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Palast der Republik im Berliner SchlossKnochen und Lampen

Die Ausstellung über den Palast der Republik in Berlin ist nicht uninteressant. Doch warum läuft sie im Humboldt Forum? Ist das nicht Siegerzynismus?

Ambivalenter Ort für Repräsentation und Vergnügen in sozialistischer Bautradition: Palast der Republik zu DDR-Zeiten Foto: Wikimedia Commons / Istvan, CC-BY-SA 3.0

Es ist wahrscheinlich ehrlich, wenn Hartmut Dorgerloh zugibt: „Der Palast steckt dem Humboldt Forum in den Knochen.“ Tatsächlich hat der umstrittene Abriss des Palastes der Republik 2008 nicht nur einen Phantomschmerz bei denen hinterlassen, denen er zu DDR-Zeiten als „Honeckers Lampenladen“ Ort des Vergnügens und des Verlustierens war. Der Abriss ging auch einher mit der zweifelhaften Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses, das seit 2020 vom Humboldt Forum bespielt wird, unter anderem mit dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asia­ti­sche Kunst.

Hartmut Dorgerloh hätte auch sagen können, der Palast gehe in der Schlosskopie um wie ein Gespenst. Doch dann fängt der Generalintendant des Humboldt Forums den kurzen Moment der Irritation wieder ein mit einer nichtssagenden Relativierung. „Schon seit 600 Jahren geht es an diesem Ort um Macht und Repräsentation, aber auch um Ohnmacht.“ Nichts Neues also, auch dem Bau des 1976 eröffneten und 1990 schon wieder geschlossenen Palastes steckte schließlich das erst 1950 gesprengte Stadtschloss in den Knochen.

„Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ heißt die nun eröffnete Ausstellung, die Dorgerloh der Presse vorstellte. 300 Exponate zeigt die große Sonderschau, darunter Willi Sittes Gemälde „Die rote Fahne“, das in der Galerie des Palastes hing. Sitte wurden neben 15 weiteren Malern beauftragt, für die Galerie Werke des So­zia­lis­ti­schen Realismus zu schaffen – und eine Antwort auf die Frage zu geben: „Dürfen Kommunisten träumen?“

Das – unideologische – Gegenstück zu den Gemälden in der Galerie war die von Reginald Richter und Richard O. Wilhelm entworfene, fünf Tonnen schwere Glas-Stahl-Plastik „Gläserne Blume“. Sie zierte im Palast das großzügige Foyer. Erstmals nach seiner Schließung sind Fragmente von ihr wieder zu sehen.

Kein Dämonisieren, kein Idealisieren

Freilich geht es bei dieser Ausstellung nicht so sehr darum, was sie zeigt, sondern dass sie überhaupt gezeigt wird. Ist das der Versuch, Wunden zu heilen oder dem Ort, an dem sich das Humboldt Forum befindet, postum gerecht zu werden? Dorgerloh sagt, weder wolle er den Abrissbeschluss infrage stellen noch den Palast „dämonisieren“ oder „idealisieren“. Vielmehr gehe es darum, „die Vergangenheit immer wieder neu zu verhandeln“ und einen „Ort zu schaffen, an dem man einander wieder zuhört“.

Für die ehemaligen Gegner des Abrisses und die Initiatorinnen einer Zwischennutzung des entleerten Betonbaus als „Volkspalast“ 2004 und 2005 ist das Zynismus. Schon ein paar Tage vor der Ausstellungseröffnung haben sich der Architekturprofessor Philipp Oswalt und Berlins Ex-Kultursenator Thomas Flierl mit einer Reihe von Aktivistinnen zu Wort gemeldet.

„Solange es nicht zu einer Korrektur der äußeren Erscheinung des Bauwerks kommt“, schreiben sie in einer Stellungnahme, sei die Ausstellung „ein fadenscheiniges Feigenblatt“. Mit der äußeren Erscheinung ist unter anderem die christliche Symbolik an der Schlosskuppel gemeint, finanziert durch Spender auch aus der rechtsextremen Szene.

Blick in das lichte Foyer mit Gläserner Blume von Reginald Richter und Richard Wilhelm, im Hintergrund die Palast-Galerie Foto: bpk / Gerhard Kiesling

Doch die Schlosskopie scheint dem Humboldt Forum nicht in den Knochen zu stecken. Nicht ein Mal nahm Dorgerloh auf der Pressekonferenz das Schloss-Wort in den Mund. Es gehe vielmehr nur um die Erinnerung an den Palast, die mit dieser Ausstellung zu einem großen Programmschwerpunkt seines Hauses wird.

Nicht nur mit prominenten Gegnerinnen und Befürwortern des Abrisses hat das Team um Programmleiterin Judith Prokasky im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten gesprochen, sondern auch mit Mitarbeitern aus dem Palast, mit einstigen Besucherinnen, auch mit denen, die sich dem Ort demonstrativ fernhielten. Viola Borgwedel zum Beispiel, eine Mitarbeiterin in einer der Spreegaststätten im Kellergeschoss des Volkspalastes, sagt: „Ich wollte mich höher qualifizieren und wollte Restaurantleiter werden. Das wurde mir verweigert, weil ich kein Parteibuch hatte.“ Ritchie Barton wiederum, Keyborder der Band Silly, spricht darüber, welchen Spagat es bedeutete, im Palast aufzutreten. Im Backstagebereich sei dann aber alles „schwerst international“ gewesen. „Man hätte auch denken können, man ist in New York.“

Unterhaltung und subventionierte Gastronomie

So kommen 50 Zeitzeugeninterviews zusammen, die die Erinnerung an den Palast in die Gegenwart tragen und zumindest in diesem Sinn dem Untertitel der Schau gerecht werden. Sie stehen im Zentrum der Retrospektive, das verdeutlicht auch die Ausstellungsarchitektur. Über eine Rampe geht es zu einer weitläufigen Hörinsel. In der darf der Palast der Republik noch einmal sein, was er war: ein ambivalenter Ort zwischen Repräsentation und Unterhaltung, subventionierter Gas­tro­no­mie und beliebtem Treffpunkt.

Interessant ist die Recherche zum Verbleib zahlreicher Interieurs aus dem 1976 fertiggestellten Palast mit dem Volkskammersaal, dem Großen Saal, 13 Restaurants, einer Bowlingbahn, der Gemäldegalerie und dem Theater im Palast. Vieles davon wurde in den ersten Nachwendejahren verscherbelt.

Erst 1996/97 haben das Bundesbauamt und das Landesdenkmalamt eine denkmalpflegerische Dokumentation in Auftrag gegeben, heißt es im Katalog zur Ausstellung. Grund dafür war der Beschluss, dass im Zuge der Asbestsanierung alle Gegenstände aus dem Palast entfernt werden mussten. Die „Gläserne Blume“ hat das nicht mehr in toto retten können. Was nun im Humboldt Forum zu sehen ist, sind ihre Reste. Normalerweise lagern sie im Depot des Deutschen Historischen Museums.

Zwischennutzung mit Flutung: Man arbeitete sich dann auch mit Paddelbooten durch den leeren Palast der Republik Foto: picture-alliance / ZB / Jan Woitas

Auch die Glocke, mit der die erste frei gewählte Präsidentin der DDR-Volkskammer, ­Sabine Bergmann-Pohl, das ­Ergebnis der Abstimmung zum Beitritt zur Bundesrepublik bekannt gab, bleibt verschollen. Um sie vor dem Verlust zu bewahren, hatte Bergmann-Pohl die Glocke zunächst bei sich zu Hause aufbewahrt. Als ihr vorgeworfen wurde, sie habe die Glocke geklaut, gab sie sie in die Obhut eines Bonner Beamten. Später wollte sie Christoph Stölzl für das Deutsche Historische Museum haben, doch da war sie bereits verschwunden. Bergmann-Pohl, die ursprünglich gegen den Abriss des Palastes war, sagt heute, sie habe mit dem Humboldt Forum ihren Frieden gemacht.

Die rechtsextremen Schlossfinanzierer

Anderen fällt das schwerer. Zwar war einige Zeit zu hoffen, dass sich das Humboldt Forum von seiner Schlosshülle emanzipieren könnte. Das aber ist spätestens seit den Recherchen zu den rechtsextremen Spendern eine Illusion. Philipp ­Oswalt, der die Recherchen maßgeblich vorangetrieben hat, befindet sich nicht nur im Clinch mit Intendant Dorgerloh, sondern auch in einem Rechtsstreit mit dem Förderverein Berliner Schloss.

Die Ausstellung

„Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“: Hum­boldt Forum Berlin, bis 16. Februar 2025. Katalog: 34,90 Euro

Und sicher wird nun auch die Frage auftauchen, ob die Ausstellung der Reste dessen, was der Abriss des Palastes übrig gelassen hat, nicht auch als Überheblichkeit der „Sieger“ gewertet werden kann. Vielleicht sogar als eine der kolonialen Gesten, deren Aufarbeitung das Humboldt Forum sich doch eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Nichts Neues also, auch dem Bau des 1976 eröffneten und 1990 schon wieder geschlossenen Palastes steckte schließlich das erst 1950 gesprengte Stadtschloss in den Knochen."

    Da hat nichts Geringeres stattgefunden als ein Paradigmenwechsel der SED.



    Der Abriss erfolgte, weil das Schloss als Sinnbild des preußischen Militarismus galt, der zerstört werden sollte zugunsten der propagierten Friedens-Ideologie.

    In der Spätphase der DDR bemühten sich die Herrschenden dann, durch ein volkstümlicheres Geschichtsverständnis bei der Bevölkerung zu Punkten, Stolz zu zeigen auch auf die technischen und sozialen Errungenschaften Preußens (Abschaffung der Leibeigenschaft, Alphabetisierung der Bevölkerung durch Einführung der Schulpflicht, Verbesserung der hygienischen und allgemeinen Wohnsitustion der "arbeitenden Menschen" usw.) In diesem Sinne hätte man das Stadtschloss wohl lieber wieder aufgebaut, statt es zu schleifen.

    Der Bau des "Palastes der Republik" an derselben Stelle erschien so als Fortschritt, der auf dem Überwundenen aufbaut.

  • Die einen fühlen so, die anderen so. Und wäre der Palast ohne Spuren entfernt worden, würde Geschichtsfälschung beklagt werden. Verlieren muss in der Demokratie auch gelernt sein. Mir ist so ein von den demokratischen Regierenden beschlossener Bau jedenfalls lieber als der von den SED-Schergen beschlossene. Und über die Geldgeber kann sich ärgern, wen es juckt. Als ich das Ding besichtigt hab, fand ich es jedenfalls spannend zu erfahren, wie die Mitte mal architektonisch aussah, ohne dass mir Preußens Gloria eingeschossen wäre. Die Ausstellung kann meinetwegen durch irgendwas ersetzt werden, was die Gemüter weniger erhitzt

  • Was für ein Unsinn, hier, wenn auch erfreulicherweise erst im letzten Absatz, von "kolonialen Gesten" und "Siegern" zu sprechen. Die untergegangene DDR wurde nicht von der Bundesrepublik Deutschland "übernommen". Vielmehr haben die Bürger der DDR, vertreten durch die von ihnen frei gewählten Vertreter, beschlossen, die 1952 aufgelösten Länder der DDR (Mecklenburg(-Vorpommern), Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen) wiederzugründen und sodann diese Länder dem Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, d.h. der Bundesrepublik Deutschland, beitreten zu lassen.



    Dies in irgendeiner Forma als "Kolonialismus" zu bezeichnen, mißbraucht nicht nur diesen Begriff, sondern geht auch an den historischen Tatsachen vorbei, klingt dafür aber sehr nach schlechten Verlierern, die nach 30 Jahren immernoch einem gescheiterten gesellschaftlichen Experiment nachtrauern.

  • Unser Land ist seit über 30 Jahren wiedervereint. Allein schon deshalb sollte man mit Ost - West - Diskussionen aufhören können. Das dem nicht so ist ist ein Offenbarungseid und ein Trauerspiel. Und es liegt natürlich an Fehlern der Vergangenheit und am Gebaren von damals, welches sich bis heute nicht zu ändern scheint.

    Angefangen von der Wiedervereinigung, die rechtlich eine Angliederung oder ein Beitritt war. Der Westen hatte gesiegt. Und war danach nicht in der Lage, die Leistung derer, die das überhaupt möglich gemacht hatten, zu respektieren. Geschweige denn ihre Interessen oder Zweifel oder Meinungen erst zu nehmen. Der Westen hatte gesiegt. Ohne jedes Feingefühl wurden Entscheidungen getroffen, die oftmals politisch getrieben schienen. Und das Stadtschloss ist ein typisches Beispiel. Mir ist nicht bekannt, ob die im Wesentlichen aus dem Westen zugereisten Beamten und Politiker das Schloss schön finden. Die Berliner finden es nicht. Und der Abriss des Palastes wird nach wie vor als Zeichen von Überheblichkeit und Arroganz gesehen. Als Zeichen, damit der Osten begreift, wo er ist und wie wichtig er ist.

    Das mag von den Befürwortern des Stadtschlosses so nicht gemeint gewesen sein. Ist aber irrelevant. Kommunikation ist das, was ankommt. Und die Entscheidung des Baus des Stadtschlosses an der Stelle des Palastes der Republik ist nach wie vor ein Fiasko für das Zusammenwachsen. Denn die damit verbundene ablehnende Haltung, das wissen wir inzwischen, wird selbst an jene vererbt, die erst nach dem Bau des Stadtschlosses geboren wurden. Eine Ausstellung wird daran nichts ändern.

    • @Jens Barth:

      Wieviele Jahre braucht es denn, bis aus einem "Zugereisten" - ob Beamter, Politiker oder Student - ein "Berliner" geworden ist? Ich frage als jemand, der mehr als die Hälfte seines Erwachsenenlebens in Berlin verbracht hat, aber auch schon als 14jähriger im Deutsch- und Geschichtsunterricht an einem westdeutschen Gymnasium für den "Wiederaufbau" des Berliner Schlosses argumentiert hat. Und eben jenes Berliner Schloß heute als durchaus wohltuende Heilung des Stadtbildes empfindet, die spreewärtige Ostseite quasi als "Narbe" in Kauf nehmend.

  • Na logisch, der ganze Abriss war eine Siegergeste. Davon kommt man nicht mehr los.

    • @Birdman:

      Welcher Abriß war eine "Siegergeste" - der des durchaus noch restaurierbaren Berliner Schlosses 1950 oder der des Palasts der Republik 2008?

  • Nachdem im Humboldt Forum verschiedene Veranstalter tätig sind, würde es mich interessieren, wer diese Ausstellung veranstaltet.