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Parteitag der AfDRechts außen zerrissen

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Parteichef Meuthen knöpft sich die Radikalen in der AfD vor. Eine knappe Mehrheit unterstützt seinen Kurs.

Schärft die Fronten innerhalb seiner Partei: AfD-Chef Jörg Meuthen während des Parteitags Foto: Wolfgang Rattay/reuters

D iese Rede darf man wohl bemerkenswert nennen: Auf einem Parteitag, bei dem eigentlich die Sozialpolitik im Mittelpunkt stehen sollte, las AfD-Chef Jörg Meuthen einem Teil der eigenen Partei die Leviten. Er forderte das Ende eines „immer enthemmter, immer derber, immer aggressiveren“ Auftretens und mehr Disziplin. Und ging dabei ganz offen Fraktionschef Alexander Gauland an, auch wenn er dessen Namen nicht nannte. Spontan war all das nicht, im Gegenteil:

Es war eine wohlkalkulierte Wutrede, die Meuthen da gehalten hat. Meint er damit – und auch mit Aktionen wie der Auflösung des „Flügels“ und dem Rausschmiss des Rechtsextremisten Andreas Kalbitz in den vergangenen Monaten – das Ruder in der Partei wirklich rumreißen zu können? Oder bereitet er möglicherweise seinen Abgang vor, sollte der Verfassungsschutz die Gesamtpartei im kommenden Jahr als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen? Darüber kann man bislang nur spekulieren.

Doch klar ist: Von diesem Kurs kommt Meuthen, der lange bereitwillig mit dem „Flügel“ paktierte, jetzt nicht mehr runter. Dass die drei KandidatInnen, die grundsätzlich eher für Meuthens Kurs stehen, bei den Nachwahlen für den Bundesvorstand den Sieg davon trugen, zeigt, dass der umstrittene Parteichef durchaus noch Mehrheiten hinter sich versammeln kann.

Und dass ausgerechnet der flügelnahe und eloquente Maximilian Krah, vom sächsischen Landeschef Jörg Urban und Meuthens Co-Chef Tino Chrupalla als Nachfolger von Kalbitz als Beisitzer ins Rennen geschickt, unterlag – das ist für den „Flügel“ und seine FreundInnen eine derbe Niederlage. Doch die Wahlen gingen allesamt knapp aus. Das zeigt, wie gespalten die AfD nicht nur in ihrer Spitze, sondern auch unter den Delegierten und an der Basis ist.

Daran ändert auch nicht, dass der Parteitag relativ geräuschlos ein Sozialkonzept verabschiedet und damit eine lange klaffende Leerstelle im Parteiprogramm geschlossen hat. Der Leitantrag ist ein Kompromiss, um den monatelang gerungen wurde – und am Ende schienen alle vor allem darüber froh zu sein, dass sie zumindest diese Kuh ohne Eklat endlich vom Eis haben.

Ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl ist die AfD eine tief gespaltene Partei, die nicht weiß, wofür sie steht und wohin sie will. Bislang war das Nebeneinander der unterschiedlichen Strömungen ein Erfolgsrezept, das WählerInnen von der Mitte bis tief in rechtsextreme Lager angesprochen hat. Die Konflikte wurden durch den stetigen Erfolg übertüncht. Damit ist es vorbei. Dieses Rezept funktioniert nicht mehr.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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19 Kommentare

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  • Die AfD ist jetzt immerhin auch schon da, wo die anderen Parteien lange sind - Richtungsstreit fällt im letzten Moment dann doch immer aus und wird auf Sankt Nimmerlein vertagt.



    Meuthen stellte nochmal ausdrücklich klar, dass er sich von den sogenannten „Querdenkern“ in der Partei gar nicht distanziert hat. Damit bestreitet er indirekt, dass es überhaupt einen Richtungsstreit gibt. Er ruft öffentlichkeitswirksam nach „Disziplin“ , aber „Disziplin“ hat ja grundsätzlich schon mal gar keine Richtung. So what?



    Die AfD wird also ein Fall für den Verfassungsschutz bleiben, denn völkisch-rechtsnationales Gedankengut wird letztlich kein Stück demokratie-kompatibler, wenn man es „diszipliniert“ vorträgt. Das hat auch schon bei der CDU nie so richtig funktioniert, von der ja viele AfD'ler kommen.

  • Hoffentlich bleibt parteiintern alles so zerrissen damit immer weniger Wähler sich mit dem Saftladen anfreunden können.

  • Hoffentlich gehen die bald den Weg der Republikaner in den 90'ern und verschwinden in der Bedeutungslosigkeit.

    • @Hugo Rune:

      Schön wär´s ja. Leider spricht eher wenig dafür, da soziologische Studien zeigen, dass rechte und rechts-offene Positionen bei etwa 20-25% der Bevölkerung prävalent sind. Diese Einstellungen werden nicht einfach so verschwinden und das damit vorhandene Wählerpotential begünstigt leider einen verstetigten Fortbestand der AfD oder einer vergleichbaren Partei im Spektrum von FN/RN, SVP, ÖVP, PVV, Lega, PiS, ...

  • @JANA KLOBO; @BLAUBÄRMITSOSSE; @INGO BERNABLE.

    Danke für alle Antworten.

    Ich dachte ja, die AfD lebt von dem Spannungsbogen von Meuthen bis zum Führerbunker.

    Um so die meisten Stimmen zu gewinnen.

    Warum aber schießt Meuthen nun gegen den Flügel und die Corona-Leugner. Mit denen wurde ja gerade ein neues Wählerpotential aufgetan.

    Unterm Strich ist das alles wahrscheinlich Jacke und die AfD ist was die Chancen bei Wahlen anbelangt, am Ende der Fahnenstange angekommen.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    das war eine Mischung aus Merkel, Gauland, Weidel und Meuthen Absätzen.



    Gauland und Weidel hatten gleiches vor ca. 3 Jahren gesagt als der Flügel marker setzte 'wir sind die treibende Kraft' während dieser Zeit gab es Keilereien und Handgreiflichkeiten in Stuttgart rund ums Meuthen. Ob Meuthen wirklich geschlagen wurde, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls halten die AfD der den Ball pseudoflach weil Wahljahr. nächstes Jahr ist. des Weiteren ist nicht durchschaubar wie sie die Belästigungen durch Verfassungsschutz behandeln. Seltsam ist nur, dass Gauland sagt der Verfassungsschutz muß bekämpft werden .... er als erzrechter war doch stets von der Arbeit des Verfassungsschutzes überzeugt.

    • 9G
      92293 (Profil gelöscht)
      @92293 (Profil gelöscht):

      Die Autokorrekturen durch das System sind manchmal schon seltsam. Merkels durch Meuthen übernommener Wortgebrauch war im übrigen aus einer Bundestagsdebatte und wurde auch bei einer Pressekonferenz wiederholt sowie diskutiert.

  • Kann mir mal jemand kurz und knackig erklären, wodurch sich der fiese Flügel vom gemäßigten unterscheidet?

    Also außer durch die Nazi-Rhetorik.

    • @Jim Hawkins:

      Die Unterschiede wurden ja beispielsweise gerade gestern bei der Rentenpolitik sichtbar. Während die 'Wirtschaftsliberalen' die gesetzliche Rente komplett durch private Vorsorge (die sich geschätzt 50% der Bevölkerung vermutlich nicht leisten könnte) ersetzen möchte, wollen die 'Völkisch-Nationalen' die gesetzliche Renten beibehalten, diese aber an die 'Staatsbürgerschaft' (aka Ariernachweis) knüpfen. Radikal sind also beide Strömungen. Da aber die häufig kolportierte Spaltung der Partei derzeit für beide Lager nur Stimmen kosten würde, wäre meine Prognose, dass sie bis zur Wahl weiter gemeinsam Kreide fressen werden. Danach wird man Meuthen vermutlich genauso abservieren wie vorher schon Lucke und Petry, da die Wählerbasis für enthemten Turbokapitalismus zu klein und der Sog einer sich immer weiter selbst verstärkenden Radikalisierungsdynamik zu ultra-rechten Positionen viel zu groß ist.

    • 0G
      06227 (Profil gelöscht)
      @Jim Hawkins:

      Ein wesentlicher Unterschied ist wohl, dass sich letztere in kruder Selbstwahrnehmung als brave Demokrat*innen lesen und sich in Folge auf die Füße getreten und bestätigt fühlen wenn sie mit den offenen Nazis gleichgesetzt werden.



      Ganz allgemein: Differenzierung ist was anderes als Relativierung - und umgekehrt: nicht zu relativieren lässt keinen Umkehrschluss zu Dinge gleichzusetzen.

    • @Jim Hawkins:

      Sehr gute Frage. Der Titel "Parteichef Meuthen knöpft sich die Radikalen in der AfD vor" suggeriert eine radikale AfD neben einer moderaten oder gar bürgerlichen. Einen solchen Titel erwarte ich von der FaZ und Konsorten, aber doch nicht von der Taz.



      Damit geht das Konzept der AfD auf, sich als Teil der Mitte zu inszenieren; rechtsradikal ist jeder in der AfD und da sollte man sich auch nicht beirren bzw. einlullen lassen.



      Die Taktik der AfD ist seit ihrem Bestehen, den gesamtgesellschaftlichen Diskurs nach rechts zu verschieben und linke Themen und Positionen zu tabuisieren; rechte Tabus wieder salonfähig zu machen. Eine solche Headline unterstützt genau diesen Prozess.

      • @Jana Klobo:

        Ich finde diesen Kommentar zum Kommentar falsch und politisch dumm! Obb taktisch oder nicht: Wenn Meuthen (auf EM Parteitag der AfD!) die Verharmlosung des Faschismus zurückweist, dann ist da gut und zient eine Grenze. Und vielleicht nehmen wir es einfach als Erfolg antifaschistischer Proteste.

        • @Peter Herholtz:

          Wenn er das tut, hätte er auch schlechteres tun und äußern können. Nur ist es eben nicht authentisch, wenn er versucht sich vom faschistischen Flügel abzugrenzen. Man kann im Netz, das eine ganz gute Gedächtnisstütze darstellen kann, seine Reden zu Migration, seine Verteidigungsrede nach Höckes Eskalation in Dresden im Jahr 2017, er benutzt das Framing „linksgrünversifft“, er bemüht stetig rassistische Resentiments, nach faschistischen Ausschreitungen in Sachsen erklärte er sich solidarisch und verständnisvoll, kurz gesagt: Meuthen ist erstens fähig zur Anpassung, was eine Weidel z.B. nur bedingt ist oder sein will und zweitens zuständig für das Reinwaschen, nachdem man einen weiteren Schritt im Versuch eine Art Faschismus publikfähig zu machen, gegangen ist.

      • 9G
        91655 (Profil gelöscht)
        @Jana Klobo:

        Ach, als ein Linker, der "verzweifelt" die Extremismus-Theorie ablehnt (aber, leider, wie alle bisher keine bessere Theorie anbieten kann) sehe ich große Teile der Afder-Nazis selbstverständlich als Teil der Mitte - nämlich als Beweis, dass es den Extremismus der Mitte gibt!

        • @91655 (Profil gelöscht):

          Ich sprach ja auch nicht von Extremismus und das bewusst. Zur Extremismustheorie gibt es ausreichend Kritik von allerlei Linken, sowie der Wissenschaft. Im Groben und Ganzen richtet sich dasjenige, was emanzipatorisch ist darauf, jedem Menschen den gleichen, unverhandelbaren Wert zuzusprechen und ihn als Subjekt zu sehen und anzuerkennen oder um es mit Adorno zu sagen: "Eine Welt in der wir ohne Angst verschieden sein können". Das gelingt weder Nazis und Islamismisten, die ohne Frage ganz oben auf der Skala der Abscheulichkeiten stehen, aber genauso wenig allerlei bürgerlichem Schmutz, der aus taktischen oder ökonomischen Gründen Argumente dafür findet, Menschen ersaufen, erfrieren o.Ä. zu lassen.

    • @Jim Hawkins:

      Sie haben es erkannt: clever=Kreide gefressen vs. dumm=ehrlich

    • @Jim Hawkins:

      Ich hab auch eine Frage, die ist durchaus damit verwandt: in welcher Partei war Maximilian Krah vor 5 Jahren, in welcher Partei war sein Vater, und in welcher Partei wurde er politisch sozialisiert?