Passender Wohnraum durch Wohnungstausch: Die perfekte Lösung
Idealerweise wüchsen die Wohnungen mit den Menschen mit, ideal ist auf dem Wohnungsmarkt aber nichts. Vernünftig wäre ein Recht auf Wohnungstausch.
![Eine Weinbergschnecke kriecht über den nassen Asphalt. Eine Weinbergschnecke kriecht über den nassen Asphalt.](https://taz.de/picture/3793332/14/9948345.jpeg)
D ie Weinbergschnecke hat immer ein Haus, das ihr ganz genau passt, es wächst nämlich mit ihr mit. Die Weinbergschnecke hat also, von Anfang an, eine perfekte Wohnraumlösung für sich. Menschen haben, insbesondere in den großen Städten, oft zu kleine, in manchen Fällen aber auch zu große Wohnungen. Ich kenne Menschen, die verfügen über repräsentative Wohnzimmer, sitzen aber Abend für Abend in einem kleinem Gästezimmerchen.
Aber das ist ein anderes Thema, das Thema der großen Räume. Unser Thema ist das der falschen Wohnung. Eine Wohnung soll sein wie ein Schneckenhaus, sie soll genau passen. Ist sie zu klein, wird der Mensch eingeengt, ist sie zu groß, geht er in ihr verloren. Anders als die Schnecke lebt der Mensch meist in Gemeinschaften, und diese Gemeinschaften vergrößern und verkleinern sich auch, im Verlauf eines Lebens.
Meine Mutter wohnte einst mit uns drei Geschwistern und meinem Vater, am Ende blieb sie allein in einem großen Haus zurück. Da halfen auch die Erinnerungen und die Gewohnheiten nichts mehr, das Haus war ihr zu groß geworden. Auf dem Land ist es meistens kein Problem, eine kleinere Wohnung zu finden, die bezahlbar ist. In der Großstadt ist jede Wohnungssuche ein grausames Unterfangen. Vor allem, wenn man nicht das ideale Zweiverdiener-Angestellten-Paar ist. Aber auch in der Großstadt wachsen die Familien, dehnt die Schnecke sich aus, und schrumpft sie wieder, bis am Ende meist einer alleine übrig bleibt.
Idealerweise wüchsen die Wohnungen mit den Menschen mit, ideal ist auf dem Wohnungsmarkt aber nichts. Mein Physiotherapeut erzählte mir von einer alten Dame an der Wandsbeker Chaussee in Hamburg, die er ab und zu besuchen würde, die lebe allein in sechs Zimmern. Riesige Räume, da wohne sie ganz alleine, sagte er. Wir pressten die Lippen zusammen, zogen die Stirn hoch, tja, so ist das eben. Alte Damen können stur sein. Aber vielleicht ist sie gar nicht stur? Vielleicht kann sie auch einfach nur rechnen? Vielleicht würde sie für eine neue kleinere Wohnung mehr Miete zahlen? Und bei jeder Neuvermietung erhöht, in der Regel, der Vermieter nun mal die Miete.
Am 1. Juli 2015 (und dann noch mal am 3. Juli 2018) hat der Hamburger Senat eine Mietpreisbegrenzungsverordnung für das gesamte Gebiet Hamburgs und für die Geltungsdauer von fünf Jahren erlassen. 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete darf die Miete für den Neumieter nur sein, außer, sie lag ohnehin schon darüber. Außer, sie ist erst nach Oktober 2014 zum ersten Mal vermietet worden. Außer, die Vermieter haben in den drei Jahren davor modernisiert … usf.
Die Neumieter müssen die nach der neuen Verordnung zu hohe Miete natürlich auch rügen, sie müssen sich, sobald sie eingezogen sind, sofort mit diesem neuen Vermieter streiten. Das machen sie aber oft nicht, nun ja, und das ist auch wieder ein anderes Thema. Es ist ein weites Feld, nach Herrn Fontane. Wie wäre es denn nun, wenn die Familie mit den drei Kindern in die sechs Zimmer der alten Dame, und die alte Dame in die drei Zimmer der Familie, zöge? Wenn sie ihre Wohnungen einfach tauschten? Ohne Mieterhöhung, versteht sich. Die Idee ist so einfach und so vernünftig, dass es kaum etwas damit werden wird.
Die Grünen haben sich mit diesem Vorschlag vorgewagt, Hamburgs Grüne finden es toll, sie wollen ein Recht auf Wohnungstausch, wenn der Vermieter derselbe ist – es gibt ja diesen Vorbehalt, die Vermieter wollen sich ihre Mieter aussuchen können, aber wenn sie sich diese Mieter nun schon einmal ausgesucht haben …? Die alte Dame zieht in die kleine Wohnung, die Familie in die große, die Miete bleibt wie sie ist, was wäre das vernünftig, wenn man das einfach so dürfte, auf eigene Initiative, die Wohnung tauschen? Aber was bedeutet Vernunft, wenn es um Geld geht?
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen