Pergamonmuseum vorerst geschlossen: Der Wettergott wird eingemottet
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft: Das Pergamonmuseum in Berlin wird renoviert – und öffnet in Gänze erst in 14 Jahren wieder.
Mit etwas Glück bleibt das Königsblau am Ischtar-Tor in Erinnerung: Auch der Klang, der entsteht, wenn mit dem Finger auf Keramik geschlagen wird, und der pfeifende Wind am Markttor von Milet. Nicht zu vergessen die blau leuchtenden Augen des mesopotamischen Wettergottes Hadad. Vor allem aber dieser „Muschchuschschu“, ein Zungenbrecher, ein Torwächter, ein Drachen – Mischwesen aus Skorpion, Schlange, Raubvogel und Löwe.
Zu erleben ist all das noch bis zum 23. Oktober im Pergamonmuseum in Berlin. Danach wird es geschlossen, und die Erinnerung an die zur Schau gestellten Welten soll ins Gedächtnis eingeschrieben sein. Erst in 14 Jahren wird das Pergamonmuseum wieder in Gänze offen sein. Ob dem Vergessen so lange getrotzt wird? Vielleicht. Oder auch nicht. Denn Zeit ist aus dunklem Löschpapier, das aufsaugt, was mächtig schien an einem Tag und aufgesogen schon unwichtig scheint am nächsten.
Das Pergamonmuseum ist eine stete Baustelle. Der namensgebende Pergamonaltar ist bereits eingemottet. In drei Jahren soll der wieder zu sehen sein. Und wann das blaue Ischtar-Tor?
Ob das Museum Anfang des 20. Jahrhunderts um das Tor, das dieser Göttin des sexuellen Begehrens und des Krieges gewidmet ist, herum gebaut wurde? Nein, das nicht, antwortet ein Museumsführer, der in seinem Vortrag über Babylon gerade innehält. Auch nicht um den Pergamonaltar.
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Babylon, ungefähr 90 Kilometer südlich von Bagdad – ein Trümmerhaufen, weil Kriegsgötter und -göttinnen die Oberhand behalten. Die einstige Pracht der Stadt im Zweistromland steht in Teilen rekonstruiert in den Museen der Welt. Wie eben in Berlin das Ischtar-Tor und der zum Tor führende Prozessionsgang, der mit Löwen und Margeriten verziert ist. Muschchuschschu, der Schlangendrachen, ist eine der Figuren, die das Tor selbst schmücken, neben Stieren und noch mehr Löwen. Manche der verbauten Scherben sind bald 3.000 Jahre alt.
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft – alles ist da. Dass sich Bilder und Symbole der längst vergangenen Welten einprägen, als Spektakel wohl, daran hat der Lichtkünstler Liam Gillick beträchtlichen Anteil. Er will einen Bogen schlagen über die Zeit. Hadad, der Wettergott, ist, einmal rot angestrahlt, kein tonnenschwerer 3.000 Jahre alter Steinkoloss mehr, sondern ein magisches Wesen mit leuchtenden Augen, die spooky wirken. Er ist jetzt Feuer, Wasser und Licht. Kitschig, ja. Und wirkmächtig – nicht in Bezug aufs Wetter, sondern darauf, dass er in Erinnerung bleibt. Auch Reliefs aus der Zeit, als die Assyrer das Zweistromland beherrschten vor bald 4.000 Jahren, werden angestrahlt. Langsam zeigt farbiges Licht, was sich auf dem Relief verbirgt: Genien, Schutzgeister, die eine Dattelpalme segnen, sind auf einem.
Wo vorher alles steingrau war, sieht es mit Licht so aus, als würden den Figuren nun farbige Gewänder angelegt, als erblühe die Palme. Dazu erklingt ein hohler, meditativer Ton. Hat der eine Bedeutung? Der Mann, der Aufsicht hat und in einem zu großen Anzug steckt, zeigt auf das Hinweisschild. Er, der Wächter aus der Gegenwart, steht gepeinigt da. Geht es Ihnen gut? Die Beine täten ihm weh, sagt er. Auf dem Hinweisschild steht, dass der Ton entstünde, wenn auf Keramik geschlagen wird.
Auch eine Frau macht Aufsicht. Ob die Reliefs früher wohl farbig waren? Wie soll man es wissen, antwortet sie, sie sind doch so alt.
Waltraud Schwab
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