte Oberfläche, wird das nichts werden mit der angemessenen Bezahlung. Vielleicht liegt es auch daran, dass viele Politiker ihre Sichtweise zur Wertschätzung auf dem Weg zum professionellen Volksvertreter verlieren, und ihr Engagement hierfür verloren geht.

    • @Ria Sauter:

      Freiheit quergedacht

      Das ist schon schlimm mit der Zwangsimpfung hier...

      Dann lieber Corona kriegen!



      Es lebe die Freiheit!