Parlamentswahl in Kambodscha: Der Sieger steht schon fest
Verhaftete Regierungskritiker, Schließung missliebiger Medien, Gewaltdrohungen an das Volk. Wer am Sonntag die Wahlen gewinnt, ist jetzt schon klar.
An diesem Mittwoch flackert in Phnom Penh dann doch etwas Wahlkampf auf. Auf einem einsamen dunkelgrünen Armeepick-up weht die Nationalflagge, umgeben von den blauen Fahnen der CPP. Aus einem Lautsprecher dröhnt Wahlpropaganda. Abwesend sind aber Zuhörer, wahlkämpfende CPP-Anhänger und auch der Fahrer.
Vannath Khema will am Sonntag wählen. Wen, verrät der Mitarbeiter eines Mobilfunkunternehmens nicht. Traurig sagt er: „Es gibt keinen Wettstreit der Parteien wie früher.“ Der 32-Jährige ist aber überzeugt, dass sich zwar viele Wähler am Sonntag aus Selbstschutz mit Tinte die Finger schmutzig machen, aber ungültige Stimmzettel abgeben werden.
Jeder Wähler muss sich nach Stimmabgabe einen Finger blau färben lassen. Was der Vermeidung von Mehrfachstimmabgaben dienen soll, wurde von der CPP in ein Kontrollinstrument verwandelt. Wessen Finger nach der Wahl sauber sind, muss als offensichtlicher Anhänger der Opposition Repressionen fürchten. Denn die hat zum Wahlboykott aufgerufen.
Friedhofsruhe statt Volksfeststimmung
Bei der Wahl 2013 herrschte noch Volksfeststimmung. Der damalige Oppositionsführer Sam Rainsy durfte aus dem Exil nach Kambodscha zurückkehren und brachte die CPP an den Rand einer Niederlage. Als die Opposition dann auch bei der Kommunalwahl im Juni 2017 überraschend gut abschnitt, schien ein Machtwechsel in diesem Jahr greifbar.
Diesen vor Augen zog Hun Sen die Reißleine. Sam Rainsy ist längst wieder im Pariser Exil und twittert unermüdlich gegen die „Fake Election“ und für den Wahlboykott. Kem Sokha, sein Nachfolger als CNRP-Chef, sitzt wegen Hochverrats im Gefängnis, der Rest der CNRP-Führung ist ins Ausland geflohen.
Regierungskritiker wurden verhaftet, kritische Medien geschlossen und dem Volk mit Gewalt gedroht. „Kambodschas zunehmend diktatorisch agierende Einparteienherrschaft wird von Generälen der Sicherheitskräfte gestützt, die für schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind“, schrieb die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Als Zuckerbrot erhöhte Hun Sen den Mindestlohn für Textilarbeiterinnen und stellt für 2019 niedrigere Elektrizitätspreise in Aussicht. Die zählen zu den höchsten der Welt. Die staatliche Firma Electricite du Cambodge kassiert von Privatkunden umgerechnet bis zu 0,64 Eurocent pro Kilowattstunde, das Fünffache des Strompreises in Singapur.
Ein zu deutlicher Sieg untergräbt die Legitimation
Die konkurrenzlose CPP steckt aber in einem Dilemma. Einerseits will sie mit dem Einsatz von Polizei, Soldaten und Beamten im Wahlkampf in den Provinzen einen Wahlboykott im großen Stil verhindern. Doch andererseits fürchtet sie auch einen zu hohen Wahlsieg. „Ein umfangreicher Boykott schadet ihrem Image, alles im Griff zu haben. Zu viele Prozente aber stärken Zweifel an der Legitimität der Wahl“, sagt ein westlicher Diplomat, die lieber anonym bleiben möchte.
EU und USA stellten ihre Wahlunterstützung aus Protest gegen die Unterdrückung der Opposition ein. China hingegen liefert Wahlurnen, Computer und Wahlbeobachter. Auch die kambodschanische Bürgerrechtsorganisation Licadho stellt keine Beobachter. „Wir wissen doch, wer gewinnt“, sagt Licadho-Direktorin Naly Pilorge.
Der potemkinsche Wahlkampf mit dem unbemannten Armeepick-up findet ausgerechnet wenige Meter von The Factory entfernt statt, einer zu einem Coworking Space für Jungunternehmer umfunktionierten Fabrik. In dem hippen Ambiente hat auch die von dem politischen Analysten Ou Virak gegründete Denkfabrik Future Forum ihren Sitz. Sie fördert junge Akademiker mit einjährigen Stipendien, damit sie aus ihren Träumen konkrete Konzepte für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel ihrer Heimat entwickeln können. Getreu dem Motto, das in riesigen Lettern am Eingang prangt: „Träume werden wahr“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus