Petition für lesbisches Hausprojekt: Ein Zuhause für alte Lesben
Ältere Lesben wurden lange Zeit ihres Lebens diskriminiert, in regulären Altersheimen vereinsamen sie. Ein Verein plant das erste Wohnprojekt.
Die offene Initiative Lesbischer Frauen Rad und Tat (RuT) gibt es seit fast 30 Jahren in Berlin-Neukölln. Die Frauen setzen sich für lesbische Seniorinnen ein und für Lesben, die mit Behinderung leben. Und seit mehr als einem Jahrzehnt planen sie ein Lesbenwohnprojekt für 80 Frauen in Berlin.
Die Idee ist gemeinsam mit älteren lesbischen Frauen entstanden, die die Leiterin Jutta Brambach im Rahmen von RuT seit vielen Jahren ehrenamtlich besucht. „Die Frauen haben den Wunsch, im Alter in einer Umgebung mit Gleichgesinnten zu leben, ohne Diskriminierung.“
Wäre es nicht schöner, lesbische Frauen in regulären Seniorenheimen zu integrieren? „Es wäre toll, aber wir sind noch nicht so weit. Obwohl sich in Berlin einiges getan hat“, sagt Jutta Brambach. Es gebe viele Begegnungsorte für Lesben, doch keinen Ort, der ein gemeinschaftliches, generationenübergreifendes Wohnen ermögliche.
„Viele ältere lesbische Frauen haben Angst, in regulären Seniorenheimen oder zu Hause zu vereinsamen. Die Angst ist groß, sich nicht offen äußern zu können, die eigene Geschichte verheimlichen zu müssen“, erklärt Brambach. Dabei sei es gerade im Alter wichtig, über die eigene Biografie zu sprechen. Noch bis 1969 stand Homosexualität in Deutschland per Gesetz unter Strafe. Heute 80-jährige Lesben und Schwule haben die ersten 40 Jahre ihres Lebens und vor allem ihre Jugend in dieser Situation erlebt. Es ist eine Generation, die noch immer Angst vor Diskriminierung und Unverständnis hat.
Die Schwulenberatung legte Einspruch ein
Das Wohnprojekt von RuT schien bereits sicher realisierbar: RuT hatte die Ausschreibung für das Grundstück „Schöneberger Linse“ gewonnen und den Zuschlag von der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) erhalten. Doch ein Mitbewerber, die Schwulenberatung, legte Einspruch ein. Als Grund wurde ein Verfahrensfehler des BIM genannt. Darauf mussten sich beide erneut bewerben. Und das Ergebnis? Soll Ende August, Anfang September feststehen.
Nach dem Schock erreichte RuT eine Welle von Solidaritätsbekundungen zahlreicher Organisationen aus Kultur, queerer Community, Politik und von Einzelpersonen. Weil die Frauen von RuT nach dem Beschluss sehr viel zu tun hatten, startete die Initiative „Travestie für Deutschland“ eine Petition an den Berliner Bürgermeister Michael Müller. Sie trägt den Titel „Rette Europas erstes Lesben-Wohnprojekt mit DEINER Stimme!“ und steht seit der zweiten Juniwoche auf der Plattform change.org.
Jutta Brambach, Rad und Tat
Das Lesbenwohnprojekt hofft nun auf eine erneute Zusage des BIM. Die Finanzierung ist gesichert: dank der Stadt Berlin, der Lottostiftung, Krediten und privaten Darlehen. Das Konzept steht ebenfalls: 80 günstige Wohnungen, auch für Lesben aus Kriegsgebieten, generationenübergreifend, barrierefrei und mit Balkon. Dazu Pflegestation, fachlicher Austausch, Kiezcafé, Gästewohnungen, Begegnungsräume: „Tanz ist auch im Programm – ein einmaliges Lesbenwohnprojekt in Europa“, sagt Jutta Brambach.
Bis zum 31. Juli 2018 kann die Petition unterzeichnet werden, 2.100 Personen haben das bereits getan. Und bei RuT? Sind laut Brambach unzählige Anfragen von Interessentinnen eingegangen: „Wir könnten bereits ein zweites und drittes Haus bauen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen