Parteitag der Kubanischen KP in Havanna: Die Ära Castro geht zu Ende

Raúl Castro hat seinen letzten Rechenschaftsbericht als Vorsitzender der KP abgeliefert. Eine neue Generation soll die wirtschaftlich marode Insel übernehmen.

Raul Castro, winkend mit der rechten Hand, unter einer kubanischen Flagge

Als Staatschef trat er 2018 zurück, nun gibt er den Parteivorsitz ab: Raúl Castro Foto: reuters

Zweifel wollte Raúl Castro erst gar nicht aufkommen lassen. „Was mich betrifft, so endet meine Aufgabe als Erster Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas mit der Befriedigung, meine Pflichten erfüllt zu haben“, erklärte der durchaus fit wirkende 89-Jährige gleich zu Beginn des 8. Parteikongresses in seinem Rechenschaftsbericht. Er werde die Führung des Landes an „gut vorbereitete Funktionäre“ übergeben.

Wer die sind ließ der ehemalige Staatschef zwar offen, aber mehrfach hatte Raúl Castro in den vergangenen Jahren angekündigt, dass er den Parteivorsitz auch an den Mann übergeben wird, der 2018 seine Nachfolge als Präsident des Staats- und Ministerrats Kubas antrat: Miguel Díaz-Canel.

Alles andere wäre eine Sensation, die das mühsam austarierte Gleichgewicht in der politischen Führung der Insel pulverisieren würde. Angesichts der ökonomischen Misere, der zunehmenden Unzufriedenheit und der Proteste ist dies aber nicht zu erwarten. Die Ankündigung von Reformen im Agrarsektor durch Miguel Díaz-Canel deutet darauf hin, dass der 60-jährige neben dem Architekten der Währungsreform, Marino Murillo, zum Gesicht der neuen Generation werden könnte.

Existenzielle Versorgungskrise

Auf die „neue Generation gut vorbereiteter Funktionäre“ kommt eine Mammutaufgabe zu. Sie übernehmen die rote Insel in einer existentiellen Wirtschaftskrise, so der kubanische Ökonom Omar Everleny Pérez. „Wir befinden uns in der zweiten Periodo Especial, die Schlangen vor den Geschäften sind so lang, weil es kaum etwas gibt“. Das erinnert an die prekären Jahre zu Beginn der 1990er Jahre, als die Sowjetunion zerfiel und die Inselwirtschaft in drei Jahren um 35% einbrach. Das droht auch jetzt mit der Pandemie, dem extrem verschärften US-Embargo und der Verschleppung ökonomischer Reformen.

Bereits 2019 war ein mieses Jahr mit Null-Wachstum, 2020 brach die Inselwirtschaft dann um 11 Prozent ein und die Aussichten für 2021 sind laut kubanischer Quellen wie die Parteizeitung Granma alles andere als rosig. Das war durchaus auch ein Thema im Rechenschaftsbericht von Raul Castro. Er gab zu, dass Bürokratie, Defizite bei der Kontrolle der Ressourcen und Ineffizienzen, wie die „fehlende Dynamik bei der Aktualisierung des ökomischen Modells“, mitverantwortlich seien. Freundliche Umschreibungen für Korruption und Missmanagement.

Erst 64 Prozent der 2011 auf dem 6. Parteitag der PCC beschlossenen Reformagenda, Lineamientos genannt, sind offiziellen Angaben zufolge realisiert, so Omar Everleny Pérez. „Zu zögerlich, zu oberflächlich, zu ängstlich, agiere die Politik bei der Umsetzung“, kritisiert der 61-jährige. Das hat Tradition. Doch die politische Führung kann sich das latente Gezauder eigentlich nicht leisten, denn in Kuba herrschen Versorgungsengpässe – es gibt seit Monaten immer weniger zu Essen.

Repressionen statt Reformen

Grund dafür ist eine ineffektive Landwirtschaft und der Mangel an Devisen, um Lebensmittel in den USA, Argentinien oder Vietnam einzukaufen. Lange konnte sich Havanna das mehr oder minder leisten. Doch mit der Verschärfung des Embargos unter Donald Trump, dem Einbruch des Tourismus aufgrund der Pandemie und der seit Jahren anhaltenden Talfahrt der kubanischen Exporte ist das nicht mehr drin.

“Vokabeln wie Markt und Privatsektor kommen den kubanischen Verantwortlichen nach wie vor kaum über die Lippe“, analysiert Pavel Vidal. Für den kubanischen Finanzexperten und Professor im kolumbianischen Cali ist das ein Indiz für anhaltende Widerstände gegen strukturelle Reformen auf allen Ebenen.

Von Reformen war auch in Raúl Castro letzter Rede als Parteichef nicht die Rede. Stattdessen hat er die USA für die ökonomische Strangulierung Kubas verantwortlich gemacht und einen Dialog auf Augenhöhe angeboten. Der hat in Washington jedoch keine Priorität, so eine Biden-Sprecherin.

Dafür dürfte auch die jüngste Welle der Repression mitverantwortlich sein, mit der die Regierung in Havanna auf Proteste von Künstlern reagierte. Gerade begann in Havanna der Prozess gegen Luis Robles Elizastigui. Der junge Mann war am 4. Dezember mit einer Pappe auf die Straße gegangen, auf der die Parole stand: „Freiheit: Nein zur Repression“. Dafür forderte die Staatsanwaltschaft eine sechsjährige Haftstrafe. Auch das alles andere als ein positives Signal aus Havanna.

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