Passkontrolle am Flughafen Istanbul: Das große Zittern

Bei der Passkontrolle am Istanbuler Flughafen schwitze ich jedes Mal Blut und Wasser. Denn ich weiß: Mit türkischen Bullen ist nicht zu spaßen.

Self-Check-in-Schalter am neuen Internationalen Flughafen Istanbul.

Allzeit präsente Machthaber: der Flughafen Istanbul bei seiner Eröffnung im Jahr 2018 Foto: dpa / Ahmed Deeb

Nach der Landung auf dem Istanbuler Flughafen gebe ich bei der Polizeikontrolle meinen Pass ab und schon geht das große Zittern los. Wenn man kein großer Sympathisant der dortigen Regierung ist, kann es leicht passieren, dass man plötzlich als Vaterlandsverräter, als Terrorist, als Gülenist, als Putschist und noch ungefähr ein Dutzend weiterer Extremisten beschuldigt werden kann.

Die beiden Polizisten in dem kleinen Holzhäuschen vor mir wissen natürlich, dass die armen Kreaturen, die an ihnen vorbeigeschleust werden, alle eine Höllenangst haben, und lassen sie bei der Passkontrolle möglichst lange Blut und Wasser schwitzen.

Mit aufgerissenen Augen starrt der Bulle unendlich lange auf seinen Computer, blättert dann wieder in meinem Pass herum, schüttelt bedenklich den Kopf, schlürft einmal an seinem winzigen Teeglas, glotzt mich dann erneut prüfend an, ändert seine Sitzposition und kratzt sich dabei intensiv unterhalb des Tresens. Dann kneift er die Augen zu und schaut den Kollegen neben sich vielsagend an.

Warum sitzt denn dort, in dem ohnehin viel zu kleinen Häuschen, eigentlich noch ein weiterer Polizist, obwohl er offensichtlich nichts zu tun hat? Ist er Praktikant? Ist er der Aufpasser? Oder ist heute Girl’s Day? Für meinen Geschmack hat der Kerl für ein Girl etwas zu dicke, schwarze Schnurrbarthaare, die inzwischen sehr verräterisch vibrieren.

„Hey, wann bekomme ich endlich meinen Pass wieder zurück, du Idiot?“, sage ich selbstverständlich nicht. Das denke ich nicht mal, aus Angst, dass diese selbstmörderischen Wörter meinen Mund unkontrolliert verlassen könnten.

Plötzlich kommt ein Lächeln

Das war doch nur ein Test, um mal kurz die Türkei-Kenntnisse der Leser zu prüfen. Mit türkischen Bullen redet man nicht so. Mit türkischen Bullen redet man am besten überhaupt nicht. Mit türkischen Bullen schweigt man und schwitzt man und hofft inständig, dass dieser Albtraum bald vorüber ist.

Während mich der böse Bulle weiterhin streng und vorwurfsvoll anstarrt, setzt der Girl’s-Day-Bulle unter seinem dicken schwarzen Schnurrbart plötzlich zu einem Lächeln an.

Na, super. Jetzt spielen sie auch noch den lieben und den bösen Bullen mit mir. Sie wollen mit diesem alten Polizeitrick meinen Widerstand brechen. Da ist nichts mehr zum Brechen da, da ich gar keinen Widerstand mehr habe!

Auf einmal, so ganz ohne Vorwarnung, sozusagen quasi aus dem Nichts, schlürft der böse Bulle erneut an seinem Tee. Das heißt ganz bestimmt nichts Gutes! Außerdem ist das ein Novum. In der ganzen langen Geschichte der Gastarbeiter hat noch nie ein Bulle während der Passkontrolle zweimal an seinem Tee geschlürft.

Das war’s! Ich ertrage diese Qualen nicht mehr! Ich gebe alles zu. Ich werde alle Mitglieder unserer kommunistischen Zelle der „Roten-Ford-Transit-Fraktion“ verraten.

In dem Moment schiebt der böse Bulle meinen Pass rüber: „Schönen Urlaub, der Herr.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.