Pekings diplomatische Initiative: Xis Rückkehr auf die Weltbühne
Chinas Staatschef Xi Jinping reist das erste Mal seit Pandemiebeginn ins Ausland. Er versucht dabei, Allianzen gegen den Westen zu schmieden.
Erstmals seit der Pandemie verlässt der 69-Jährige China: Zunächst geht es ins benachbarte Kasachstan, wo er mehrere Abkommen unterzeichnen wird. Am Donnerstag geht es dann nach Usbekistan zum Gipfel der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit (SCO), an dem auch Staats- und Regierungschefs aus Indien, Pakistan, Iran und Russland teilnehmen.
Beachtet werden wird vor allem Xis Treffen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Das hat Peking zwar noch nicht bestätigt, es gilt aber als wahrscheinlich. Die „grenzenlose“ Partnerschaft, die sich die beiden nur wenige Wochen vor dem russischen Angriff auf die Ukraine schworen, hat vor allem innerhalb der Europäischen Union für Enttäuschung gesorgt.
Doch hat sich Chinas Haltung nicht geändert: Erst am Dienstag sagte Pekings Topdiplomat Yang Jiechi, China arbeite mit Russland daran, die Weltordnung „in eine gerechtere und vernünftigere Richtung“ zu steuern. Man unterstütze sich gegenseitig bei gemeinsamen „Kerninteressen“.
China ist weniger isoliert, als der Westen denkt
Das heißt, die westliche, von den USA angeführte Weltordnung soll offen herausgefordert werden. „Russland bleibt weiterhin Chinas hauptsächlicher und einziger Partner, solange es seine antiwestliche Politik beibehält“, analysiert der China-Experte Marcin Przychodniak vom Polnischen Institut für Internationale Angelegenheiten in Warschau.
Das Treffen des Sicherheitsbündnisses SCO lässt sich als direkte Reaktion auf die Politik der USA verstehen, die ihrerseits ihre Allianzen im Indo-Pazifik verstärkt haben. Wenn Xi nun dem Gipfel vorsteht, demonstriert er, dass Peking weitaus weniger isoliert ist als von vielen in Washington und Brüssel postuliert.
Und Xi signalisiert damit auch, dass China derzeit keine Anstalten macht, um die Gunst des Westens zu buhlen. Es will vielmehr den USA und Europa mit der Demonstration von Stärke Respekt abringen.
Ob das aufgeht, ist offen. Denn Xi ist zuletzt massiv unter Druck geraten, endlich Präsenz auf der internationalen Bühne zu zeigen. Denn dass er seit über zweieinhalb Jahren praktisch sämtliche Treffen per Videoanruf tätigt, hat Chinas diplomatische Bemühungen geschwächt.
Xi Jinping kann einen diplomatischen Erfolg gebrauchen
Auch sind seit Pandemiebeginn nur sehr wenige ausländische Delegationen nach China gereist. Die meisten wurden nicht einmal nach Peking gelassen, sondern in abgeschirmte Konferenzhotels in den Provinzen umgeleitet.
Einen Monat vor Beginn des historischen 20. Parteikongresses in Peking wagt sich Xi nun trotz Chinas anhaltender Corona-Abschirmung ins Ausland. Mitte Oktober wird der mächtigste Staatschef seit Mao Zedong seine umstrittene dritte Amtszeit ausrufen, womit er sich de facto zum Führer auf Lebenszeit erhebt.
Innere Opposition hat er aufgrund massiver Repressionen zwar nicht zu befürchten, doch befindet er sich inmitten der wohl kritischsten Phase seiner Karriere: Die „Null Covid“-Politik bremst die heimische Wirtschaft massiv, die Immobilienkrise schwebt wie ein Damoklesschwert über der Mittelschicht und der Hegemoniekonflikt mit den USA bricht sich immer offener Bahn.
Einen diplomatischen Erfolg, propagiert durch die staatlich kontrollierten Medien, kann Xi daher gut gebrauchen, um sich vor der eigenen Bevölkerung Aufwind zu verschaffen.
Dass Kasachstan der erste Stopp sein wird, ist kein Zufall: Das Land spielt eine Schlüsselrolle bei Chinas sogenannter Seidenstraßeninitiative (BRI) und Xi kann sich in der Region als neuer Garant für Stabilität und Kontinuität präsentieren, nachdem viele Ex-Sowjetrepubliken wegen des Ukrainekriegs von Russlands aggressivem Auftreten verunsichert sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren