Parteitag der Berliner Linken: Kein Antisemitismus-Skandal
Der Eklat auf dem Parteitag der Linken steht nicht für ein Problem mit Antisemitismus. Er ist Ausdruck von Kompromisslosigkeit und einem Machtkampf.
W urde der Holocaust geleugnet? Sind Juden als Strippenzieher verunglimpft worden? Durfte ein Vertreter der Hamas ein Grußwort halten? Man könnte all das annehmen, wenn man sich die öffentliche Empörung über den „Antisemitismusskandal“ auf dem Landesparteitag der Berliner Linken am Wochenende anschaut. Es passt ja auch ins Bild: Antisemitismus wird in bürgerlichen Kreisen inzwischen vor allen als linkes und migrantisches Problem markiert. Wenn sich Linke über Nahost zerlegen, muss demnach Antisemitismus und linksradikaler Israel-Hass dahinterstehen.
Doch wer einen genauen Blick auf den Parteitag und die Streitparteien wirft, muss zu einem anderen Schluss kommen: Es gab keinen Antisemitismusskandal. Stattdessen gab es einen Kampf um Begrifflichkeiten und die jeweils für angemessen betrachtete richtige Priorisierung – eine klassisch linke Debatte, wie sie tausendfach geführt und meist gescheitert ist. Blinde Einseitigkeit; stereotype Zuschreibungen, gar Menschenfeindlichkeit waren nicht Gegenstand der Anträge und Änderungswünsche.
Beim Antrag des Landesvorstands war man sich gar einig, die „verbrecherischen Massaker der Hamas“ und den „anhaltenden völkerrechtswidrigen Krieg“ zu geißeln. Beides gehört – auch wenn sich einige Mitglieder an der Basis anders positionieren – zum Parteikonsens, ebenso wie das programmatische Bekenntnis gegen Antisemitismus. Die große Mehrheit der Linken ist in ihrem Verständnis der komplexen Lage in Nahost damit weiter als jeder Staatsräson-Diskurs.
Entzündet hat sich der Streit, an dessen Ende Ex-Landeschef Klaus Lederer und gut zwei Dutzend seiner Getreuen den Parteitag verließen, an einem Antrag, der ausführlich einen bestimmten Blick auf das Thema Antisemitismus postulieren wollte – ohne Bereitschaft auf Bedenken einzugehen, die nicht in einer antisemitischen Weltsicht zu suchen sind. Doch Lederer und Co. zogen den Antrag lieber zurück und gingen, als ihn mit Detailänderungen beschließen zu lassen.
Streit im Detail
Mehrheitlich abgelehnt wurde die Bezeichnung des Hamas-Terrors als „eliminatorischen Antisemitismus“, weil die Begrifflichkeit als Beschreibung für die Schoah verstanden und eine Gleichsetzung mit dem Holocaust vermieden werden sollte. Den Antragsstellern ging es demnach explizit nicht darum, Hamas und Hisbollah zu relativieren.
Ersetzt werden sollte zudem die Formulierung, jüdische Menschen „unter Einsatz rechtsstaatlicher Mittel zu schützen“. Aus Sorge, damit eine polizeiliche Repression gegen Pro-Palästina-Proteste zu legitimieren, wollte die Partei daraus den Satz machen: „Wir stehen für eine Linke ein, die jüdisches Leben in Deutschland verteidigt und jüdische Menschen konsequent schützt.“
Nicht Antisemitismus hat diesen Parteitag ausgezeichnet, sondern die Unfähigkeit zum Kompromiss. Dahinter steht auch ein Machtkampf, den der einst tonangebende Lederer-Flügel verloren hat. Verloren hat dabei die ganze Linke.
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