Parteitag der SPD Berlin: Die Macht der Männer
Berlins SPD vertagt die Entscheidung, ob eine Frau die Landesliste zur Wahl anführen soll. Auch sonst ist die Stimmung auf dem Parteitag eher mäßig.
Ein Antrag mit der Forderung, in „feministisch emanzipatorischer Tradition unserer Partei“ voranzugehen und mit einer Frau an der Spitze in Berlin in den Wahlkampf zu ziehen, wurde jedenfalls kurzerhand auf wenige Tage vor Weihnachten vertagt.
Aktuell sitzen für die in vielerlei Hinsicht eigentümliche Hauptstadt-SPD sechs Männer und eine Frau im Bundestag. Ein Ungleichgewicht, das nicht länger hinnehmbar sei, erklärten die SPD-Frauenorganisation und der Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg, die den Antrag „Mehr Frauen der SPD Berlin in den Bundestag“ eingebracht hatten.
„Gleichstellung ist eine politische Haltung, und die gibt man hier beim Parteitag nicht an der Garderobe ab“, warb Marie Scharfenberg von den Berliner SPD-Frauen in dem Tagungshotel nahe des Alexanderplatzes für die Annahme des Antrags.
Charlottenburg-Wilmersdorf setzt sich durch
Es half nichts. Am Ende stimmten die Delegierten mit 153 zu 82 Stimmen für das Garderobenmodell. Die Grundsatzentscheidung wurde auf den am 18. Dezember tagenden Sonderparteitag verschoben, auf dem die Kandidat:innenliste für den Bundestag festgezurrt werden soll.
Gut möglich, dass der Antrag dort mit ähnlichen Mehrheiten final beerdigt wird. „Das ist leider schon ein deutliches Signal, das wir hier aussenden, und das finde ich sehr problematisch“, zeigte sich eine Delegierte aus Friedrichshain-Kreuzberg vom linken Parteiflügel im Gespräch mit der taz enttäuscht.
Der Vorschlag, den Antrag einfach auf die lange Bank und damit möglicherweise ins Niemandsland zu schieben, wurde dabei ausgerechnet vom einflussreichen Parteilinken Kian Niroomand begründet. Die Beweggründe liegen auf der Hand. Niroomand ist Vorsitzender des mitgliederstarken Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf, der sich bereits auf einen Kandidaten festgelegt hat: Michael Müller.
Der ehemalige Regierende Bürgermeister stand schon bei der Bundestagswahl 2021 und der Teilwiederholung im Februar 2024 auf dem sicheren Landeslistenplatz 1. Und nach Ansicht der maßgeblichen Vertreter:innen aus dem Westbezirk soll er auch im Februar ganz oben auf dem Wahlzettel zu finden sein. Wenn einer etwas für die SPD Berlin im Wahlkampf reißen könne, dann sei es Müller, sagte ein Delegierter aus Charlottenburg-Wilmersdorf am Rand des Parteitags.
Rasch zusammengeklöppelter Leitantrag
Die beim letzten Parteitag Ende Mai neu gewählten Landesvorsitzenden Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini versuchten unterdessen, ihre Genoss:innen für den anstehenden Winterwahlkampf zu motivieren. „Wir sind überzeugt, die SPD steht für ein klares soziales Profil, anders als die Merz-CDU“, sagte Böcker-Giannini. Trotzdem wolle man keinen „Dagegen-Wahlkampf“ machen, sondern einen für die Anliegen der SPD.
Als da wären: „ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum“, „gute Arbeit und gerechte Löhne“, ein „starker Sozialstaat“ und ein „starkes Europa“. Das waren auch die Schwerpunkte des Leitantrags des Landesvorstands, der nach der Ankündigung von Neuwahlen vor eineinhalb Wochen offenkundig etwas zu rasch zusammengeklöppelt wurde.
Obwohl das Paper für SPD-Verhältnisse mit acht Seiten nahezu schmal war, wurden bis Samstag rund 80 Änderungsanträge gestellt. Zu viel. Ein Delegierter nannte den Antrag unter vorgehaltener Hand „dilettantisch“. Letztlich wurde nur ein einziger Absatz mit Allgemeinplätzen beschlossen, der Rest wurde in die Parteigremien zurücküberwiesen.
Nicola Böcker-Giannini erklärte trotzdem, dass sie „ganz fest“ daran glaube, dass sich die Arbeit an dem Papier gelohnt habe und ihre Partei „unsere Republik nicht den Merzens überlassen“ werde. „Wir machen uns jetzt gemeinsam auf den Weg zum Erfolg“, hatte Martin Hikel die Delegierten schon zuvor beschworen.
Miese Umfragewerte und viel Kritik am Haushalt
Der Applaus für die Mutmachreden von Hikel und Böcker-Giannini fiel mäßig aus. Richtig durchdringen konnten sie mit ihrem Optimismus nicht. Was auch an einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Umfrage des RBB lag, die der SPD in Berlin bei der Bundestagswahl gerade mal 13 Prozent vorhersagte, fast zehn Punkte weniger als bei der letzten Wahl. Noch ein wenig mieser sieht es demnach im Land aus. Wäre jetzt Abgeordnetenhauswahl, käme die Partei sogar auf nur noch zwölf Prozent.
Die beiden Landesvorsitzenden gingen in ihren Reden mit keinem Wort auf den Absturz in der Gunst der Berliner:innen ein. Das übernahmen andere. Etwa Jusos-Landeschefin Svenja Diedrich, die an die Genoss:innen appellierte: „Das darf uns nicht egal sein, das dürfen wir nicht wegwischen, da müssen wir uns sofort kümmern, wenn wir solche Zahlen sehen.“
Die Sozialdemokrat:innen sollten sich nichts vormachen, so Diedrich. Für die Spitzen von Partei und Fraktion mag die ebenfalls in dieser Woche verkündete Einigung der schwarz-roten Koalition auf die Drei-Milliarden-Euro-Sparliste „eine politische Erfolgsgeschichte“ sein. Aber für viele Berliner:innen, die sich die Stadt schon vorher kaum noch leisten konnten, sei „das wirklich kein Erfolg, da müssen wir leider noch mal drüber reden“.
Ähnlich Jana Bertels vom linken Parteiflügel, die vor einem halben Jahr beim Kampf um den Landesvorsitz gemeinsam mit Kian Niroomand gegen Hikel und Böcker-Giannini unterlegen war. Sie sei sehr froh, dass im Ressort von SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe insgesamt betrachtet weniger gespart wird, sagte Bertels. Aber man müsse sich nur mal die Jugendprojekte in der Stadt genauer ansehen: „Es stimmt einfach nicht, dass es keine Einsparungen im sozialen Bereich gibt.“
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