Pestizid Thiacloprid schädigt Föten: Deutschland will Verbot
Landwirtschaftsministerin Klöckner kündigt an, bei der EU gegen ein Insektengift der Bayer AG zu kämpfen. Die EU-Kommission findet das nun gut.
Deshalb werde sie sich dafür einsetzen, dass der vom Chemiekonzern Bayer AG hergestellte Stoff aus der Pestizid-Gruppe der Neonikotinoide keine Genehmigung mehr erhält. Auch die EU-Kommission schlägt nun vor, die im April 2020 auslaufende Zulassung nicht zu verlängern. Das geht aus der Tagesordnung für die Sitzung des zuständigen Expertenausschusses aus Vertretern der EU-Staaten und der Kommission vom vergangenen Montag hervor.
Die taz hatte am 29. März unter Berufung auf ein Schreiben der EU-Kommission berichtet, dass die Behörde das Insektengift damals doch wiederzulassen wolle. Dagegen protestierten zum Beispiel die Internet-Kampagnenorganisation SumofUs sowie die Grünen-Politiker Martin Häusling und Harald Ebner.
Die EU-Kommission hat Thiacloprid als „wahrscheinlich reproduktionstoxisch“ eingestuft, weil es in Versuchen eindeutig die Fortpflanzung von Tieren beeinträchtigt hat und so offenbar auch bei Menschen wirkt. Solche Substanzen dürfen gemäß EU-Pestizidverordnung nicht mehr erlaubt werden – es sei denn, sie kommen nicht mit Menschen in Kontakt oder sie sind unbedingt nötig für die Landwirtschaft.
Genau auf diese Ausnahmen beruft sich die Bayer AG. Ohne Thiacloprid-Pestizide wie „Calypso“ könne man in Deutschland beispielsweise einen der wichtigsten Schädlinge im Obstbau, den Apfelwickler, kaum bekämpfen. Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit dagegen kam zu dem Schluss, dass es sehr wohl Alternativen gebe. Sie lieferte auch Belege dafür, dass der Wirkstoff doch mit Menschen in Kontakt kommt, zum Beispiel in Saatgut-Fabriken.
„Es liegt der Verdacht nahe, dass sich Klöckner immer dann, wenn sich eine Entscheidung gar nicht mehr aufhalten lässt, blitzschnell von der Blockiererin zur Vorreiterin wandelt“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Ebner der taz. Erst Ende vergangenen Jahres hatte die Ministerin noch für eine weitere Verlängerung von Thiacloprid bis April 2020 gestimmt. Klöckner positionierte sich erst öffentlich gegen das Insektizid, als die Kehrtwende der EU-Kommission bekannt wurde. Zuvor hatte sie erklärt, die wissenschaftliche Bewertung des Mittels sei noch nicht abgeschlossen, obwohl bereits alle Fakten auf dem Tisch lagen.
„Offenbar wird die EU Thiacloprid doch verbieten“, sagt Umweltschützerin Franziska Achterberg von Greenpeace. Denn Deutschland hat bei der entscheidenden Abstimmung EU-Staaten großes Gewicht. Frankreich hat Pestizide mit Thiacloprid bereits verboten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben