Personalentscheidungen in der EU: Für Turbulenzen wappnen
Europas Konservative haben sich aufgestellt. Doch sie müssen dringend neue Allianzen gegen Rechtsaussen schmieden. Der Klimaschutz kommt dabei zu kurz.
D er Postenpoker für das EU-Spitzenpersonal ist abgeräumt. Das ist die gute Nachricht rund drei Wochen nach den EU-Wahlen. Mit Ursula von der Leyen als neue oder besser weiterhin amtierende EU-Kommissionspräsidentin, Kaja Kallas als EU-Außenbeauftragte und António Costa als EU-Ratspräsident bekommen EVP, Sozialdemokraten und Liberale ihre Wunschkonstellation von den EU-Mitgliedstaaten bescheinigt.
Insbesondere die Personalie Kallas ist klug gewählt. Sie zeigt nicht nur klare Kante gegen den russischen Präsidentin Wladimir Putin, sondern ist versiert auf dem diplomatischen Parkett. Ob sie die gleiche Expertise aufweist in den Auseinandersetzungen mit China oder beim Thema Migration, wird sie erst noch unter Beweis stellen müssen. In jedem Fall hat sich die routinierte Politriege durchgesetzt und die erste Hürde für das Personaltableau genommen, vielleicht zum letzten Mal. Denn einfach wird es nicht mit den neuen politischen Mehrheiten im Europäischen Parlament.
Rechtspopulisten haben enorme Zuwächse erhalten, die Liberalen an Sitzen verloren. Zwar stehen die Konservativen mit der EVP gut da, aber sie müssen neue Allianzen schmieden, um politische Vorhaben zu gestalten. Wenig verwunderlich, dass die postfaschistische italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Vorfeld der Entscheidungen beim EU-Gipfel kräftig Alarm machte und ihren Unmut äußerte über die Hinterzimmerpolitik. Es ist ein weiteres Zeichen dafür: Meloni will mitmischen. In einer unglücklichen Allianz mit einem ungarischen Ministerpräsidenten Orbán werden sich die Machtverhältnisse verschieben. Strategien eines starken Mitte-links-Bündnisses in der EU, das dagegenhält, sind derzeit nicht sichtbar.
Green Deal zerbröselt
Einig ist sich das Spitzenpersonal im Ukraine-Kurs und in seiner Linie, europäische Sicherheitspolitik weiter zu stärken. Im Jahr drei der russischen Invasion in der Ukraine ist ein Ende des Krieges nicht in Sicht. Zugleich stehen die Haushalte einzelner EU-Staaten enorm unter Druck. Waffenhilfen oder Geld für den Wiederaufbau von kritischer Infrastruktur in der Ukraine werden zwangsläufig zur Disposition stehen. Dem gilt es auf europäischer Ebene entgegenzuwirken.
Was zu kurz kommt, sind Klima- und Umweltfragen. Dort braucht es starke Kräfte innerhalb der Grünen und der Sozialdemokraten, um die Glaubwürdigkeit der EU zu erhalten. Schon jetzt deutet sich an, dass am viel bemühten Green Deal weiter geschraubt werden soll. Es sollte der große Wurf sein, doch mit einer weiteren Amtszeit von der Leyens droht das Vorhaben weiter zu zerbröseln. Der Kampf gegen die Klimakrise scheint keine Priorität zu haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?