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Parteigründer Lucke tritt aus der AfD ausAfD ist keine Alternative mehr

Erst hatte Bernd Lucke den Machtkampf mit Frauke Petry verloren, nun verlässt der Parteigründer die Rechtspopulisten.

Die beiden wird man wohl nicht so bald wieder auf einem Foto sehen: Bernd Lucke und Frauke Petry am 4. Juli in Essen Foto: dpa

Berlin taz/dpa | Bernd Lucke verlässt die Alternative für Deutschland. Er werde am Freitag aus der Partei austreten, teilte der Europaabgeordnete und ehemalige Parteichef am Mittwochabend mit. Am selben Tag würden auch die Europaabgeordnete Ulrike Trebesius sowie viele andere Funktionsträger und einfache Mitglieder die AfD verlassen.

Lucke hatte am Wochenende auf dem Bundesparteitag in Essen eine Kampfabstimmung um den Vorsitz der Partei gegen Frauke Petry klar verloren. Petry, die den rechten Flügel der Partei hinter sich versammelt und zuletzt die Partei gemeinsam mit Lucke geführt hatte, gewann mit 60 Prozent der Stimmen.

Bei der anschließenden Wahl für den Bundesvorstand gab es einen rechten Durchmarsch. Lucke wurde auf dem Parteitag ausgebuht und angepöbelt. Er wolle nicht als bürgerliches Aushängeschild für politische Vorstellungen missbraucht werden, die er „aus tiefer Überzeugung ablehne“. Dazu zählten „insbesondere islam- und ausländerfeindliche Ansichten, sie sich in der Partei – teils offen, teils latent – immer stärker ausbreiten“.

Die Mitglieder, die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei machen wollten, seien inzwischen in der Mehrheit. Ob er gemeinsam mit seinen Verbündeten eine neue Partei gründen wolle, ließ Lucke offen.

Luckes Erklärung zum Austritt:

„Ich möchte Sie darüber informieren, dass ich am Freitag, dem 10.7.2015, aus der AfD austreten werde. Am selben Tag werden auch Ulrike Trebesius und sehr viele Funktionsträger und einfache Mitglieder die Partei verlassen. Wir werden diesen Schritt tun in der festen Absicht, auch weiterhin für die politischen Ziele einzustehen wegen derer wir gewählt wurden.

In der AfD sehe ich dafür leider keine Möglichkeit mehr, ohne gleichzeitig als bürgerliches Aushängeschild für politische Vorstellungen missbraucht zu werden, die ich aus tiefer Überzeugung ablehne. Dazu zählen insbesondere islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten, die sich in der Partei teils offen, teils latent, immer stärker ausbreiten und die ursprüngliche liberale und weltoffene Ausrichtung der AfD in ihr Gegenteil verkehren.

Dazu zählt ferner eine antiwestliche, dezidiert prorussische außen- und sicherheitspolitische Orientierung, die sich in schmähender und jedes vernünftige Maß übersteigender Kritik an den USA äußert, während gleichzeitig die russische Politik vehement verteidigt wird. Die damit einhergehende Auffassung, dass Deutschland aus der Nato oder aus der EU austreten solle, halte ich für falsch und verantwortungslos. Sie widerspricht im übrigen den bisherigen programmatischen Beschlüssen der AfD, gewinnt aber zusehends an Boden.

Völlig inakzeptabel sind für mich auch die immer lauter werdenden Rufe von Parteimitgliedern, die bezüglich unserer Wirtschafts- und Finanzordnung oder bezüglich unserer parlamentarischen Demokratie die „Systemfrage“ stellen wollen oder die Souveränität Deutschlands abstreiten, indem auf ein angeblich fortbestehendes Besatzungssystem oder Machenschaften amerikanischer Verschwörerkreise verwiesen wird.

Mein Austritt aus der AfD fällt mir nicht nur wegen meines eigenen Einsatzes für den Aufbau einer neuen, sachlich und konstruktiv wirkenden politischen Kraft unendlich schwer, sondern auch, weil es in der AfD immer noch viele treue und liebenswerte Mitglieder gibt, an deren politischen Auffassungen nichts zu kritisieren ist und die sich unermüdlich für die ursprünglichen Ziele der AfD aufgerieben haben. Ich kann diese Mitglieder nur um Verzeihung bitten! Ich habe sicherlich Fehler gemacht und zu den größten gehört zweifellos, dass ich zu spät erkannt habe, in welchem Umfang Mitglieder in die Partei drängten, die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei umgestalten wollen.

In Essen ist in erschreckender Weise zutage getreten, wie sehr letztere inzwischen in der Mehrheit sind. Sie werden von den wichtigsten Verantwortungsträgern der Partei nicht etwa gebremst, sondern sogar noch aufgeputscht. Damit ist das Ringen um die Zukunft der AfD aussichtslos geworden. Ich danke allen, die ein Stück des Weges mit mir gegangen sind und für die wahren Ziele der AfD gekämpft haben. Jetzt aber ist die Partei unwiederbringlich in die falschen Hände gefallen. Bewährte und vernünftige Mitglieder verlassen in vierstelliger Größenordnung die Partei. Ich schließe mich ihnen an.“

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11 Kommentare

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  • AFD war eine rechtsradikale Partei, sie ist eine rechtsradikale Partei und wird immer eine rechtsradikale Partei bleiben. Mit Lucke, ohne Lucke oder neben Lucke...

  • Das musste Bernd Lucke wohl machen. Ich habe ihn und sein Programm nie gemocht und für veraltetes, wiederaufgearbeitetes politisches Pseudomaterial gehalten.

     

    Aber was jetzt passiert, weist doch eher den Weg nach ganz Rechts, zu einer Front National auf Deutsch oder einer neuen NPD - mit pseudobürgerlichem Anstrich.

     

    Und da müssen sich jetzt viele 'bürgerliche' Noch-Mitglieder entscheiden, ob sie aus Solidarität, alter Zeit, Wahlsiegen bei dieser Show mitmachen.

     

    Die Frontfrau ist in meinen Augen auch eine Pseudo-Politikerin, die nur eine Sache politisch wirklich vollbracht hat: Sich an die Stelle von Lucke zu setzen. Damit das klappen konnte, hat sie ideologisch durchgeladen und das rechtsextreme Vakuum bei rechten und bürgerlich-rechten Parteien für ein paar Tage ausgenutzt.

     

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese neue rechtsextreme Partei bestand haben wird. Dazu sind die Funktionäre und Mitglieder wohl zu wenig erfahren oder eben schon mal gescheitert, wie Nockemann in Hamburg.

     

    Die Front National war übrigens immer Partei und Familienbetrieb in einem, dort hat der Altmeister Le Pen das Sagen und konnte bis weit ins Rentenalter seine Positionen und seine Aktionen ungestört durchführen. Diese Art von Stabilität gibt jetzt bei der AfD nicht. Im Gegenteil: Bei der neuen AfD gibt's keine Ordnung und auch keine Hemmungen, die sind nun ja eingerissen von Petry und das wird dann wohl auch zu weiteren Umstellungen, Rauswürfen, Pöpeleien und Austritten führen. (Siehe Bremen)

  • Sind Eure Überschriften-Redakteure von allen guten Geistern verlassen? Wozu war oder ist die AfD denn eine Alternative? Und wieso jetzt "keine Alternative mehr" ? Alternative zu den Stiefel-Nazis? Alternative für Rechtsnationalisten zu den herrschenden Nationalisten? Bitte um Aufklärung!

    • @Philippe Ressing:

      Da sagen Sie was!

    • @Philippe Ressing:

      Ich denke mal das war ein Wortspiel auf den Parteinamen gepaart mit der Erwartung dass die Partei nun entgültig an den rechten Rand trudelt

  • Man kann ja zu Herrn Lucke stehen wie man will - aber "seine" AFD ist definitiv besser als eine Partei wie die AFD jetzt.

     

    Eine Partei die ohne Lucke jetzt ganz offen sich im rechts-nationalen Lager positioniert und nicht mal den Versuch macht die radikale Rechte draußen zu halten.

    Und schaut euch mal die Wählerwanderung der Landtagswahlen an - Bernd Luckes AFD hat mit Sicherheit nicht nur Nazis und Ex-NPD-Kader angesprochen.

     

    Jetzt haben wir die deutsche Version der Wahren Finnen, der FPÖ, den Dänemarktypen, Liga Nord, Urbans Jubelperser und zu guter letzte den parlamentarischen Arm von Pegida.

    Vertreten in mehreren Landesparlamenten und dem Zirkus in Brüssel, ausgestattet mit jeder Menge Kohle für Sekretäre, Wahlkämpfe und dem Würstchenfest in Trögliz. Und im Gegensatz zu den Piraten bereits schon so weit arbeitsfähig, dass man nicht mehr beim Ablegen absäuft

     

    Man mag zu Herrn Lucke und seiner Politik stehen wie man will.

    Aber mal eine Frage - wen wählt man wenn man von Europa, EU, Brüssel einfach nichts hält?

    Wenn also also nur der Meinung bin Politik für die Bundesrepublik soll in Berlin und nicht in Brüssel gemacht werden (ohne dabei Paris zu bombardieren!)

  • Kann er mir nicht erzählen, dass er nicht gewußt hat, welche Leute sich da versammelt haben. So blauäugig kann doch selbst ein deutscher Professor gar nicht sein.

    • @Rainer B.:

      Ich bin mir ziemlich sicher dass Lucke das wußte, sein "Weckruf"-Verein scheint genau diesem Problem gewidmet gewesen zu sein.

      Unterschätzt hat er sicherlich das Ausmaß.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Lucke wird mir fast noch sympathisch und die AfD eine Ossi-NPD light, die untergehen wird.

    • @571 (Profil gelöscht):

      mein vorschlag: wiedergründung der ddr, blockfrei, deutsch und demokratisch (diesmal), völlige autonomie für bayern, ostfriesland, münsterland, siegerland, vogtland und schottland. allle raus aus allen militärbündnissen und religiösen zwangskorsetts. entspannte, und nicht mehr so verhärmte gesichtszüge wären die konsequenz.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Ja, woran laboriert FRAUKE PETRY? An sich selbst - an der untergegangenen DDR - an Menschen wie Lucke - an Westdeutschen, wie er einer ist - an der Zerissenheit ihrer Generation - am Leben, pardon, "an sich"? Wem ginge es nicht so. Wenige haben das Privileg, es auf offener Bühne zu zeigen, in allen Medien. Und sie lassen mich Anteil nehmen. Ob ich will oder nicht.