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Palästina-Kongress weiter in der KritikDie Debatte bleibt hitzig

Nach dem Palästina-Kongress wird weiter diskutiert. Auch Stimmen, die ihn inhaltlich ablehnen, sehen das repressive Vorgehen der Behörden kritisch.

Pressekonferenz am 13. April zwei Stunden nach dem Abbruch des umstrittenen „Palästina-Kongress“ Foto: dpa/Jörg Carstensen

Berlin taz | Die Kritik am Verbot des Palästina-Kongresses reißt nicht ab – ebenso wie die Kritik am Kongress selbst. Als „vollkommen unverhältnismäßig“ bezeichnet der Republikanische An­wäl­t*in­nen Verein RAV das Vorgehen der Polizei gegen die Ver­an­stal­te­r*inn­nen des Palästina-Kongresses „mit Schikanen vor dem Beginn und dem endgültigen Verbot aufgrund des Videobeitrags“.

Der RAV ist ein Zusammenschluss von Rechtsanwält*innen, die Bürger- und Menschenrechte „gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen“ verteidigen wollen. Die Polizei habe die Möglichkeit, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, bewusst vereitelt, heißt es weiter.

Ihre Kritik wollten die An­wäl­t*in­nen dabei unabhängig von der Veranstaltung selbst verstanden wissen. Im RAV-Vorstand gebe es unterschiedliche Meinungen zum Inhalt und zur Ausrichtung des Kongresses, bis hin zu Kritik und Ablehnung. Doch in einem sei man sich einig: Das Vorgehen der Behörden sei mit der Versammlungs- und Meinungsfreiheit unvereinbar.

„Auch wenn man wie ich kritisch zum Palästina-Kongress steht: Es muss möglich sein, strafbare und antisemitische Reden zu verhindern und Auflagen durchzusetzen, ohne den kompletten Kongress zu verbieten“, schrieb der Linke-Innenpolitiker und Abgeordnete Niklas Schrader auf X. „Mit solch hilfloser Repression erreicht man wenig gegen Antisemitismus.“

„Der Palästina-Kongress war pressefeindlich“

Die bei der Gewerkschaft Verdi organisierte Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion DJU zog „im Sinne der Pressefreiheit“ eine negative Bilanz. „Der Palästina-Kongress war pressefeindlich“, schrieb die DJU ebenfalls auf der Plattform X. Sowohl die Ver­an­stal­te­r*in­nen als auch Teil­neh­me­r*in­nen des Kongresses hätten „regelmäßig versucht, eine unabhängige, freie Berichterstattung zu verhindern“.

Den Kongress mitveranstaltet hat der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. Die Gruppe trat gegenüber der Polizei als Anmelder der Versammlung auf. Der Verein positioniert sich regelmäßig verharmlosend in Bezug auf den Terror der Hamas. Nach deren Massaker am 7. Oktober schrieben sie auf ihrer Webseite: „Was nun geschehen ist, glich einem Gefängnisausbruch, nachdem die Insassen zur lebenslangen Haft verurteilt wurden, nur weil sie Pa­läs­ti­ne­nse­r:in­nen sind.“

Auf einer Veranstaltung zu ihrem 20-jährigen Bestehen fand der Anteil der Hamas an der Situation in Gaza keine Erwähnung. Auch im Programm des Kongresses selbst fanden sich keine Einordnung oder Kritik an der Terrororganisation. Bei der Demonstration gegen das Verbot des Kongresses am Samstag waren auch rote Dreiecke zu sehen, die seit dem 7. Oktober als Symbol für die Hamas gelten.

Die Jüdische Stimme verortet sich selbst als links. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das Verbot des Kongresses gelobt. „Wir behalten die islamistische Szene eng im Visier“, hatte sie auf X geschrieben. Der Verfassungsschutz führt Hamas-unterstützende Gruppierungen unter Islamismus.

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8 Kommentare

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  • Ein weiterer lesenswerter Artikel zu dem Thema Palästinakongress und DJU ist in der FAZ erschienen.



    www.faz.net/aktuel...ffen-19659914.html

  • Wer Intoleranz und Lügen sät, Gewalt und Terrorismus unterstützt hat seinen Anspruch auf Toleranz und freie Meinungsäußerung verloren. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere demokratischen Rechte missbraucht werden um dogmatischen Fanatikern eine Stimme zu geben.



    Wer immer noch denkt Hamas ist gar nicht so schlimm und hat keine andere Wahl, lest bitte die Gründungscharta von 1988 und hört zu wenn sich die Hamasführer persönlich zu Wort melden. Im Gegensatz zu ihren Anhängern im Westen, lügen sie nämlich nicht jedesmal wenn sie den Mund aufmachen und sagen offen was ihre Ziele sind.

  • Einmal mehr haben sich die Kongress-Veranstalter, natürlich mit den üblichen Codes, aber unmissverständlich, zur Auslöschung Israels bekannt: "Wir kämpfen für ein Ende des zionistischen Siedlerkolonialismus und seiner Apartheidpolitik vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer, einschließlich des Rückkehrrechts aller palästinensischen Geflüchteten." palaestinakongress.de/

    Wenn vor diesem Hintergrund dann noch ein Redner zugeschaltet wird, der die Massenmorde vom 7.10. ausdrücklich billigt, dann scheint mir mit Blick auf die Bestimmungen des Versammlungsgesetztes ein Verbot auch juristisch durchaus nachvollziehbar:

    "§4 Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn (...) 3. Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,



    4. Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben." www.gesetze-im-int...BJNR006840953.html

    Das sollte allerdings auch der RAV wissen.

  • Es wird darüber sicher einen juristischen Streit geben. Dann muss auf dem Tisch, ob es strafbare Handlungen gab oder nicht. Falls ja, was ja viele bezweifeln, dann muss begründet sein, warum nur die Auflösung als einzige Möglichkeit in Betracht kam.



    Es darf daran erinnert werden, dass gerade die Polizei in Hamburg wegen ihren Vorgehen beim G20 Gipfel eine weitere Niederlage einstecken musste.

    • @Ernie:

      Und dann? Gibt es irgendwelche Konzequenzen, wenn ein Gericht das Vorgehen der Polizei als rechtswidirig klassifiziert? Nö....und beim nächsten Mal macht es die Polizei genau so.....

      • @Frank Fischer:

        Das glaube ich nicht ganz. Mein Vertrauen in den Rechtsstaat ist noch vorhanden. Der Druck seitens der Politik, eben genau bei dieser Verantsaltung, auf die Polizei war schon extrem groß. Urteile hierzu werden schon Auswirkungen haben.

  • Ich halte dieses Geseiere der Veranstalter*innen, man sei doch so arm und habe das ales doch nicht verdient, weiterhin abstoßend und verlogen. Erstens dürfen auch nach dem 7. Oktober wirklich im Dauertakt irgendwelche propalästinensischen (oder jedenfalls sogenannten) Demos stattfinden, angemeldet und unangemeldet, deren Versammlungsfreiheit wird also weiterhin geschützt. Zweitens ist wer die islamfaschistischen Hamas und ihre Terrorakte gut findet, einfach nur unten durch. Meinetwegen können solche Leute sich grundrechtskonform durch die Instanzen klagen. Es gibt aber kein Recht auf Hasspropaganda. Sollen sich die RAV-Anwält:innen für demokratischen Rechtsschutz einsetzen. Aber politische Solidarität von aufgeklärten Linken verdienen Hamas-Anhänger:innen genausowenig wie Rechtsextreme.

    • @a jugovic:

      Ich stimme Ihnen zu.