piwik no script img

Per Flieger zur Vergewaltigung

■ Erstmals steht ein Sextourist aus Hamburg vor Gericht: In mindestens 58 Fällen soll Rudolf K. Kinder missbraucht haben

Täglich starten vom Hamburger Flughafen aus Touristen Richtung Asien mit Endziel Bangkok, Goa, Manila. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Männer sich dort billig Sex kaufen – auch mit Kindern. Rudolf K. ist der erste Mann aus Hamburg, der sich dafür nun vor Gericht verantworten muss. In 59 Fällen soll er von 1992 bis 1999 vor allem Jungen missbraucht haben – in sämtlichen Ländern Asiens, aber auch in Deutschland.

Für seine 40 Jahre wirkt Rudolf K. auffallend jung, trägt einen geringelten Pulli und ein weiches Gesicht. Lächelnd kommt er aus der Untersuchungshaft in den Gerichtssaal, so verunsichert von der Menge der ZuschauerInnen, dass man später über die Lautstärke erschrickt, mit denen er die Eingangsfragen beantwortet.

Er grinst wie ein ertappter Junge, als der Staatsanwalt eineinhalb Stunden lang die Anklage verliest und beschreibt, was auf den Videofilmen zu sehen ist, die die Polizei bei dem Flugzeugtechniker aus Langenhorn fand: Jungen zwischen sechs und 14 Jahren in einem Hotelzimmer, „dessen genauer Ort noch nicht ermittelt werden konnte“. Nackt, Großeinstellung auf ihre Geschlechtsteile. „Echtzeit 1103, K. erscheint im Bild und legt sich zwischen die beiden Jungen.“ Dann fasst er sie an, anschließend sie ihn, mit der Hand, dem Mund. Die Anweisungen gibt der Angeklagte oder ein weiterer Mann „in fremder Sprache“.

Manche Kinder führen die Befehle routinemäßig aus. Ein Junge wendet sich nach dem Oralverkehr „mit deutlichem Ekel ab“, ein anderer steht sofort danach auf, „weil er sich übergeben muss“. Ein Sechsjähriger verdeckt sein Gesicht, um nicht gefilmt zu werden. Den Kopf eines Jungen aus Manila, der deutliche Abwehrbewegungen macht, hält K. an sich gepresst, bis er schließlich in dessen Mund ejakuliert.

K. hat angekündigt, sich zu den Bändern zu äußern, doch vorher wird die Öffentlichkeit aus dem Verfahren ausgeschlossen. Dem Hamburger kam die Polizei auf die Spur, weil er die Vergewaltigungen filmte und die Videos verkaufte – eines Tages auch an einen verdeckten Ermittler der Polizei.

Rund 650.000 Kinder unter 16 Jahren leben allein in Asien vom Verkauf ihrer Körper. Erst seit 1993 können deutsche Sextouristen überhaupt vor Gericht gestellt werden. Nach hiesigem Strafrecht mussten früher sowohl der Täter als auch das Kind Deutsche sein, jetzt ist die Nationalität des Kindes egal.

Seit 1993 wurden bundesweit erst sieben Männer wegen Kindesmissbrauchs im Ausland verurteilt. Die Ermittlungen vor Ort seien schwierig, so Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von „Terre de Femmes“: „Mit Thailand beispielsweise gibt es kein Rechtshilfeabkommen.“ 35 Gerichtsverfahren sind zurzeit anhängig.

Elke Spanner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen