Petition der Woche: Einmal noch SXTN live erleben!
Das HipHop-Duo SXTN hat feministische Themen in den oft misogynen Deutschrap gebracht. 2018 löste sich SXTN auf. Eine Petition fordert ein Comeback.
Eine Bandtrennung ist für Fans sehr schmerzhaft. Voller Hilflosigkeit schaut man zu, wie sich die eigenen Idole bekriegen, sich furchtbare Dinge an den Kopf werfen. Die wohl bekannteste Auflösung der jüngeren Musikgeschichte war das Auseinandergehen von Oasis. Die Britpop-Band fiel immer wieder auf durch Skandale – meistens ausgelöst durch die beiden exzentrischen Frontsänger, die Gallagher-Brüder.
Aber auch der Deutschrap hatte seine großen Trennungen: Der Rosenkrieg zwischen Kool Savas und Eko Fresh, der zwei legendäre Disstracks hervorbrachte. Die Trennung von Bushido und Aggro Berlin, die bis heute juristisch nachwirkt (Stichwort Abou-Chaker-Prozess).
Und dann die leise Auflösung des weiblichen Rapduos SXTN, bestehend aus den Rapperinnen Nura und Juju, die Ende 2018 erfolgte. Man habe sich auseinandergelebt, wolle sowohl in der Musik als auch privat getrennte Wege gehen, hieß es damals. Ganz ohne Beef, ganz ohne Drama.
Über vier Jahre später hält SXTN-Fan Pascal Eisenbarth die Sehnsucht nach dem Duo nicht mehr aus. Eine Million Unterschriften will er für eine Petition auf change.org sammeln – für ein letztes gemeinsames Konzert von Juju und Nura. Das kommt gut an, die ersten Reaktionen in den Kommentaren lauten: „Sxtn das beste Team<3“ oder „SXTN..das würde meinen depressiven Arsch retten“.
Knapp einen Monat nach Start der Petition haben knapp 21.000 Menschen unterschrieben. Das zeigt, dass SXTN noch relevant sind – was sicher daran liegt, dass sie damals ein Novum in der Deutschrap-Szene waren. Und trotz vieler neuer erfolgreicher weiblicher MCs hat seither niemand die Lücke geschlossen, die sie hinterlassen haben.
Die Vorreiterinnen
Als junge Frauen im machistisch geprägten HipHop-Umfeld zu bestehen, war nicht leicht. Doch mit ihrer harten und unmissverständlichen Art brachte man (oder besser „Mann“) dem 2014 gegründeten Duo in der Szene schnell Respekt entgegen. Ganz selbstverständlich übertrugen SXTN Mitte der Zehnerjahre feministische Themen in den von toxischen Männlichkeitsidealen geprägten Battle-Rap.
Dabei spielten sie mit frauenfeindlichen Klischees und hielten so der Deutschrap-Szene den Spiegel vor. Eine misogyn konnotierte Beleidigung wie „Fotze“ wurde von SXTN zur stolzen Selbstbezeichnung in ihrem Partysong “Fotzen im Club“ umgedeutet.
Der Autor dieses Textes ist nie ein großer SXTN-Fan gewesen, erinnert sich aber nun daran, dass die Band Frauen in seinem Umfeld etwas bedeutet hat. Frauen, die eigentlich nicht viel Deutschrap gehört haben.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Den Song „Fotzen im Club“ werden DJs wohl auch in zwanzig, dreißig Jahren noch spielen und junge Frauen werden ihn selbstbewusst mitgrölen. Dass das noch mal bei einem SXTN-Konzert passiert: eher unwahrscheinlich.
Die Agentur von Nura und Juju – die teilen sie sich noch – erklärte, man wolle sich aktuell zu der Petition nicht äußern. Es herrscht wohl weiter Eiszeit zwischen den beiden Rapperinnen.
Oasis bekamen übrigens angeblich über 100 Millionen Dollar für eine Reunion geboten. Ob SXTN bei einem solchen Angebot schwach werden würden? Nun, vielleicht wollen sie ja auch für kein Geld der Welt zurück in die Vergangenheit. Aber: Sag niemals nie. Es fehlen nur noch gut 975.000 Unterschriften zur anvisierten Million.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind