Petition gegen Abschiebung: Schülerin kämpft für Bleiberecht
Die 16-jährige Albanerin Valbona und ihr Bruder sind trotz guter Integration in der von Abschiebung bedroht. Seit Jahresbeginn schob Hamburg 101 Schüler ab
Mit Hoffnung ging Valbona Tocilla Donnerstag Nachmittag ins Hamburger Rathaus, um von der Zuschauerbühne die Sitzung der Bürgerschaft zu verfolgen. Denn hier wurde über ihr Schicksal abgestimmt. Vor 16 Monaten war die heute 16-Jährige mit Vater und Bruder aus Albanien geflüchtet. Jetzt ist die Familie von Abschiebung bedroht.
„Unser Leben war in Gefahr“, berichtet Valbona. Ihr Vater sei verfolgt worden von mächtigen Personen. Albanien zählt zwar als „sicheres Herkunftsland“, dennoch stellte sogar das Auswärtige Amt dort ein hohes Maß an Korruption und eine „Kultur der Straflosigkeit“ fest.
Doch der Asylantrag wurde abgelehnt. Eine Petition an den Eingabeausschuss der Bürgerschaft am 26. September auch. Valbona und Bruder Dritan (14) gehen zur Schule, sind richtig gut, davon zeugen Lehrerbriefe.
Valbona lernte schnell Deutsch, freundete sich mit der gleichaltrigen Layla an, Schülerin des Brecht-Gymnasiums. Seit Mai geht auch Valbona auf diese Privatschule, mit einem Stipendium. In der Unterkunft vorher sei es langweilig gewesen. „Ich konnte dort nichts lernen, ich wollte auf eine Schule, wo es Physik gibt“, sagt sie. Sie möchte gern Chirurgin werden.
Die Brecht-Lehrer sind begeistert. „Mit ihren kognitiven und sozialen Kompetenzen ist sie ein Gewinn für unser Gymnasium“, schreibt Peter Graeber. Man unterstütze mit Freude Valbonas Werdegang, „gerne bis zum Abitur“. Auch Dritan trauen die Lehrer der Nelson-Mandela-Schule einen sehr guten Abschluss zu.
Valbona schrieb einen Brief an die Härtefallkommission der Bürgerschaft, der mit dem Satz endet, „… von daher bitten meine Familie und ich Sie sehr herzlich, uns in Hamburg bleiben zu lassen. Damit wir ein sicheres Leben führen können.“ Dazu legte sie Infos von Amnesty International über Albanien.
Der Fall habe keine Chance, sagt SPD-Politiker Ekkehard Wysocki. „Es ist schade, aber gute Schulleistungen sind kein Abschiebehindernis.“ Habe der Eingabeausschuss einmal entschieden, werde in der Bürgerschaft genauso abgestimmt und der Fall „nicht noch mal zum Thema gemacht“.
Aber im Netz ist es Thema. Unter openpetition.de/!lkgvx gibt es eine Petition, die schon 1.797 Menschen unterschrieben.
Der Fall ist kein Einzelfall. Wie eine Anfrage der beiden Abgeordneten Sabine Boeddinghaus und Christiane Schneider (Die Linke) ergab, wurden im vierten Quartal 2015 109 Kinder im schulpflichtigen Alter abgeschoben, im ersten Halbjahr 2016 waren es bisher 101. Gerade um Familien aus Albanien gäbe es „richtige Dramen“, sagt Schneider, „weil die Kinder sich oft so anstrengen, und es hilft ihnen nicht, da sie aus angeblich sicheren Ländern kommen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin