Persönlicher Beitrag zum Klimaschutz: Wie die Einzelnen die Welt ändern
Es bringt etwas, wenn Einzelne ihr Verhalten ändern. Keine Flugreisen und wenig Autokilometer sind ein Beitrag zum Klimaschutz.
Berlin taz | Es zog Rauch auf, immer mehr Partikel füllten das Wartezimmer, während junge Männer ein Formular zur Teilnahme an einer Studie ausfüllen sollten. Schnell brachten sie sich in Sicherheit – aber nur, wenn sie gerade allein waren. Die Studie führten die Psychologen Bibb Latané und John Darley vor mehr als 50 Jahren durch.
Und in Wirklichkeit ging es gar nicht um das Formular, sondern um das Verhalten in einer Notfall-Situation. Sobald in dem Wartezimmer noch andere vermeintliche Studienteilnehmer saßen, die den Rauch ignorierten, reagierten auch die Versuchspersonen oft nicht: Die anderen mussten doch Gründe zum Sitzenbleiben haben. Und würde man sich nicht blamieren, wenn man als Einzige:r aufstand, Alarm schlug und sich das Ganze zum Schluss als harmlos entpuppte?
Das Ergebnis des Experiments ist ein Grund, dass der Psychologe Gregg Sparkman überzeugt ist: Es bringt etwas, wenn Einzelne ihr klimaschädliches Verhalten ändern – also im übertragenen Sinne bei Rauch wegrennen oder den Feuerlöscher holen. Unmittelbar ist der Atmosphäre zwar nur wenig geholfen, wenn jemand hier und da ein Molekülchen CO2 einspart. Aber das Verreisen per Bahn statt mit dem Flugzeug, die Solaranlage auf dem Dach, die vegane Essensbestellung im Restaurant signalisiert den Mitmenschen: Es gibt einen Notfall, Änderungen sind nötig – aber auch möglich.
„Das Senden sozialer Signale ist essenziell“, sagt Sparkman, der Juniorprofessor am US-amerikanischen Boston College ist. Das häufige Argument, dass politischer Wandel nun mal wichtiger sei, zieht für ihn nicht. „Viele nehmen an, dass menschliche Motivation ein Nullsummenspiel ist: Wenn man an einer Stelle etwas aufbraucht, fehlt es woanders.“ Es wäre natürlich kontraproduktiv, würden Menschen politischen Wandel in dem Glauben ablehnen, schon genug zu tun.
Ökostrom buchen und das Haus dämmen
„Einen solchen Effekt haben wir in unserer Forschung nur ganz selten festgestellt, nämlich in einem ganz konkreten Szenario: wenn zusammenkam, dass die fragliche politische Maßnahme sehr teuer war, die Kosten wiederum die Einzelnen statt etwa die Industrie belasten sollten und das eigene ökologische Verhalten sich gar nicht aus Identität und Werten ableitete“, erklärt der Psychologe. Bei Personen, die ihr ökologisches Verhalten sehr wohl mit ihrer Persönlichkeit verknüpften, habe man aber sogar das Gegenteil festgestellt: steigende Zustimmung zu klimapolitischen Maßnahmen.
Was die großen Hebel beim individuellen Verhalten sind, weiß Michael Bilharz vom Umweltbundesamt. Der Sozialwissenschaftler empfiehlt, sich den Kopf nicht zu sehr über Kleinigkeiten zu zerbrechen, sondern wenn möglich vor allem langfristig Wirksames in Angriff zu nehmen: Ökostrom buchen, das Haus dämmen, fossile Heizungen abschaffen. Zu den „Big Points“, wie Bilharz sagt, gehören auch noch: keine oder weniger tierische Produkte, keine Flugreisen, wenig Autokilometer. „Man kann so auch in Deutschland jetzt schon auf einen jährlichen CO2-Ausstoß von fünf Tonnen kommen“, sagt er.
Durchschnitt sind hierzulande ungefähr elf Tonnen und eigentlich steht jedem Menschen auf der Erde nur etwa eine zu. Im Idealfall stoße man so auch größeren Wandel an. „Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz und die davon ausgelöste gigantische Kostendegression der Solarenergie hätte es nie gegeben, hätten sich nicht vor 30 Jahren schon ein paar Leute Solaranlagen aufs Dach gebaut“, führt Bilharz an. „Das Erste, was man machen muss, ist diese Schraube im Kopf lösen: entweder der Einzelne oder die Politik.“
Leser*innenkommentare
outsourced
Es ist doch verwunderlich dass es noch immer nur seltenes Thema Sogar in der taz ist. Der einfachste, schnellste und wirkungsvollste sowie letztendlich unvermeidbare Handlungsstrang ist die Vergabe Ernährung. Die Zahlen sprechen ökonomisch und ökologisch für sich. Und im Gegensatz zum meinem Vorredner* reicht eine vegetarische Ernährung nicht aus. Der Methan- und CO2-Ausstoß dadurch Milchindustrie bleibt… das reicht nicht aus.
Wir benötigen derzeit etwa 4 Milliarden Hektar Land für die Nahrungsmittelindustrie - bei einer veganen Ernährung könnten wir 3 Milliarden davon wieder an Wälder und Natur zurück geben. Es ist unvermeidlich…
ourworldindata.org/land-use
Konzerne und co Schieben schon seit den 70ern die Verantwortung auf die einzelnen, aber diese haben nicht die macht das nötige zu ändern. So lange die größten 100 Konzerne nicht raffen dass was geändert werden muss, hilft auch kein Flugverzicht. Das soll nicht heißen dass Donna nicht seine eigene Verantwortung nutzen sollte um einen Beitrag zu leisten, es benennt nur eben ein wichtiges Puzzleteil was zu oft ausgespart wird. Go vegan, convince the companies - with what ever it needs.
Samvim
@outsourced Nein. Ihre Rechnug wäre nur dann (annähernd) korrekt, wenn Tiere ökologische Perpetuum mobile wäre und ihre Abgase aus dem Nichts heraus erzeugen würden. Da sie das nicht sind, ist die Rechnung doch etwas anders (und die Kaktusfrucht aus Neuseeland umweltschädlicher als ein heimisches Steak). Aus den meisten Weideflächen würde übrigens selbst mit viel Glück nie ein Wald werden, dazu benötigen Bäume dann doch mehr als nur Platz. Ich mag ihnen ihren Veganismus garnicht ausreden, aber bitte lassen sie auch das Flugzeug stehen.
outsourced
@Samvim Nunja Tiere beschleunigen ja die Umwandlung der Gase in hohem Maße und am Ende geht es gar nicht mal um deren Gase, sondern um gerodeten Regenwald für deren Futter, Agrarflächen für Schlachtung, Haltung und Verarbeitung der Milchprodukte zuzüglich der Transportwege bis aus den 10 Kilo Sojabohnen das geliebte Kilo Steak geworden ist. Ich benötige keine Kaktusfrucht aus Neuseeland - Tiere benötigen um billig verkauft zu werden billiges Zeug zum fressen von ungefähr soweit weg wie NZ. Ich denke wenn diese Flugzeuge stehen bleiben, lass ich auch meinen Jet stehen… ist och klar
Ich danke gnädigst, dass Sie mir meine Vergabe Ernährung nicht ausreden wollen - ich hingegen möchte Ihnen eindringlich den Konsum tierischer Produkte ausreden. Wenn nicht für Sie oder die Tiere, dann fürs Klima. War noch nie so einfach wie heute und das sage ich als mit Bratwurst aufgewachsener Thüringer ;)
Philippo1000
Arme leicht angehoben und : an mir liegt's nicht, Freunde!
sagen, sind die seltenen Momente, die die Mühe wert sind.
Wer für Natur und Klima streitet, kann gar nicht anders, als auch im Privaten entsprechend zu handeln - dachte ich .
Leider musste ich feststellen, dass greenwashing zwar ein relativ neuer Begriff, die Vorgehensweise aber mindestens 30 Jahre alt ist.
Neben bitteren persönlichen Enttäuschungen empfinde ich in NRW das Zusammengehen der Grünen mit der CDU (" wegen einem Tag ( Flutkatastrophe) kann man nicht die Politik ändern)
geradezu als Verrat.
Aber was hilft es?
Wer wenn nicht wir?
Zu den o.g. Beispielen möchte ich noch die vegetarische Ernährung hinzufügen.
in den 80ern erhielt man in den meisten Restaurants nicht einmal einen fleischlosen Salat.
Jetzt gibt es Veganes schon beim Discounter .
Dank der Nachfrage.
Der Atomausstieg ist die Krönung jahrelanger Bürgerinitiativen.
Die letzten Zuckungen werden wir auch noch überstehen.
Klar, jüngere sind gerne mal radikaler und wollen alles jetzt, sofort! Von denen gehen mittlerweile Viele aber vor dem Flug schnell noch zu McDonald's.
Es braucht Durchhaltevermögen und Rückrad, wenn man/frau was erreichen will, doch die gute Nachricht ist, die Chancen für das Streben nach Nachhaltigkeit stehen so gut wie nie zuvor.
Jeder für sich und Alle für Uns!
sollndas
"...hätten sich nicht vor 30 Jahren schon ein paar Leute Solaranlagen aufs Dach gebaut"
Oh, da werde ich ja richtig nostalgisch. Seit 1984 Solarthermie auf dem Dach, seit 1986 solarautarke Stromversorgung, Anfang der 1990-er Neubau eines solarautarken Hauses, 1996 erste Windparkbeteiligung, seither negative CO2-Bilanz.
Was ist daraus geworden? Ökostrombezugs-Ablasshandel, E-Autos (die unterm Strich NULL Energie- und CO2-Einsparung bringen) und als Gipfel der Dummheit Wärmepumpen (die einen Lastpeak in ausgerechnet der Jahreszeit verursachen, in der es am wenigsten erneuerbaren Strom gibt). Vollkommenes Ausblenden der Saisonspeicherfrage. Miesmachen von Bioenergie, die einen Beitrag zur Saisonspeicherung liefern könnte.
Bis zum Ende von Nord Stream 2 hatte das Energiekonzept noch einigermaßen Restvernunft: Pufferung des Netzes durch Gaskraftwerke. Vorbei.
Jetzt kann ich nur noch auf Schwarmintelligenz hoffen. Holzheizungen z.B. sind schon mal ein guter Ansatz.
gyakusou
Finde ich auch immer schräg, wenn Leute darauf verweisen, dass Unternehmen die Hauptverursacher von Emissionen sind und nur die und die Politik agieren müssen.
Natürlich müssen "von oben" die richtigen Gesetze und Regeln vorgegeben werden.
Aber das individuelle Verhalten hat selbstverständlich auch Auswirkungen. Wer kauft denn das Fleisch, dass die Fleischindustrie produziert? Wer kauft ständig zuviel neue Elektro-Geräte, Kleidung usw, die soviele Ressourcen benötigen und schnell wieder auf dem Müll landen?