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Pannenserie in größtem AtomkraftwerkEuropas Riese hat Risse

Wegen einer undichten Stelle im Gassystem muss im ukrainischen AKW Saporoschje der vierte Reaktor vom Netz. Die Zwischenfälle häufen sich.

Todsichere Sache: Das AKW Saporoschje im Jahr 1994 Foto: dpa

Odessataz |Es war bereits der vierte Reaktor des ostukrainischen Atomkraftwerks Saporoschje in Folge, der am Montag vom Netz genommen werden musste – und das sogar mit einer Notabschaltung. Grund war eine undichte Stelle im Gassystem des Turbinengenerators. Dies berichten die Kraftwerksbetreiber auf ihrer Internetseite. Erhöhte Strahlenwerte sollen nicht gemessen worden sein.

„Gut, dass sie den Reaktor rechtzeitig abgeschaltet haben“, kommentiert der Atomkraftgegner Jurij Babinin aus Nikopol auf seiner Facebookseite die Nachrichten aus Saporoschje. „Andernfalls hätte es die Produktionshalle ganz schön geschüttelt.“

Der Turbogenerator werde mit Wasserstoff und mit Wasser gekühlt. Das birgt laut dem Umweltschützer ein hohes Gefahrenpotenzial: Wasserstoff könne schon bei sehr kleinen undichten Stellen entweichen. „Und Wasserstoff ist explosiv“, so Babinin.

Immer wieder Zwischenfälle

Das in dem Städtchen Energodar angesiedelte Kraftwerk hat insgesamt sechs Reaktoren und gilt als das größte Atomkraftwerk Europas und das fünftgrößte der Welt. Es versorgt den gesamten Süden der Ukraine mit Energie. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Zwischenfällen und Notabschaltungen. Zuletzt 2014 zweimal binnen eines Monats.

Drei Reaktoren waren aus unterschiedlichen Gründen bereits zu einem früheren Zeitpunkt für Reparaturmaßnahmen vom Netz genommen worden. Zwei laufen derzeit noch. So speist das für eine Leistung von 6.000 Megawatt ausgelegte AKW momentan nur 1.640 Megawatt in das Netz ein. Insgesamt lieferte Saporoschje in diesem Jahr deshalb 9,9 Prozent weniger Strom. Dies berichtet das auf Energie spezialisierte ukrainische Internetportal uaenergy.com.ua unter Berufung auf das Ministerium für Energie und Kohle.

Die jüngsten technischen Schwierigkeiten kommen für das AKW, das derzeit nur Brennstäbe aus Russland bezieht, zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Ende Februar waren in dem Kraftwerk die ersten nuklearen Brennstäbe der US-Firma Westinghouse eingetroffen. In diesem Monat sollen die ersten davon in Reaktor 5 eingesetzt werden. Reaktor 4 soll Donnerstagabend schon wieder ans Netz gehen.

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6 Kommentare

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  • Es sind eben geschickte Abwägungen zwischen zwei unterschiedlichen Verlustrisiken: Einerseits stehend mögliche nicht mehr erzielbare Zusatzgewinne bei bewußt sorgfältigem Umgang mit der Atomkraft, und dem gegenüber stehen die zu erwartenden Verluste im Fall eines GAU durch den Wegfall (Tod und Invalidität) vieler Menschen, deren Arbeitskraft überwiegend ohnehin nur als Beute angesehen wird.

  • Ich frage mich wie lange die Menschen brauchen, bis sie endlich begreifen, dass Atomkraft gefährlich ist und das Potential besitzt, viel Lebensraum über mehrere Generationen hinweg unbewohnbar zu machen, wie schon in Tschernobyl. Atomkraft ist keine saubere Energie, war es nie und wird es auch nie sein. Aber wie so oft hat die Gesellschaft die wunderbare Fähigkeit entwickelt, die Wahrheit einfach auszublenden. Die Verantwortung wird an die Politik abgegeben oder an die Wirtschaft, die kümmern sich ja schon...Was bei rauskommt sieht man ja.

  • Zu diesem Artikel lassen sich ein paar Fakten ergänzen die alle nachdenklich stimmen sollte die sich so darüber freuen das sich die Ukraine von Russland abwendet und der EU zuwendet.

     

    1.) die Ukraine hat ca 50% Atromstrom

     

    2.) die AKW sind allesamt "russischer" Bauart und von "russischen" Ersatzteilen Abhängig.

     

    3.) die AKW sind vom Hersteller alleine für bestimmte "russische" Brenstäbe Zertifiziert.

     

    4.) für den Betrieb mit den Westinghous Brenstäben übernimmt der Hersteller keinerlei Garantie und bezeichnet das als gefärlich

     

    5.) Die Ukraine hat weder dezedierte Zwischenlager nocht Endlager.

    Bei der "Entsorgung" des M;üls ist die Ukraine auf Russland angewiesen.

    Das ist vertraglich geregelt, aber nur für verbrauchte "russische" Brennstäbe

     

    P.S. das ist alles nicht neu habe ich hier schon mal geschrieben, vor ca 1Jahr zu einem anderen Artikel.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Das Unverständlichste ist für mich, daß so große Teile der Menschen und der Politiker nicht verstehen, daß mit jeder Havarie eines Kernkraftwerks die Lebensmöglichkeit in recht großen Gebieten über viele Menschengenerationen hinweg vernichtet ist und gigantische materielle Schäden entstehen. Über die Endlagerung des Abfalls ganz zu schweigen. Und nicht jeder hat einen schönen großen Pazifik vor der Tür, wie Fukushima, der erstmal alles schluckt.

    Der Mensch scheint ein Vernichtungs-Gen oder einfach grenzenlose Dummheit in sich zu tragen.

  • "Ende Februar waren in dem Kraftwerk die ersten nuklearen Brennstäbe der US-Firma Westinghouse eingetroffen. In diesem Monat sollen die ersten davon in Reaktor 5 eingesetzt werden."

     

    Gute Idee. Stecken wir einfach mal ein paar andere Brennstäbe in den Reaktor. Mal sehen, was passiert. Diese Einstellung hat schon in Tschernobyl schöne Früchte getragen...