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Papstwahl als Polit-Thriller im KinoOhnmacht, Opulenz, Ränke

Edward Berger inszeniert in „Konklave“ eine Papstwahl als packenden Polit-Thriller. Statt Glaubensfragen stehen Machtspiele im Vordergrund.

Vatikan kann schon erdrückend sein: Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) in „Konklave“ Foto: Leonline

„Je mehr Licht man in die Kirchengeschichte bringt, desto dunkler wird’s“, hat der Schweizer Schriftsteller Heinrich Wiesner einmal treffend formuliert. Womöglich ist das einer der Gründe, weshalb der neue Film von Edward Berger, obwohl er ausschließlich innerhalb der Mauern des Vatikans spielt, sich nicht für ihre Historie interessiert.

Denn „Konklave“ hat es weder auf eine Bewältigung der jüngeren oder älteren Vergangenheit der Kurie noch auf einen Kommentar zu ihrem gegenwärtigen Zustand abgesehen.

Stattdessen hat Edward Berger, dessen Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ im vergangenen Jahr mit vier Oscars ausgezeichnet wurde, einen überaus spannenden Thriller um eine Papstwahl inszeniert. Basierend auf einer Romanvorlage des britischen Autors Robert Harris („München“), erzählt „Konklave“ von der gleichnamigen Versammlung der Kardinäle, die hinter verschlossenen Türen zusammenkommen und sich von der Außenwelt abriegeln, um den nächsten Nachfolger Petri zu bestimmen.

Der Prunk der römisch-katholischen Kirche, ihre traditionsreichen Riten und ihr strenges Protokoll dienen dem Film als überaus imposantes Setting beziehungsweise narrativer Rahmen für eine im Kern sehr weltliche Geschichte um Macht, Intrige und Verschwörung. Denn mit dem Tod des reformistischen Papstes, der offen für Liberalisierungen eintrat, beginnt nicht nur der Streit um die Deutungshoheit darüber, was die Glaubensgemeinschaft ausmacht und in welche Richtung sie steuern sollte.

Der Film

„Konklave“. Regie: Edward Berger. Mit Ralph Fiennes, Stanley Tucci u. a. USA/Vereinigtes Königreich 2024, 120 Min.

Auch ein an individuelle Herrschaftsinteressen geknüpftes Gerangel um den Heiligen Stuhl wird in Gang gesetzt. „Jeder Kardinal hegt die Ambition, Papst zu werden, und hat sogar heimlich den Namen gewählt, unter dem er bekannt sein möchte“, flüstert Kardinal Bellini (Stanley Tucci), der als einer der aussichtsreichsten Anwärter auf das Pontifikat nach Rom gereist ist, seinem Freund Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes­) zu. Er, der als Dekan gleichsam für die Organisation des Konklaves zuständig ist, bestreitet derlei Bestrebungen.

Mit seinem Glauben hadern

Aus Lawrences Sicht, und damit vom Standpunkt eines Geistlichen aus, der mit seinem Glauben hadert und seine verantwortungsvolle Aufgabe als letzten großen Dienst an der katholischen Kirche betrachtet, blickt der Film auf die Geschehnisse. Die bedächtig agierende Kamera von Stéphane Fontaine („Ammonite“) folgt ihm in roter Soutane, mit Kreuz und Zucchetto bei zahlreichen Zeremonien, wie dem feierlichen Versiegeln der päpstlichen Gemächer nach dessen Tod oder beim weihevollen Durchschreiten heiliger Hallen.

Dabei entstehen eindrück­liche Bilder, die „Konklave“ eine ähn­liche Wirkung verleihen, wie sie die Prachtbauten der katho­lischen Kirche besitzen, die für den Film in den Cinecittà-Film­studios in Rom mit Detailtreue nachgebaut wurden: Beide, Bauten wie Bilder, strahlen eine monumentale Opulenz aus, die sowohl erhaben als auch erdrückend wirkt.

Die ehrfurchtgebietenden Einstellungen werden allerdings ­immer wieder gekonnt gebrochen, etwa indem die Kardinäle auch bei profanen Tätigkeiten, mit E-Zigarette und Smartphone, zu sehen sind. Ohnehin ist das, was sich unter den Klerikern ereignet, oft alles andere als weihe- oder würdevoll. Kaum angekommen, teilt sich die Geistesgemeinschaft in unterschiedliche Fraktionen, in vielversprechende Kandidaten und ihre jeweilige Gefolgschaft auf.

Neben besagtem Bellini, der den liberalen Kurs seines Vorgängers fortsetzen möchte und damit Lawrences Unterstützung genießt, buhlt auch Goffredo Tedesco (Sergio Castellitto) um die Gunst der anderen Kardinäle. Er wettert gegen eine Modernisierung der Kirche, fordert die Wiedereinführung der lateinischen Messe und findet damit vor allem unter konservativen Kräften Zuspruch.

Zahlreiche Wahlgänge nötig

Während der nigerianische Anwärter Joshua Adeyemi (Lucian Msamati) noch reaktionärere Töne anschlägt und offen gegen Homosexualität hetzt, gilt Joseph Tremblay (John Lithgow) wiederum als ein gemäßigter Kandidat der Mitte.

Da es für die Ernennung zum Papst einer Zweidrittelmehrheit aller Stimmen bedarf, zeichnet sich schnell ab, dass zahlreiche Wahlgänge nötig sein werden. Zwischen ihnen fokussiert sich „Konklave“ nicht nur auf die Gespräche, die Lawrence mit seinen Verbündeten führt, um eine möglichst mächtige Koalition zu schmieden.

In seiner Funktion als Dekan muss er auch Hinweisen auf mögliche Bestechungen und etwaige Ränkespiele, die das Zeug zum öffentlichen Skandal besitzen, nachgehen. Die unerwarteten Wendungen und Überraschungen verflicht Edward Berger virtuos zu einem politischen Kammerspiel.

Stellvertreter des Herrn auf Erden

Mehr als packende Unterhaltung aber entsteht daraus nicht. Größere Themen, wie die persönliche Glaubenskrise seines Protagonisten oder die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche werden nur benannt, nicht aber verhandelt. Die Diskussionen zwischen den unterschiedlichen Fraktionen verharren wiederum zu sehr an der Oberfläche, um die gegenwärtigen Auseinandersetzungen innerhalb der Kurie, welche Richtung die Kirche nun nehmen soll, tatsächlich abzubilden.

Indem „Konklave“ den eigentlich interessanten Fragen seines Settings ausweicht, haftet dem Film auch eine gewisse Mutlosigkeit an. Beinahe wirkt es so, als hätte die Opulenz des Vatikans auch Edward Berger, respektive Drehbuchautor Peter Straughan, ein wenig in Ohnmacht versetzt. Umso mehr, als selbst das Ende der Erzählung einer finalen Konfrontation ausweicht und suggeriert: Mögen sich die Stellvertreter des Herrn auf Erden auch verirren – eine glückliche Fügung wird es schon richten. Oder ist es sogar eine göttliche?

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1 Kommentar

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  • Wenn am Ende der weiße Qualm ausm Kamin qualmt, hat der gewonnen, der am unsichtbarsten (!) bestochen hat.



    Und der Böse ist immer der Deibel