Parteiausschluss-Verfahren in der AfD: Welche Nazi-Kontakte sind okay?
Das Landesschiedsgericht der AfD in Schleswig-Holstein will Doris von Sayn-Wittgenstein nicht ausschließen. Der AfD-Bundesvorstand legt dagegen Rechtsmittel ein.
Am 17. Dezember vergangenen Jahres hatte der Bundesvorstand beschlossen, die Parteiaufnahme der ehemaligen Landeschefin und Landtagsabgeordneten zu widerrufen. Der Bundesvorstand musste hierfür satzungsgemäß das Landesschiedsgericht anrufen.
Zuvor hatte bereits die Landtagsfraktion Sayn-Wittgenstein ausgeschlossen. Den Anlass lieferte die Nähe der Juristin zu dem „Verein Gedächtnisstätte“, der vom Verfassungsschutz in Thüringen und Niedersachsen als rechtsextrem eingestuft wird. Die AfD führt ihn auf ihrer Unvereinbarkeitsliste. Die erste Vorsitzende des 1992 gegründeten Vereins war die Grand Dame der Holocaustleugnerszene, Ursula Haverbeck.
Das Schiedsgericht erklärte nun, dass „eine etwa zwei Jahre vor ihrem Aufnahmeantrag in der Partei erfolgte Unterstützung des Vereins“ nicht zu einem Ausschluss Sayn-Wittgensteins führen müsse, „da sich aus einer einmaligen Unterstützung keine zwingenden Rückschlüsse auf ein noch heute andauerndes rechtsextremistisches Weltbild ergeben“.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
E-Mails an Rechtsextreme
Vor dem Schiedsgericht hatte Sayn-Wittgenstein eingeräumt, „etwa einmal jährlich“ an den Verein gespendet zu haben. Dass sie kein Mitglied sei, sagte der Vorsitzende der „Gedächtnisstätte“, Wolfram Schiedewitz, in der mündlichen Verhandlung.
Der AfD-Vizefraktionschef, Claus Schaffer, hatte dem Gericht zwar versichert, dass Sayn-Wittgenstein selbst erklärt habe, Vereinsmitglied gewesen zu sein. Doch zwei Aussagen, so das Gericht, stünden hier gegen eine.
Sayn-Wittgenstein habe sich zudem „von dem Verein distanziert“, so Bollmann, der als Richter am Oberlandesgericht Schleswig tätig ist. Auffallend: Landesschiedsgericht und Bundesvorstand ignorieren, dass Sayn-Wittgenstein E-Mails versandte, die ihre rechtsextreme Vernetzung offenbarten. Die Adressaten reichen von Freunden der Waffen-SS, Holocaust-Leugnern und Verfechtern einer Reichsideologie bis zum internationalen Rechtsextremismus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind